„Mädchen Klamotte“, „Weiberkram“ oder „Nachtkonsum Mädelsflohmarkt“ – hippe Flohmärkte für junge Frauen boomen. Doch wieso Geld für Standgebühr oder Eintritt und gebrauchte Kleidung bezahlen, wenn es auch anders geht?
Hannah Pelz steht in der Küche einer Freundin und begutachtet eine Strickjacke. Hinter ihr durchstöbern mehrere Mädchen ausgelassen Berge von Kleidung. Im Hintergrund singt Britney Spears einen ihrer alten Hits. Vor ein paar Minuten hat Hannah einen Nagellack ausprobiert. Vorsichtig zieht sie den Cardigan an. „Der gefällt mir. Ich bin glücklich“, freut sich die 24-Jährige, 20 Minuten nachdem der Kleidertausch angefangen hat.
Pünktlich um 20 Uhr an einem Freitagabend klingelt es in Annas Studentenwohnung. Hannah trägt eine Tasche mit Kleidung, die sie nicht mehr haben möchte. „Beim letzten Kleidertausch ist nicht so viel übriggeblieben, deswegen habe ich heute nicht so viel mit“, erzählt sie. Es sind noch nicht alle Gäste da, also kann sie sich eine Stelle aussuchen, an der sie ihre Kleidung präsentiert. Ordentlich legt sie ihre mitgebrachten Klamotten auf die Couch. Auch ein Studentenkochbuch legt sie dazu. Das hat sie zum Beginn ihres Lehramtsstudiums geschenkt bekommen. Das Studium hat sie geschmissen, also braucht sie das Buch nicht mehr.
Koffer voller Kleidung
Weitere Mädchen kommen dazu, packen Koffer, Reisetaschen und Plastiktüten voller Kleidung aus. Nicht nur das Wohnzimmer wird in einen Klamottenladen verwandelt, auch in der Küche verteilen die Mädchen ihre Kleidung. Dann treffen sich alle im Wohnzimmer. Zwei Louis Vuitton-Taschen werden bestaunt – schnell wird klar: Die Taschen werden heute nicht zum Tausch angeboten. „Mädels, dann lasst uns mal anfangen“, ruft Gastgeberin Anna. Die Mädchen starten und arbeiten sich durch Massen von Kleidung. Ein paar Stapel sind besonders beliebt – einige Gäste kennen sich schon von anderen Kleidertauschabenden und wissen, bei wem es besondere Schätze gibt. Auch Hannah sichert sich einen Cardigan. Mehrere Gäste lachen, denn auch eine Corsage ist dabei. Sie wird ausgiebig betrachtet und kommentiert, letztendlich möchte sie aber niemand haben.
Kein direkter Tausch
Mittlerweile sieht es in der Wohnung aus wie in einem neu eröffneten Primark: Alles liegt kreuz und quer durcheinander, teilweise auf dem Boden und trotzdem sind alle scharf auf die Kleidung. Der einzige Unterschied ist, dass hier die Mädchen nicht so gestresst sind, sondern in lockerer Mädelsabend-Atmosphäre nach Kleidung stöbern. Nach und nach wird das Schlafzimmer zur Umkleidekabine, denn die auserwählten Kleidungsstücke müssen ja auch anprobiert werden. Hannah erspart sich den Stress mit der Anprobe und lässt lieber ihr kurzes, schwarzes Kleid an. Sie hält die Klamotten an und lässt sich so von den anderen Mädchen beraten, dann wird es schon passen. Zwischendurch fragt ein Mädchen höflich, ob sie das Oberteil behalten darf. Denn beim „Kleidertausch“ geht es nicht um einen „Du gibst mir, ich gebe dir“-Tausch. Stattdessen nimmt sich jeder Gast das, was ihm gefällt und kann es dann auch behalten – egal, ob die Besitzerin ein Kleidungsstück im Gegenzug findet oder nicht. Deshalb ist es wichtig, dass die Gäste wirklich nur Kleidung mitbringen, die sie nicht mehr haben möchten. „Ich habe mir mit 16 eine Weste gekauft, die ich bis heute nicht getragen habe, und trotzdem wollte ich sie nicht abgeben“, erzählt Hannah. Andersherum ergeht es einer Jacke: Gastgeberin Anna hat sie bei einem vorherigen Kleidertausch mitgenommen und möchte sie heute wieder abgeben.
Teures Make-up führt zu Diskussionen
Langsam wechseln die Gesprächsthemen von Kleidung zu Männern, Abnehmprogrammen und Jobs. Hannah erzählt von ihrer Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement in ihrer Heimatstadt Herten. Einige Mädchen sind befreundet, andere lernen sich kennen und merken, dass sie sich doch über ein paar Ecken kennen. Die Gäste sitzen gemütlich auf der Couch, als Gastgeberin Anna dazu motiviert, weitere nach Kleidung zu stöbern, denn es ist noch einiges übrig.
Hannah geht wieder in die Küche und sieht den zum Schmuck-Tisch umfunktionierten Esstisch. Ein Mädchen hat eine halben Juwelier-Laden aufgetischt und ihre Nagellack-Sammlung teilweise aufgelöst. Plötzlich wird es tumultartig: Ein teures Make-up ist dazwischen, das mehrere Mädchen haben wollen. Auch Hannah mischt sich erst mit ein, lässt aber Gastgeberin Anna den Vortritt. Stattdessen setzt sie einen Hut auf, den sie aber nicht behalten möchte.
Noch eine Chance für die Klamotten
Nach knapp zwei Stunden kehrt langsam Ruhe ein, die Gäste setzen sich zusammen, knabbern Chips und quatschen. Anna nutzt die Ruhe und nimmt sich noch einmal alle Kleiderstapel vor und zeigt sie der Mädelsrunde. Hosen, Jacken und Oberteile wechseln noch den Besitzer. Auch Hannah ist erfolgreich: Sie kann das Make-up doch mitnehmen. Letztendlich bleiben aber trotzdem einige Kleidungsstücke übrig, die die Besitzerinnen wieder mitnehmen oder in einen Second-Hand-Laden bringen. Hannah ist zufrieden mit dem Abend und sortiert schon in Gedanken Kleidung für den nächsten Kleidertausch im Frühling aus.
Tipp: Wenn ihr nicht selber eine Tauschparty organisieren könnt oder möchtet, gibt es alternativ öffentliche
Kleidertausch-Veranstaltungen. Auf der Facebookseite von Kleidertausch.de sammelt zum Beispiel Greenpeace
deutschlandweit Veranstaltungen.
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