Es ist Punkt 17 Uhr. Während andere Menschen an diesem Dienstag in der Vorweihnachtszeit bereits Feierabend haben und auf dem Weg nachhause sind, rücken die anwesenden Teilnehmer der Kreisausschusssitzung ihre Stühle zurecht, schieben Gläser und Tassen zur Seite, um Platz für ihre Unterlagen zu machen. Die Blicke heben sich und richten sich auf den Landrat, der die Sitzung leitet. Die vertretenden Fraktionen im Landkreis Steinfurt sitzen an hellbraunen Holztischen, die kreisförmig aufgestellt sind.
Politik vor Ort: der Kreisausschuss
An der Wand hängt ein Portrait des Bundespräsidenten. Während Frank-Walter Steinmeiers Augen auf dem kleinen Sitzungsaal ruhen, eröffnet Landrat Effing die heutige Sitzung. Jan-Niclas Gesenhues, einer von zwei Fraktionssprecher der Grünen im Kreis Steinfurt, senkt mit seinen 29 Jahren den Altersdurchschnitt deutlich nach unten. Das Klischee der Birkenstock- und Strickpullitragenden Partei bestätigt er nicht. In seinem dunkelbauen Jackett und den blonden Jahren kommt er auf den ersten Blick eher bürgerlich rüber.
Der Kreisausschuss ist in einigen Bundesländern ein Kollegialorgan der kommunalen Selbstverwaltung eines Landkreises mit eigener gesetzlich zugeschriebener Zuständigkeit. Die Aufgaben dieses Organs unterscheiden sich je nach Bundesland. Im Kreis Steinfurt hat er eigene Entscheidungsbefugnisse und ist zuständig, sofern es sich nicht um eine Angelegenheit des Kreistages oder des Landrates handelt. Darüber hinaus bereitet der Ausschuss die Beschlüsse des Kreistages vor – dem obersten Entscheidungsorgan des Kreises.
Wirken, wo man lebt
Landrat Effing geht die Tagesordnung durch. Und die ist lang: 52 Punkte werden heute diskutiert, 42 davon öffentlich. Es geht unter anderem um Kitas, Straßenbau, Wildunfälle, Klimaschutz und den ÖPNV. Alles Themen, deren Entscheidung sich direkt hier im Kreis Steinfurt auswirkt.
Genau da steckt auch Jan-Niclas Motivation für die Kommunalpolitik: „Hier vor Ort haben die Kommunen jede Menge Möglichkeiten einen kleinen Beitrag zu einer gerechteren Welt zu leisten.“ Vor allem was den Klima-, Umwelt- und Naturschutz angehe, werde vieles in den jeweiligen Städten und Kreisen entschieden. Deswegen sei die Kommune der richtige Platz um Verantwortung für diese Ziele zu übernehmen. Ziele, die vor allem für seine Generation und die folgenden mehr als relevant seien.
Entscheidungen und Social Media
Nach und nach werden die Tagesordnungspunkte abgearbeitet. Einige schneller als andere. Gibt es Wortmeldungen der Antragstellerinnen und Antragsteller oder der anderen Fraktionen, dauert es länger. Dann wird abgestimmt oder bei Einwänden verschoben. Das Mikro, das vor Jan-Niclas steht, leuchtet rot auf. Er hat sich gemeldet und ist jetzt dran. Mit sicherer Stimme trägt er sein Anliegen vor, er hinterfragt und positioniert sich klar.
Geregelter Feierabend? Fehlanzeige
Punkt 38 auf der Tagesordnung ist ein Antrag der Grünen zur Einrichtung eines Klimafonds für konkrete Klimaschutzprojekte vor Ort. Der Antrag wird einstimmig angenommen. Am nächsten Morgen findet sich ein Post auf Jan-Niclas Facebookseite dazu. Er freut sich über die Zustimmung, die den Weg für das Projekt freimacht. Auch das – Social Media – gehört zu seinen Aufgaben.
Der Emsdettener hat VWL mit Schwerpunkt Umwelt- und Energieökonomik studiert. Beruflich ist er für eine Handwerksorganisation in der Entwicklungszusammenarbeit tätig. Wie die allermeisten Kommunalpolitikerinnen und –Politiker, nimmt er seine Aufgaben im Kreis ehrenamtlich wahr. Auch wenn es entsprechende Aufwandsentschädigungen gibt, ändert das natürlich nichts an der zeitintensiven Arbeit.
Arbeitsbeginn bei der Handwerksorganisation war für Jan-Niclas heute um acht. Ab 15:30 Uhr saß er bereits in einer anderen Sitzung, der öffentliche Teil des Kreisausschusses ist um kurz nach 20 Uhr durch. Feierabend hat er dann noch lange nicht.
Von Kommunal- auf Landesebene
Ortswechsel, Samstagvormittag in Essen. Der junge Kommunalpolitiker ist nicht nur im Kreis Steinfurt aktiv, sondern auch auf Landesebene als Mitglied des Landesvorstandes der Grünen NRW unterwegs. Im Unperfekthaus am Limbecker Platz ist der große Saal gut gefüllt. Viele junge Menschen sind heute zum Forum U35 der Mitglieder der Grünen NRW und der Grünen Jugend NRW gekommen.
Informieren, austauschen, vernetzen
Jan-Niclas hat das Ganze gemeinsam mit den anderen Landesvorständen organisiert und moderiert vor allem durch die Veranstaltung. Agenda für heute: Klimagerechtigkeit und Engagement vor Ort. Er begrüßt gemeinsam mit einer Kollegin die Anwesenden. Es gibt kurze Wortbeiträge. Dann kommen Aktivistinnen und Aktivisten von Fridays For Future auf die Bühne. Fragen nach den konkreten Forderungen der Bewegung werden gestellt, es herrscht ein reger Austausch. Der 29-jährige sitzt dabei wieder im Publikum.
Nach dem Mittagessen wird es konkret praktisch – nächstes Jahr sind in NRW Kommunalwahlen. Die Mitglieder, Jan-Niclas und seine Kolleginnen und Kollegen im Landesvorstand überlegen gemeinsam intensiv wie sie den Zeitplan des Landesverbandes für die Kommunalwahl umsetzen können. Sie informieren über Möglichkeiten sich auf kommunaler Ebene zu engagieren.
Hier geht es heute nicht um Entscheidungen, die fix getroffen werden müssen, hier dreht sich alles um Vorbereitung, Konzept und Austausch. Der wird besonders großgeschrieben. Nach Abschluss des offiziellen Teils bleiben noch einige in Grüppchen beisammenstehen und kommen ins Gespräch. So auch Jan- Niclas. Anliegen werden herangetragen, Wünsche geäußert, Mail-Adressen ausgetauscht. Networking ist das Zauberwort, dass sich von der Kommunal- über die Landes- bis zur Bundesebene durchzieht. Wer weiß, vielleicht trifft man Jan-Niclas ja in Zukunft auf dem nächsten Level wieder.
Comments are closed