Mehrere Millionen Menschen leben in den Slums von Nairobi, Kenia. Unter ihnen auch viele Frauen. Der größte Wunsch vieler ist es, ihren Kindern eine schulische Bildung zu ermöglichen. Dafür arbeiten sie in ihren eigenen kleinen Shops auf den Straßen der Hauptstadt. Doch trotz der harten Arbeit, die sie leisten, haben diese Frauen wenig Perspektiven. Die 22-jährige Studentin Katharina Richter hat sechs Monate in einer Organisation gearbeitet, die die Frauen gesundheitlich aufklärt und ihnen hilft das Unternehmen zu organisieren.
Was ist das Besondere an der Arbeit mit den Frauen in den Slums?
In Kenia ist die Spanne zwischen Arm und Reich total groß. Das Besondere an der Arbeit ist, dass du wirklich am untersten Punkt der Gesellschaft beginnst. Du fängst bei den Leuten an, die am meisten brauchen und die am wenigsten Perspektive haben. Sie leben quasi vom System und der Gesellschaft abgekapselt. Die Regierung sagt, dass diese Schicht nicht so viel zum Wohlstand des Landes beitrage. Aber das tut sie aber gerade doch. Überall an den Straßen sind Shops und alle Menschen kaufen dort ein. Insgesamt sind das 25% der gesamten Wirtschaft und das wird von oben einfach vergessen. Das schwächste Glied wird häufig weggestoßen, dadurch verschlechtert sich die Lage aber weiter. Und die Organisation versucht den Menschen da raus zu helfen. Es geht also wirklich um die Menschen dort.
In den letzten Jahren haben schon politische Veränderungen stattgefunden, wieso ist die Situation in den Slums noch immer nicht maßgeblich besser geworden?
Kenia ist im Vergleich kein so armes Land, das Geld fließt einfach nur in die falschen Quellen. Ich würde mir wünschen, dass mehr Geld in andere Dinge gesteckt wird, in den Gesundheitssektor und die Bildung. Das passiert auch gerade. Es finden schon Veränderungen statt und es gibt auch viele Menschen, die sich dafür sehr gut einsetzen. Diese Menschen müssen mehr gehört werden und mehr Einfluss bekommen. Die ganzen Menschen, die alles ehrenamtlich machen, sollen einfach nicht vergessen werden.
Während deines Aufenthaltes hast du dich besonders um die gesundheitliche Versorgung der Frauen gekümmert. Wieso ist das so wichtig?
Nicht alle sind krankenversichert. Im Krankheitsfall müssen sie abgesichert sein, denn dann können sie die Geschäfte nicht öffnen, verdienen also kein Geld. Dann können sie die Schulgebühren oder einen Arztbesuch nicht bezahlen. Am Tag verdienen die Frauen vielleicht einen Dollar. Für alle sind ihre Kinder Priorität Nummer eins. Ihre eigene Gesundheit steht ganz hinten an. Aber aufgrund gesundheitlicher Probleme können sie ihre Arbeit nicht mehr richtig ausführen. Dann verdienen sie kein Geld und können die Schulgebühren nicht bezahlen. Das ist alles Paradox. Die Umweltbedingungen in den Slums sind auch viel schlechter. Den Frauen geht es also generell schon schlechter, wegen der Umwelt, wenig Sport, wenig Perspektive. Auch Medikamente sind sehr teuer. Bezahlen. Das ist alles Paradox.
Viele können sich das alles bestimmt nicht vorstellen. Was ist der Unterschied zwischen Europa oder Deutschland?
Die Armut, die es dort gibt, gibt es gar nicht in Europa. Wie gerade schon gesagt, die Frauen in den Slums verdienen pro Tag einen Dollar. Von diesem Gehalt müssen sie dann auch noch Schulgebühren bezahlen. In Deutschland haben wir ja einen größtenteils freien Zugang zur Bildung.
Außerdem geht es in Kenia mehr um Entwicklung als Optimierung. In Deutschland geht es darum, was man besser machen kann. Was das Gesundheitssystem angeht, ist es auch so, dass wir einfach zum Arzt gehen können. In Kenia haben viele keinen Zugang zum Gesundheitssystem. Nicht jeder hat eine Krankenversicherung und gerade außerhalb der Städte ist der nächste Arzt häufig Kilometer entfernt.
Wie hat dich diese Zeit geprägt?
Ich glaube, ich bin ein wenig selbstloser geworden. Man bekommt viel mehr den Drang für Andere etwas zu tun, stellt sich mehr hinten an. Dankbarer bin ich auch geworden, das ist sehr gut. Ich habe gelernt kleine Dinge mehr zu genießen und zu schätzen. Man lernt ein simpleres Leben zu führen und trotzdem glücklich zu sein. Eigene Probleme nimmt man ganz anders wahr, weil man direkt ein ganz anderes Extrem im Kopf hat. Ich habe mich auch besser kennen gelernt. Es war auf jeden Fall eine Herausforderung dort zu leben.
Die meisten in unserem Alter träumen von einem Trip nach Australien oder Amerika. Wie bist du auf Kenia gekommen?
Ich studiere Gesundheitswissenschaften in Bielefeld. 2015 war ich schon einmal in Kenia und habe da ein Volontärprojekt zur HIV-Prävention gemacht. Da hat mir das Land sehr gut gefallen. Die Einwohner haben einfach ganz andere Probleme als wir hier. In der Zeit vor meinem Praxissemester habe ich ein Seminar besucht, das von einer Kenianerin geleitet wurde. Die Dozentin hat mich dann in die Organisation eingebracht. Wenn du für sechs Monate in ein Land gehst, um dort Community-Arbeit zu leisten, dann musst du das Land auch kennen. Da ich schon die Beziehung zu Kenia hatte und die Sprache ein wenig konnte, fand ich es am sinnvollsten mich dort einzubringen.
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