• Ruby ist 24 Jahre alt und muss seine Homosexualität verheimlichen
  • Er kam 2016 nach Deutschland, nachdem in Syrien der Bürgerkrieg ausgebrochen war
  • In einer Einrichtung vom Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) in Mülheim an der Ruhr erzählt er von seinen Erfahrungen

 

Wie war es für dich als junger Mann in Syrien aufzuwachsen, der merkt, dass er homosexuell ist?

Es war eine schlimme Erfahrung. Bevor ich 13 Jahre alt war, wusste ich gar nichts über das Thema Sex oder Sexualität. Ich wusste nicht, woher Kinder kommen. In dem Alter dachte ich nicht darüber nach, denn in meiner Tradition und Erziehung wurde ich nicht aufgeklärt. Als ich 13 Jahre alt war, zogen meine Familie und ich von Libyen nach Syrien wegen der Arbeit meines Vaters. Dort lernte ich schnell arabisch und meine Mutter wollte, dass ich mich integriere. Doch ich merkte auch, dass sie immer diese Angst in sich trug, dass mir etwas passieren könnte wegen meines Aussehens. Ich war klein, süß, Leute hörten mir gerne zu und ich tanzte damals schon viel (lacht). Meine Mutter mochte diese Seite an mir, aber sie hatte Angst, dass Andere mich deshalb schlecht behandeln könnten.

 

Konntest Du dich denn jemandem anvertrauen?

Nein, als es wichtig wurde meine eigenen Stärken zu entwickeln und der zu sein, der ich bin, baute meine Mutter eine Mauer auf und versteckte mich vor der Welt. Sie brachte mich zur Schule, holte mich ab. Mich durfte keiner besuchen und ich durfte mich auch nicht mit Freunden treffen. Ich hatte kein Handy und durfte nicht allein rausgehen. Das änderte sich erst, als der Krieg in Syrien begann. Das Wichtigste für mich ist es jetzt Liebe zu finden. Liebe, die meine Mutter mir beigebracht hat. Denn obwohl sie mich ständig versteckte, wusste ich, dass sie nur Angst hatte und mich beschützen wollte. Sie hat mir eine gute, aber keine starke Persönlichkeit gegeben. Dass ich mir selbst vertraue und an mich glaube, hat sich erst viel später entwickelt.

 

Partys der syrischen Gay-Community finden im Untergrund statt

 

Gab es denn für dich in Syrien die Möglichkeit deine Homosexualität auszuleben?

Als ich mit 16 Jahren bemerkte, dass es eine Gay-Community gibt, hat das so viel in meinem Leben verändert. Zuerst war ich geschockt, dass es überhaupt andere Homosexuelle gibt, dass ich nicht der Einzige bin. In Damaskus bin ich dann auf Partys gegangen, die unter der Hand stattfanden. Wenn man genug Geld hat, ist dort alles möglich (lacht). Und die Community ist dort groß und trotzdem hatte ich das Gefühl, dass jeder jeden kennt. Vielleicht auch durch die ganzen Apps, die viele dort nutzen.

 

Wie ist dein Leben in Deutschland?

Die Zeit, als ich 2016 nach Deutschland kam und insbesondere das darauffolgende Jahr, war besonders schwer für mich. In diesem Jahr stand für mich alles auf der Kippe. Ich wusste, entweder wird alles noch schlimmer oder es muss sich bessern. Ich hatte Probleme mit meinem Freund, meinem besten Freund und meinem Bruder, alles war sehr anstrengend. Ich wusste, ich musste Beziehungen abschließen und neue Wege gehen. Ich bin mir sicher, dass 2019 ein deutlich besseres Jahr wird. Ich habe das Gefühl ein Zuhause gefunden zu haben.

 

Die Einrichtungen „together virtuell“ und „gerne anders!“ vom Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) in Mülheim an der Ruhr, helfen unter anderem homosexuellen Geflüchteten nach ihrer Ankunft in Deutschland.
Foto: Lisa Griesmann

 

„Ich lebe hier, damit ich meine eigene Identität leben kann“

 

Hast du derzeit Kontakt zu deiner Familie?

Durch den Krieg in Syrien ist meine Familie nach Schweden gegangen. Ich habe guten und regelmäßigen Kontakt zu meinen Eltern, Brüdern und Schwestern. Vor fünf Monaten habe ich sie noch besucht. Dennoch wissen sie nichts über meine Sexualität. Das ist der Grund, warum ich hier in Deutschland allein lebe. Ich möchte sie nicht verletzten oder ablenken. Ich lebe hier, damit ich meine eigene Identität leben kann. Und wenn meine Mutter mich nach meinem Leben in Deutschland fragt, fällt es mir nicht mehr schwer ihr etwas darüber zu erzählen, weil ich hier viele Menschen kennengelernt habe. Manchen von ihnen konnte ich sogar helfen.

 

Hattest du jemals in Deutschland Probleme mit Anfeindungen?

Nein, zum Glück nicht. Und ich hoffe, so etwas wird mir niemals passieren. Wenn ich hier irgendeine Art von Rassismus erfahren würde, müsste ich das Land wieder verlassen. Ich könnte es nicht ertragen, an einem Ort zu leben, an dem Menschen mich nicht hier haben wollen.

 

Was wünschst du dir für deine Zukunft?

Ich glaube, dass alles von einem selbst abhängt. Es gibt gute Menschen und es gibt böse Menschen. Ich möchte einfach nur mein Leben selbstbestimmen und dabei niemandem schaden. Aber ein stückweit ist es auch Karma und es passieren Dinge, auf die man sich nicht vorbereiten kann. Abgesehen davon hatte ich heute Morgen ein Vorstellungsgespräch und ich wünsche mir bald Arbeit zu finden.