Ich steige genervt aus dem Auto, schmeiße die Tür zu und schaffe es noch gerade rechtzeitig, einer großen Schlammpfütze auszuweichen. Super, meinen Wagen kann ich nach diesem Abend auch wieder putzen. Dafür habe ich also gerade drei Euro bezahlt, um auf einer Schlammfläche meinen weißen Wagen parken zu dürfen; was für ein Glück ich doch habe.
Zwischen Schlammpfützen und Lebkuchenherzen
Genervt mache ich meine Winterjacke zu, ziehe meine Handschuhe an und laufe mit schnellen Schritten auf den Eingang zu. Meine Freundinnen bummeln hinter mir gemütlich her, sie lachen und deuten mit großen Augen und breiten Grinsen auf das Riesenrad, welches den ganzen Himmel mit seinen bunten Farben zum Leuchten bringt. Zugegeben, es sieht wirklich hübsch aus. Wir bleiben kurz stehen um das obligatorische Kirmesfoto zu schießen. Du warst quasi nicht auf der Kirmes, wenn du das Riesenrad nicht fotografiert und auf Snapchat geteilt hast.
Der erste Eindruck wird jedoch direkt getrübt, als ich mich durch die Menschenmasse zum Eingang drängen muss. Eine Gruppe von Jugendlichen kommt uns entgegen, vollgepackt mit kitschigen Kuscheltieren, behangen von Lebkuchenherzen und besoffend grölend: „Kirmes ist nur einmal im Jahr!“ Jedes Mal frage ich mich bei diesem alljährlichen Anblick, wie man so viel Geld für unnötigen Kram ausgeben kann. Ich schiebe mich weiter durch bis zum Eingang. Die streng dreinblickende Security versucht das Durcheinander innerhalb meiner Handtasche nach Waffen ausfindig zu machen. Vielleicht wirke ich mit meinem schlechtgelaunten, wenig Kirmes-vergnügten Gesicht etwas verdächtig?
Kirmes Starterpack: Eine Portion Churros
Weiter geht’s. Am Riesenrad schaffen wir es durch die Menschenmenge nach einer gefühlten Ewigkeit vorbei zum Churros-Stand. Meine beste Freundin kauft sich begeistert eine Portion für schlappe vier Euro und ich begutachte die in fett schwimmenden, mit Zucker überzogenen Sticks. Ich verneine ihr Angebot, davon zu probieren. Ohne Erfolg, ich werde dazu überredet, mir die Portion mit ihr zu teilen. Widerstand ist dabei zwecklos und der Spielverderber möchte ich nun auch nicht sein. Daher versuche ich ein netteres Gesicht zu machen und mich zu entspannen.
Da stehen wir also vor dem Churros-Stand, essend, den Blick über die Menge schweifend. Die Lichter sind so grell, dass es beinahe weh tut. Die Musik ist laut, aus jeder Ecke weht ein neuer Geruch herüber, sodass meine Sinne schon beinahe selbst Achterbahn fahren.
Die Sinne fahren Achterbahn
Ich versuche meinen Geruchssinn auszublenden und konzentriere mich lieber auf die Menschenmenge. Mein Blick schweift über den Platz, ich sehe viele gestresst wirkende Eltern, die vergeblich versuchen ihre Kinder unter Kontrolle zu bringen. Ein kleines Mädchen steht quängelnd nach einer Disneypuppe vor einem von diesen schrecklichen Greifarm-Automaten, an denen man sowieso nie was gewinnt. Ich schaue weiter und mein Blick bleibt an einem Süßigkeitenstand hängen. Ganz nach dem Klischee, sehe ich dort viele Pärchen. Es ist mir immer noch ein Rätsel, warum man so viel Geld für ein muffig, eingepacktes Lebkuchenherz ausgibt, welches niemals gegessen wird. Von dem Gedanken, mit einem „Knuddelbär“-Herz um den Hals herumlaufen zu müssen, wird mir schlecht.
Nach unserem Stopp am Essensstand laufen wir weiter, wir bleiben vor den beeindruckendsten Fahrgeschäften und Attraktionen stehen, begutachten die Konstruktionen und überlegen, wie sicher diese Fahrten tatsächlich sind. Schnell wird mir klar, dass ich meinen Freundinnen mindestens eine Fahrt auf einem dieser Horror-Gestelle nicht abschlagen kann. Wir kaufen eine viel zu überteuerte Fahrkarte und dann sehe ich mich auch schon in einer Gondel sitzen. Die schrecklich, schrill verzehrte Stimme der Fahrscheinlady ertönt über der lauten Kay One Musik. Sie schreit, dass es jetzt losgeht.
Die Fahrt vergeht schnell. Wir werden von links nach rechts, von unten nach oben in dieser kleinen Gondel katapultiert. Das gesamte Fahrgeschäft dreht sich so schnell, dass ich komplett die Orientierung verliere. Ich höre meine Freundin neben mir laut schreien und kann mein Lachen nicht mehr unterdrücken. Da sitze ich also, meine Haare zerzaust, die Nase halb erfroren und kriege mich nicht mehr ein vor Lachen. Nach der Fahrt sind wir drei uns einig, dass wir am liebsten nochmal fahren würden.
Ein Kirmesabend kostet 15€
Tun wir aber nicht, stattdessen setzen wir uns in ein Zelt. Wir bestellen uns etwas zu Essen und quatschen aufgedreht. Wir lachen über unsere Sturmfrisuren, die uns als Andenken an die Fahrt erhalten geblieben sind.
Es stört mich nicht mal, dass ich für meine normale Bratwurst im trockenen Brötchen vier Euro bezahlen muss, noch weniger, dass ich die gleiche Summe für 200g gebrannte Mandeln auf dem Rückweg ausgebe. Ich überlege noch nicht mal, ob es Sinn macht, bevor ich die 1€ Münze in dem Greifarmautomaten stecke, um die süße Disneypuppe zu gewinnen. Es gelingt natürlich nicht.
Und dann merke ich es erst, das Lächeln auf meinem Gesicht. Als ich Arm in Arm liegend mit meinen Freundinnen den Kirmesplatz verlasse und auf mein Auto zugehe, ertappe ich mich selbst, wie ich … Aber scheiß drauf, Kirmes ist nur einmal im Jahr, leise vor mich hinsinge.
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