• Die PARTEI Krefeld hält mit irrsinnigen Vorschlägen die Krefelder Kommunalpolitik auf Trab
  • Die Dönermeile am Hauptbahnhof soll UNESCO-Weltkulturerbe werden, Krefeld Hauptstadt des „Freistaates linker Niederrhein“
  • Die Aktionen der Satiriker sind aber kein Selbstzweck, ihre Ziele durchaus ernsthaft

Sie ziehen Blicke auf sich, wenn sie durch die Krefelder Innenstadt schreiten. In ihrem typischen Dress, dem dunkelgrauen Sakko von C&A mit blauem Hemd und roter Krawatte, Parolen skandieren und lautstark „Free Pipi!“ fordern. Die PARTEI Krefeld hat schon einen Sitz im Rat der Stadt. Doch das ist ihnen längst nicht genug.

Vierter bei der Bürgermeisterwahl

„Unser Ziel ist es, so vielen Leuten wie möglich auf den Tisch zu kacken,“ definieren die PARTEI-Mitglieder mit harschen Worten ihren Auftrag. Einer derjenigen, die metaphorisch auf den Tisch kacken wollen, ist Michael Heepen, erster Vorsitzender der PARTEI Krefeld. Bei der Oberbürgermeister-Wahl 2015 erreichte Heepen mit 1,95 Prozent den vierten von sechs Plätzen und ließ damit die Kandidaten der Piraten und der Tierschutzpartei hinter sich. „Der Kandidat der Tierschutzpartei hieß lustigerweise „Fucker“ mit Nachnamen. Damit hätte ich ihm mindestens den dritten Platz zugetraut“, sagt Heepen und zupft mit Unverständnis sein billiges Polyestersakko zurecht.

Die PARTEI (Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative) ist eine vom Satiriker und Ex-Titanic-Chefredakteur Martin Sonneborn 2004 gegründete – na klar – Satire-Partei. Der Kreisverband Krefeld war nach dem Gründungsverband in Frankfurt am Main der zweite von mittlerweile über 450 Ortsverbänden.

Dönermeile soll Weltkulturerbe werden

Die Krefelder PARTEIisten beherrschen das Sonneborn’sche Verwirrspiel nahezu perfekt. Mit steinerner Miene versichern sie, im alten Krefelder Stadtbad das erste deutsche Tretboot-Nachwuchsleistungszentrum zu errichten und das Tretbootfahren olympisch zu machen. Kein Gesichtsmuskel spannt sich zu einem Grinsen, wenn Heepen das Vorhaben erläutert, in der Krefelder Innenstadt Grachten auszuheben, mit Wasser zu fluten und Krefeld als Gondel-Wallfahrtsort zum neuen Touristenmagneten Europas umzufunktionieren. „Autos weg, Feinstaubproblem gelöst. Das dürfte auch den Grünen gefallen.“ Die Krefelder Dönermeile am Hauptbahnhof soll UNESCO-Weltkulturerbe werden. Selbstverständlich ist die Stadt dann schon lange Hauptstadt des „Freistaates linker Niederrhein“, in den man auch die Niederlande eingemeinden will.

Keine Toiletten, deshalb überall Pipi

Die PARTEI-Initiative „Wegbier statt Bier weg!“ ist die Antwort auf einen Vorstoß im Stadtrat, ein Alkoholverbot in der Krefelder Innenstadt durchzusetzen. „Alle Krefelder sollten mehr Bier trinken. Deshalb brauchen wir natürlich öffentliche Toiletten in der Innenstadt“, postuliert Heepen, während er das Kaiser-Wilhelm-Museum passiert, das die PARTEI in Josef-Stalin-Museum umbenennen will. Die Aktion „Free Pipi!“ ist ein Beispiel der Hobby-Politiker, ernsthafte Themen satirisch aufzugreifen, um sie auf die Agenda zu bringen. Denn öffentliche Toiletten gibt es in der Krefelder Innenstadt tatsächlich nicht. Obdachlose und Betrunkene nutzen deshalb öffentliche Plätze, Grünflächen oder die Tiefgarage unter dem Ratsgebäude als Urinal.

„Bei uns gibt es noch Idealismus“

Erst bei einem bitter-würzigen Altbier in einer Krefelder Eckkneipe lassen die Satiriker ihre Fassade wenige Zentimeter bröckeln. „Indem wir ernste Themen überspitzen, erreichen wir Leute, die sich sonst nicht für Politik interessieren“, erklärt Carsten Bullert, politischer Geschäftsführer. Der 43-jährige Sozialpädagoge erhielt bei der Bundestagswahl 2017 als Direktkandidat der PARTEI im Wahlkreis Krefeld I – Neuss II immerhin 1,5 Prozent.

„Bei uns gibt es noch Idealismus“, ergänzt Jan Hertzberg, stellvertretender Vorsitzender. Den anderen Parteien gehe es nicht um die Stadt. „Keine Bürgernähe mehr, stattdessen interne Zirkel und Postengeschacher.“ Der 48-Jährige empört sich und nimmt einen tiefen Schluck aus seinem Altbierglas. „Niedere Instinkte“ hält Hertzberg für den Antrieb der meisten Kommunalpolitiker, Geld etwa oder das Prestige eines Ratssitzes – zumindest in Krefeld. Und weil 947 Krefelder das bei der letzten Kommunalwahl genauso sahen, hat die PARTEI seitdem einen Sitz im Rat der Stadt.

Satire als Ventil für den Frust

„Guck dir das an“, sagt Heepen und deutet mit dem Zeigefinger auf deutlich sichtbare Wasserschäden der klassizistischen Putzfassade und Risse in den sechs massiven Frontsäulen des Krefelder Rathauses. Für den Fall seiner Wahl hat Heepen versprochen, während seiner Amtszeit jeden Tag ein Zimmer des Gebäudes zu renovieren. „Für mich als gelernten Maler und Lackierer ein Kinderspiel. Dann wäre ich bis zum Ende der Legislaturperiode fertig gewesen.“ Dem derzeitigen SPD-Bürgermeister Meyer wirft er Untätigkeit vor. „Der hat bisher noch nicht einen Türrahmen gestrichen.“

Den Bürgermeister mit Klobürsten beworfen

In die PARTEI trieb die meisten nicht nur die Lust auf Jux und Klamauk, sondern tiefe Politikverdrossenheit. Wenn die Rotkrawattierten vor dem maroden Ratsgebäude die Sprengung desselben bewerben oder beim Karnevalsumzug den Krefelder Oberbürgermeister auf dem Rathausbalkon mit Klobürsten bewerfen, ist das auch aus Frust über den derzeitigen Zustand ihrer Stadt, die noch Ende des 19. Jahrhunderts die reichste des Deutschen Reiches war. Die PARTEIisten sehen Krefeld als „Moloch der guten Laune“, sich selbst als „verfolgte intellektuelle Minderheit“ und vor allem als Impulsgeber, Wachrüttler, Aufmerksammacher.

„Nur hier kann ich etwas bewegen“

Hertzberg ist nach eigener Aussage als Wirtschaftsflüchtling aus Kiel an den Niederrhein gelangt. Für den stellvertretenden Vorsitzenden war der Eintritt in die PARTEI eine „hochrationale Entscheidung“. „Ich bin in der PARTEI, weil sie die einzige Partei ist, in der ich wirklich etwas für diese Stadt bewegen kann“, sagt Hertzberg. Diesmal meint er es nicht ironisch.