• Ein Junge liebt ein Mädchen. Er mag keine Ausländer, sie aus Syrien. Eine komische Liebesgeschichte, die keiner so wirklich versteht.
  • Niklas* lernte Nassima* über ein Schulprojekt kennen und verliebte sich in sie. Und das ganz entgegen seiner Prinzipien.
  • Bei einem Disco-Besuch habe ich das junge Paar zusammen mit seinen Freunden begleitet und versucht zu verstehen, was die beiden anzieht.

*Namen geändert.

Freitagabend, 22 Uhr. Eine Gruppe Jugendlicher ist auf dem Weg zur Disco ihrer Kleinstadt. Eigentlich eine ganz normale Situation. Wäre da nicht der Junge, der seine kopftuchtragende Freundin an der Hand hält. Er ist in der ganzen Stadt vor allem für eines bekannt: Seine offene Ausländerfeindlichkeit.

Niklas mag keine Ausländer. Das gibt er offen zu und das weiß unter den Jugendlichen jeder. Optisch entspricht der 19-jährige nicht dem klassischen Nazi-Klischee. Keine Bomberjacke, keine kurzen Haare, keine Springerstiefel. Trotzdem kommt seine Freundin Nassima aus Syrien.

Gemeinsam warten Niklas, Nassima und ihre Freunde Tobi, Maren und Kai auf den Bus, der sie in die Disco bringen soll. Niklas wirkt nicht schüchtern, aber verschlossen. Nassima steht eng neben ihm. Es sieht vertraut aus, auch wenn die beiden sich nicht unterhalten. Ich mustere das seltsame Paar und frage mich, wie es sein kann, dass sich diese zwei ineinander verliebt haben.

„Das Herz macht, was es will“

Während der Busfahrt werden Niklas und Nassima von einem jungen Mann gemustert. Er scheint ihn zu kennen. Dann guckt er Nassima skeptisch an. Niklas merkt das ist und ist sofort gereizt. Nichts zu merken von dem Jungen, der eben noch so ruhig an der Haltestelle stand. „Ja Mann, das ist meine Freundin. Hör jetzt auf so zu glotzen.“ Nassima ist regungslos, als würde sie nicht genau wissen, wie sie sich am besten verhalten soll. Unsicher spielt sie mit ihrem Jackenreißverschluss.

In der Disco angekommen, legt Niklas einen Arm um Nassima. Auch auf der Tanzfläche weicht er keinen Millimeter von ihrer Seite. Müde vom Tanzen gehen Niklas’ Freunde raus, um eine Zigarette zu rauchen. Das Paar kommt nicht mit. Draußen klärt Tobi auf: „Die beiden haben sich im bei einem Schulprojekt für Flüchtlinge kennengelernt, bei dem Nassimas Familie mitgemacht hat. Niklas hat sich ganz lange gegen die Gefühle gewehrt. Aber das Herz macht halt, was es will“.

Kennengelernt beim Schulprojekt

Bei einem Projektag in der Schule besuchte Niklas’ Klasse ein Flüchtlingsheim in der Nachbarstadt. Dort wurde ein internationaler Nachmittag organisiert, bei dem sich Menschen aus verschiedenen Kulturen näherkommen sollten. Nassima bot an einem Stand zusammen mit ihrer Mutter syrische Spezialitäten an. „Niklas hat sich komisch verhalten und hat immer rüber geguckt. Wir haben gedacht, er wäre einfach nur angepisst, weil er einen Nachmittag unter Ausländern verbringen sollte“, erzählt Tobi.

Aus dem Projekttag wurden monatliche Treffen, bei denen sich die deutschen Schüler mit den Flüchtlingen austauschen sollten. Nassima lernte Deutsch sehr schnell und so kam es, dass sich Niklas und sie immer öfter unterhielten. „Wir haben ihn nicht wiedererkannt, er war wirklich angetan von ihr und kein bisschen abgeneigt“, erzählt Kai mit großen Augen. „Das macht uns Hoffnung. Wir denken, dass Nassima seine Einstellung ändern kann“, erklärt Maren.

Auch im ausgezeichneten Roman von Peer Martin verliebt sich ein rechtsorientierter Jugendlicher in ein Flüchtlingsmädchen. 

„Wir mögen den Menschen, der er früher war“

Niklas’ Freunde teilen seine politische Meinung nicht. Das machen sie ganz deutlich. „Er hat diese Einstellung wegen seiner Eltern. Die sind noch krasser drauf. Aber Niklas kann nichts dafür, er ist schon immer so erzogen worden“, erzählt Kai.

Es ist 2.30 Uhr und alle beschließen, sich auf den Heimweg zu machen. Niklas ist mittlerweile angetrunken und – durch den Alkohol – deutlich aufgeschlossener als vorhin. Nassima trinkt aus religiösen Gründen nicht. Verliebt schmiegt die junge Syrerin sich im Bus an ihren Freund. Niklas lächelt und legt seinen Kopf auf ihrem ab. Ein ganz anderes Bild als noch vor ein paar Stunden. Jetzt sehen sie aus wie ein normales Paar – aber so ganz verstehe ich immer noch nicht, wie diese zwei sich lieben können.

Offener werden für die Liebe

Niklas merkt, dass ich skeptisch bin. Er fängt an zu erklären. In seiner Stimme schwingt etwas Trauriges mit. „Ich möchte mich Nassima zuliebe wirklich ein bisschen öffnen“, erzählt er unsicher, „aber das fällt mir schwer.“ Er erzählt, dass er eine Einstellung habe und dass es schwer sei, alles, an das er glaubt, über den Haufen zu werfen. „Ich liebe sie wirklich.“ Er nimmt ihre Hand. Sie lächeln sich an.

Ich bleibe zweifelnd. Ich habe gemerkt, dass sich die beiden wirklich nahestehen. Die Frage, die unbeantwortet bleibt, ist, wie sich eine Junge Frau auf einen Mann einlassen kann, der weder ihre Kultur, noch ihr Land oder ihre Familie akzeptiert. Niklas will versuchen, für Nassima ein bisschen offener zu werden. Vielleicht lernt er irgendwann ihre Eltern kennen und vielleicht lässt er sich auf die fremde Kultur ein. Wenn nicht, reicht es Nassima vielleicht irgendwann.