- Wie ich auf einer Schwulen- und Lesben-Party viel Überraschendes gelernt habe
- Homosexuelle Beziehungen sind scheinbar normaler als gedacht
- Alleine Feiern gehen ist ziemlich entspannt
,,Mehr kiffen weniger stressen‘‘ steht auf einem Schild vor mir an der Wand. ,,Pissilas Pussy‘‘ steht ein Stück weiter darunter. Zwei Sprüche von Hunderten. Die Klobürste hängt gewissenhaft in einer leeren Erbsendose, die sie umhüllt wie eine Rüstung und in der Ecke liegen ausgelaugte Zigarettenstummel. Es riecht nach kaltem Rauch und Schweiß und von draußen dröhnt dumpf irgendein Elektrosong. Jedes Mal, wenn die Tür aufgestoßen wird, höre ich die ausgelassenen Stimmen, gemischt mit dem Wummern der Bässe.
Männer auf dem Frauenklo? Hier ganz normal!
Das Erste was mir auffällt ist, dass die Toiletten zwar mit den kleinen Schildern an den Türen nach Mann und Frau getrennt sind, auf der LGBT*-Party aber ein anderes Gesetz herrscht. Jeder geht – egal welches Geschlecht – auf jede Toilette. Ich öffne die Tür und schon drängt sich ein Mann an mir vorbei in die Toilettenkabine. Zum ersten Mal gehe ich alleine tanzen. Nach einer halben Stunde, ziemlich viel Spaß mit mir alleine und rhythmischen Bewegungen auf der stickigen Tanzfläche entscheide ich mich für einen Platz an der Bar. Dort angekommen versuche ich die Eindrücke um mich herum aufzusaugen. Ich schaue gezielt auf die Gruppenkontellationen – Männer und Frauen stehen gemischt beisammen es ist ein lautes unruhiges treiben, die Atmosphäre ist wie in jedem anderen Club auch. In einer Sofaecke rechts von mir sitzen 3 Männer, zwei von ihnen Küssen sich, der dritte ist in sein Smartphone vertieft. Auch wie immer stelle ich fest. Irgendwo in der hintersten Ecke meines Verstandes macht sich ein bisschen Enttäuschung breit. Ich hatte mir von meinem Vorhaben, als heterosexuelle Frau eine Queer-Party zu besuchen, überraschendere Kenntnisse erhofft.
Mit Fremden ins Gespräch zu kommen ist überraschend einfach
Ein Stück neben mir sitzt ein junger Mann, er hat dunkle Haare, volle weich geschwungene Lippen und ein Glas in der Hand. Ich setze mich einfach dazu, ohne viel darüber nachzudenken – habe ich auch noch nie gemacht. Ziemlich viele erste Male für einen Abend. Und tatsächlich so einfach ist das, ein kurzer Blick, ein kurzes Lächeln und nach fünf Minuten weiß ich auch schon, dass der Mann mit den außergewöhnlich schönen Lippen Tobias** heißt, 26 Jahre alt ist und in einem Unternehmen als Industriekaufmann arbeitet. Außerdem ist er seit genau 2 Wochen von seinem Partner getrennt. Scheinbar hat Tobias** nur auf mich gewartet oder es ist der Alkohol, denn nach wenigen weiteren Minuten kenne ich die ganze Geschichte seines Liebeslebens.
,,Homosexuelle Beziehungen sind wie Analsex, mit dem richtigen Partner ziemlich gut und mit dem falschen beschissen„
Ich frage ihn auch, wie es mit der Treue in homosexuellen Beziehungen aussieht, denn auch das möchte ich als Teil meiner Mission herausfinden. ,,Homosexuelle Beziehungen sind wie Analsex – mit dem richtigen Partner ziemlich gut und mit dem falschen beschissen.‘‘ Tobias‘** Ex Freund gehört zur zweiten Sorte und hat ihn in den vier Monaten Beziehung, mehr als einmal betrogen. ,,Aber generell‘‘, sagt Tobias, ,,unterscheiden sie sich nicht viel von heterosexuellen Partnerschaften.‘‘ Einige seiner Freunde leben seit Jahren in einer monogamen Beziehung. Man muss einfach den richtigen Mann kennen lernen. Wahrscheinlich hat die Gesellschaft den dauernd fremdgehenden schwulen Mann im Kopf, weil schwule Männer oft bunter, lauter und offener mit ihren Beziehungen umgehen. Zum Schluss möchte ich von Tobias** noch wissen, was es mit den gemischten Toiletten auf sich hat. Er erklärt Variante Nummer eins: ,,Viele auf den LGBT Partys wollen sich nicht einem Geschlecht zuordnen, oder sich damit identifizieren und geben nicht viel auf die Toilettenregeln und die zweite Variante…‘‘, sagt er lachend und seine eh schon geschwungenen Lippen schwingen noch ein bisschen mehr, ,,…die Herrentoiletten sind nicht selten mit mehr als einer Person besetzt und dann dauert es ewig und man weicht auf die Frauentoiletten aus, wenn du verstehst was ich meine.‘‘ Nach ungefähr einer weiteren Stunde auf der Tanzfläche, in der nichts weiter Spannendes passiert, bin ich müde und begebe mich auf den Heimweg.
Mein Fazit zum Abend: In den Clubs, die ich regelmäßig besuche erlebt man als Frau auf jeden Fall öfter unangenehme Situationen. Eine Nummer von einer Frau habe ich heute nicht bekommen, dafür ist mir aufgefallen, wie entspannt es ist alleine und ohne betrunkene Freunde, feiern zu gehen und wie einfach es ist, mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Und Homo-Beziehungen sind wohl doch unspektakulärer als gedacht.
*Lesben, Gay, Bi, Trans
**Namen geändert
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