• Aerial Hoop ist eine Tanzart, die aus der Luftakrobatik kommt.
  • Die deutsche Szene ist noch ziemlich klein und die Zahl der Trainer daher gering.
  • Ein Stahl-Ring tut echt verdammt weh.
Foto: Pascal Renka

Google Maps führt mich in ein verlassenes Gewerbegebiet in Bochum. Nach einem längeren Fußmarsch durch die prallende Sonne, steht mitten in der grauen Einöde ein wunderbarer Bau von 1896, das entnehme ich einem Schild an der Tür. Bei diesen schwülen Temperaturen um die 29 Grad tanze ich Aerial Hoop im schwerelos-Tanzstudio.

Ein freundlicher Empfang

Nach einem Wirr-Warr aus Treppe hoch, Treppe runter, habe ich es endlich ins Studio geschafft. Einmal um die Ecke erstreckt sich ein kleiner Lounge-/Küchenbereich. Die hellblauen Kissen, passend zum Logo, erhellen die moderne Hipster-Atmosphäre. Hinter dem Tresen sitzt Anne und grüßt mit einem herzlichen „Na du?!“. Sie ist Betreiberin des Studios und hat mich schon erwartet.

Wir kommen ins Gespräch und Anne ist Vollprofi, das erfährt man aus ihren Erzählungen. In Deutschland ist die Aerial Hoop Szene noch klein und daher kaum bekannt. Die Kunst in einem von der Decke hängenden Reifen zu tanzen, stammt aus der Artistik und Zirkuswelt. Wirklich bekannt ist das Ganze erst durch Shows des Cirque du Soleil Mitte der 2000er geworden. So kommt, berichtet mir Anne, der Großteil der Studio-Besucher über Pole-Dance zum Aerial Hoop.

The Circle of Stahl

Der Kursraum ist offen, hell und hat eine riesige Spiegelfront. Auf der Freifläche stehen Pole-Dance-Stangen und Reifen hängen von der Decke. Im Raum sind bereits weitere Teilnehmerinnen und Emily, die Trainerin. Mit ihren lila-gefärbten Haaren und einer sehr positiven Ausstrahlung fühle ich mich direkt wohl. Generell ist die Stimmung ausgelassen und entspannt. Emily ruft: „Matten nehmen.“ Zielstrebig laufen die anderen auf die Yoga-Matten in der Ecke zu und packen sie aus. Ein wenig überfordert nehme ich mir auch eine und lege sie auf den Boden. Zum Beat von Bausa legt Emily ein flottes Tempo vor. Das Warm-Up ist eine Mischung aus Gymnastik und Yoga. Besonderes Augenmerk wird auf das Aufwärmen der Hand- und Fußgelenke gelegt.

„Heute üben wir nochmal die ‚Amazone‘, den ‚Man in the Moon‘ und ich zeige euch eine weitere Möglichkeit zum Aufsteigen“, erklärt Emily. Ich verstehe gar nichts und stehe erstmal verdutzt vor dem Reifen. An einem Holzbalken befestigt, hängt der Reifen von der Decke. Ich 1,87 Meter groß, schaue mitten durch. Die Unterkante ist auf meiner Hüfthöhe und im Durchmesser misst er ca. 1,80 Meter. Der Hoop ist aus Stahl umwickelt mit Physioband, für einen besseren Grip.

Foto: Pascal Renka

Ein Ring sie zu knechten

Aua!“, ist mein Gedanke, als ich mich das erste Mal – eher unelegant – ins Abenteuer werfe. Ich habe die Schmerzen an Beinen und Armen ziemlich unterschätzt. Vergleichbar mit den ersten Malen Baggern beim Volleyballspielen. Am Anfang tut es weh und die Unterarme sind rot, doch dann wird der „Schmerz“ zur Gewohnheit. Ziel der heutigen Stunde: eine kleine Choreografie von ca. 30 Sekunden tanzen. Als Vollblutanfänger übe ich das Aufsteigen einige Male und gehe dann dazu über die Figuren zu üben. Versuch um Versuch bekomme ich ein besseres Gefühl für den Reifen und merke wie ich mich in ihm ‚Verkeilen‘ muss, damit ich nicht runterrutsche. „Pascal, mit dem Arm musst du pushen und mit diesen musst du ziehen, dann kommst du besser in die Amazone“, erklärt mir Emily, als ich meine Arme nicht geordnet bekomme. Sie macht es nochmal vor, ich lausche und beobachte. „Ok, den Arm unter den Arsch, den Arm da oben hin, dann das Bein ausgleiten lassen“, denke ich und plötzlich hänge ich in der Amazone. Ein unangenehmes Gefühl: der Reifen drückt in meinen unteren Rücken, mein durchgedrückter Arm bricht fast durch und mein Gesichtsausdruck – naja.

Die anderen Teilnehmerinnen schwingen mit Eleganz in den Hoop, drehen sich und sehen sehr sicher in ihren Bewegungen aus. Nach dem vielen Üben fangen wir mit der Choreografie an. Einmal trocken im Stehen, einmal im Ring und abschließend im Ring mit Musik, stellt Emily die Figurenabfolge vor. Im Gesichtsausruck der anderen erkenne ich große Zuversicht, nur ich habe ein wenig Angst.
Die Musik läuft, wir sitzen bereits im Hoop und los geht’s. Wie ein Phönix aus der Asche steigen wir mit unseren Köpfen hervor, lassen den oberen Arm ausgleiten und lehnen uns weit nach hinten. Bis hier her ziemlich easy. Dann in die Amazone: mein rechtes Bein hinter den Kopf das Linke zweimal um den Ring – abgeschmiert. So hat sich das Ganze angefühlt. Emily kommt zur Hilfe, hält den Reifen fest und ich steige selbst raus.

Blaue Flecken aber glücklich

Meine Kniekehlen und Armbeugen brennen. Der Muskelkater kommt jetzt schon, aber wir machen noch einen schnellen Cooldown. 1:0 für den Ring. Es macht aber wirklich Bock. Ein Meter über dem Boden schwebend Bewegungen und Figuren zu schaffen, ist ein großes Erfolgserlebnis. Ein Studio zu finden, das Aerial Hoop anbietet ist schwer. Eine spezifische Trainerausbildung gibt es in Deutschland noch nicht. An wenigen Einrichtungen kann man eine allgemeine Ausbildung zum „Übungsleiter Luftakrobatik“ machen. Das sind die letzten Informationen, die ich mit Anne und Emily austausche, bevor ich müde und erschöpft nach Hause gehe.

Foto: Pascal Renka