- Bei vielen Friseuren kann man seine Haare abschneiden lassen und den Zopf dann nachher mitnehmen
- Man muss den Zopf nicht immer verkaufen, sondern kann ihn auch spenden
- Die Haarmanufaktur Rieswick nimmt so welche an, um daraus Perücken zu machen
Jeder Kann Haare spenden
Zweimal habe ich meine Haare gespendet. Anfangs hatte ich nur Kopfschmerzen und wollte meine langen Haare deswegen loswerden. Beim Friseur wurde dann gefragt, ob ich sie nicht für einen guten Zweck an das Familienunternehmen Rieswick spenden möchte. Vor zweieinhalb Jahren habe ich es nochmal gemacht, einfach aus Überzeugung, dass alle Menschen Haare verdient haben.
Doch was passiert eigentlich mit dem abgeschnittenen Zopf? Reicht ein Zopf für eine Perücke und kann ich die Person mit meinen Haaren auf dem Kopf auch kennenlernen?
Laden, Beratung, Manufaktur
„Rieswick“ steht in großen, metallenen Lettern über der weißen Eingangstür. Die helle Rezeption ist mit gemütlichen Sesseln und einem kleinen Tisch mit Bonbons ausgestattet. Es sieht eher aus wie ein Laden als eine Manufaktur. Ein rothaariger Mann mit Bart betritt die Rezeption. Er hat einen schlichten, grauen Pullover und eine schwarze Hose mit schwarzen Schuhen an. Die moderne Uhr an seinem linken Handgelenkt und die außergewöhnliche Brille runden den schlichten aber modischen Look ab. „Hey, Moin ich bin Max, wir schauen uns jetzt mal alles hier an.“, leitet er ein und deutet auf einen Durchgang neben der Rezeption.
Jeder Raum ist ein Unikat
Es gibt acht verschiedene Räume für Besprechungen und Anproben. „Jeder Raum ist individuell gestaltet und es gibt auch einen Raum mit extra Eingang für Rollstuhlfahrer.“, erklärt der Perückenmacher enthusiastisch. Warum aber jeder Raum individuell? „Die Räume sind verschieden, da bei manchen Kunden auch die Haare abrasiert werden, damit die Anprobe passgenau ist. Da möchte man beim nächsten Mal ja keine negativen Gefühle mit dem Raum verbinden.“
Dieser Raum im Obergeschoss ist tropisch eingerichtet und hat sogar eine Dachterrasse
Jeder Raum ist sehr groß und hat eine Couch, Bonbons und einen Fernseher für längere Wartezeiten.
An einem Raum mit weihnachtlicher Deko grenzt ein Wintergarten. Denn „die Kunden sollen ihre neuen Haare auch im natürlichen Licht sehen“ und auch ihre Freiheit haben, mal raus zu gehen.
Arbeit fast wie im Friseursalon
Wieder im Untergeschoss angekommen geht es in die Werkstatt. Es sieht ein bisschen so aus wie ein Friseur-Salon, denn es gibt Waschbecken und große Spiegel, sowie Hauben, Föhne, Scheren und so weiter. Neben Vera und Franz Rieswick knüpft hier die 37-jährige Sandra Liemann an einer blonden Perücke. Sandra ist ebenfalls blond, schlicht gekleidet und hat eine schwarze Brille die links gebrochen und mit Tesafilm wieder festgeklebt ist. „Die Haare werden einzeln mit einer Nadel, die einen Wiederhaken hat eingeknüpft“, erklärt Sandra „Ich bin hier die Technikerin, weil ich die einzige bin, die die Haare einknüpft.“
Der Weg zur Perücke
Doch vor dem Knüpfen passiert noch viel mehr, was auf die Haarspende zurückführt. Yvonne Buß ist zusammen mit Max Rieswick für die Spendenannahme zuständig. Allein pro Tag werden an die 80 Zöpfe gesendet. In allen Farben und Längen. „Ich bin dafür zuständig, die Haare einmal zu begutachten und die Kunden, die nicht dabei geschrieben haben, dass sie die Haare spenden wollen anzuschreiben. Wir kaufen hier nämlich auch Haare.“, erzählt Yvonne.
Alle kontrollierten Zöpfe kommen in eine Kiste und dann ins Lager, wo sie „gehechelt“ werden. Hierbei werden die Haare über ein Nagelbrett gezogen, damit alle Haare dieselbe Struktur und Länge haben. „Leider gehen beim Hecheln 40 Prozent der Haare verloren, da natürliches Haar auch bricht und nicht jedes Haar die geforderte Länge hat.“, erklärt Sandra. Doch wenn das alles geschafft ist kann Sandra die Perücke knüpfen. Jeder Kunde hat eine Art Steckbrief mit Foto, damit die Perücke kein komplett anderes Haar ist als vorher.
Sandra „hechelt“ die Haare, die zuvor in Kisten farblich einsortiert werden
Stetige Forschung für den besten Tragekomfort
Franz Rieswick, der Vater von Max ist gerade dabei an einer klimatisierten Perücke, für den maximalen Tragekomfort zu forschen. Das macht er in der Universität Aachen. Mit viel Gestik erklärt er, dass wir uns das ja gar nicht vorstellen können wie es ist eine Perücke den ganzen Tag zu tragen. „Deswegen ist uns das Feedback unserer Kunden besonders wichtig.“ Nachdem der Friseurmeister zur Veranschaulichung eine Montur, so nennt man einen Abdruck des Kopfes, und ein fertiges Haarteil aus grauen Haaren, auf und neben einem Frisierkopf dagelassen hat, macht er sich wieder an die Arbeit.
Zurück zu Spendenabteilung die inmitten der Werkstatt liegt. „Viele Fragen auch ob sie die Kunden kennenlernen dürfen, die ihre Haare tragen, aber da eine Perücke ja aus mehreren Zöpfen besteht und die Kunden es nicht gernhaben, wenn man Sie ohne Perücke sieht, ist das nicht möglich.“, erzählt Yvonne als Sie die Haarspenden weiter durchgeht.
Schade, dann werde ich wohl nie wissen wer meine Haare trägt. Doch es ist mindestens genauso spannend zu sehen, wie so eine Perücke hergestellt wird. „Die Kunden liegen uns ja auch sehr am Herzen“ sagt Vera Rieswick. In der Handarbeit steckt nämlich so viel Arbeit und dennoch machen das die Mitarbeiter hier mit so viel Enthusiasmus und Liebe. Und es lohnt sich auf jeden Fall.
Wenn ihr euch selber noch informieren wollt, besucht einfach die Internetseite www.rieswick.de
Comments are closed