• Der Verein „Tausche Bildung für Wohnen“ bietet jungen Menschen kostenloses Wohnen an
  • Im Gegenzug geben diese als Paten in der Tauschbar in Marxloh Nachhilfe
  • Imad Soliman ist einer der Paten und finanziert so sein Studentenleben

Imad Soliman sitzt zusammen mit zwei Mädchen in einem hellen Raum an einem Tisch und verteilt Memory-Karten. Mit einem lauten Klatschen deckt das ältere Mädchen zwei Karten auf und lacht: sie hat ein Pärchen gefunden. Gleich beginnt die Lernförderung in der Tauschbar. Doch die Kinder können erst einmal ankommen und ihren Paten begrüßen. Das läuft meistens so ab, dass sie erst einmal eine Runde Uno oder Memory spielen. Bei gutem Wetter gehen sie auch oft in den Hof und spielen Fußball. Dann ist der Kopf frei für den Lernstoff.


Die Kinder spielen Memory, bevor die Lernförderung beginnt. Foto: Judith Lorenz

Kostenloses Wohnen für Förderunterricht

Imad ist Teilzeitpate. Er macht an der Universität Duisburg-Essen seinen Master in Elektrotechnik. „Als ich mein Studium 2012 begonnen habe, musste ich ein Jahr lang von Aachen nach Duisburg pendeln“, sagt Imad. In Duisburg hat er keine Wohnung gefunden. An einem schwarzen Brett in der Uni hat er dann einen Aushang des Vereins „Tausche Bildung für Wohnen“ entdeckt und war sofort begeistert. Das Prinzip ist ganz einfach: Paten geben diesen Kindern in der Tauschbar Förderunterricht und wohnen im Gegenzug kostenfrei in einer Wohngemeinschaft. Imad lebt in einer Dreier-WG, in einem etwa zwölf Quadratmeter großen Zimmer. Dort kann er wohnen, bis er sein Studium beendet hat. Finanziert wird das Projekt durch Spenden und Förderer. Dazu kommen auch Einnahmen durch Preisgelder. Denn das Projekt ist Sieger des Deutschen Nachbarschaftspreises geworden.

Kein klassisches Nachhilfeinstitut

Imad ist wichtig, dass seine Arbeit sinnstiftend und nachhaltig ist. „Wenn ich jetzt als Nebenjob Pizzataxi fahren würde, hätte ich mein Geld, aber nichts für die Gesellschaft getan“, erklärt Imad. Außer dass die Leute satt seien. Denn bei der Arbeit in der Tauschbar geht es nicht nur um die Förderung zur Verbesserung der Schulnoten, sondern darum, das Selbstvertrauen der Kinder zu stärken und sie ihren eigenen Weg finden zu lassen. „Wir sind kein klassisches Nachhilfeinstitut“, meint Imad. Die Paten in der Tauschbar betonen immer, dass sie Nachhilfe fürs Leben geben.

Das fällt schon anhand der Einrichtung auf: An den hohen Wänden der Tauschbar hängen Fotos der Kinder, Landkarten und selbstgemalte Bilder. Die Atmosphäre ist familiär. Im Eingangsbereich sind ringsherum Bücherregale. An einer Wand steht ein großes, durchgesessenes Sofa. Auf einem kleinen Beistelltisch liegen zwei Teller mit Butterbroten und kleingeschnittenen Obststücken. Die können die Kinder sich nehmen, wenn sie mal eine Pause brauchen.


Der Eingangsbereich der Tauschbar. Foto: Judith Lorenz

Die Hilfe ist nötig: Marxloh ist ein Stadtteil mit hohem Migrationsanteil und gilt als Problemviertel in Duisburg. Auch in anderen Städten, wie beispielsweise Gelsenkirchen, wird dieses Projekt erweitert. Der Verein „Tausche Bildung für Wohnen“ fördert die Kinder aus Brennpunkten – und möchte ihnen auch Mut machen.

„Marxloh ist eigentlich ganz cool“

In Marxloh zu wohnen ist für Imad kein Problem: „Ich finde den Stadtteil eigentlich ganz cool. Man hat alles, was man braucht. Diverse Ärzte, mehrere Supermärkte, Fitnessstudios, türkische Obst- und Gemüseläden“. Er betont, dass es schon Probleme gebe, aber mehr, weil besonders die Jugendlichen nicht gefördert werden. Trotzdem greift er auf, welches Potenzial die Kinder in diesem Stadtteil haben. „Sie wachsen teilweise zwei- bis dreisprachig auf. Andere Eltern geben dafür viel Geld aus“, sagt Imad.

Die Verständigung ist kein Problem

Probleme, sich mit den Kindern zu verständigen, hat er also nicht. Wenn die Kinder kein deutsch sprechen können, unterhält Imad sich mit ihnen auf Arabisch, da auch seine Familie dort ihre Wurzeln hat.


Die Tauschbar von außen. Foto: Judith Lorenz

Die Arbeit ist ein fester Teil seines Lebens: Imad arbeitet rund zehn Stunden in der Woche in der Tauschbar. Zusätzlich zu dieser Arbeit, ist er als Freelancer für eine Firma im Bereich Ingenieurwesen und Elektrotechnik tätig. Durch diese Beschäftigungen kann er sich sein gesamtes Studentenleben finanzieren. Unter einen Hut bekommt er das, indem er auf andere Sachen verzichtet: viele investieren ihre Zeit in Netflix und Amazon-Prime. In der Zeit lernt er für sein Studium.

Wenn er das erfolgreich absolviert hat, wird er die Arbeit in der Tauschbar vorerst aufgeben und in seiner ausgewählten Branche arbeiten. Doch er kann sich vorstellen, in ein paar Jahren vielleicht ein „social-Startup“ zu gründen und seine Ziele zur Förderung dieser Kinder weiter zu verfolgen.

Links:

https://www.nachbarschaftspreis.de

http://www.tbfw-marxloh.org