· Wie „echt“ ist ein Mittelaltermarkt wirklich?
· Eine Personenreportage über den Ritter Daniel Nowara
· Fairer Kampf statt blutige Schlacht
Mit dem Ende der Serie Game of Thrones, hat nun auch mich der Mittelalter-Hype gepackt. Zum 17. Mal findet heute das Siegfriedspektakel in Xanten statt. „Seid gegrüßt, Holde Maid“ – werde ich freundlich am Kasseneingang des Mittelaltermarktes empfangen. „Niemand, hat so im Mittelalter gesprochen“, flüstert mir meine Begleitung zu. Der Bottroper Daniel Nowara bereist schon seit fünf Jahren die Märkte innerhalb Deutschlands. „Das ist alles nur PR und soll den Zuschauern die gewünschte Atmosphäre bieten“, sagt er. Darüber habe ich selber nie nachgedacht. Ist dieser ganze Trubel also nur Show? Das möchte ich mir doch mal genauer anschauen.
Eine Stadt spielt Theater
Gemeinsam laufen Daniel und ich über die große Festwiese. Mehr als 200 Ritterzelte, Hütten und Verkaufsstände laden zu einer mittelalterlichen Zeitreise ein. Als Erstes bleiben wir inmitten des Geschehens vor einer alt aussehenden Schänke stehen und kaufen uns ein Glas Honigwein, auch bekannt als Met. Dabei lauschen wir den angenehmen Klängen traditioneller Dudelsackmusik, die aus den großen Lautsprechern ertönt. Sobald ich einen Schluck nach dem anderen genüsslich trinke, fällt mir da schon auf, dass in Game of Thrones niemals sich ein Schauspieler mal eben an einem Stand für Fleischspieße oder Fladenbrot angestellt hätte. Im Grunde stehen hier nur holzverkleidete Fressbuden und Händler, die Kleinkram verkaufen. Der richtige Wochenmarkt verkauft ja bis heute auch nur Obst und Gemüse. Aber na ja, das heißt nicht, dass es mir jetzt weniger Spaß macht, die Menschen kommen ja für das leckere Essen und den Trinkständen. Also laufen wir gut gelaunt weiter mit einem zweiten Glas, durch die volle Menschenmenge von Stand zu Stand. Besonders oft kommen uns dabei Männer in erdfarbigen Hosen und weißen Schnürhemden entgegen, manche von Ihnen tragen bei der Affenhitze sogar Schafsfell à la Jon Snow auf dem Rücken. „Die Kleidung zeigt schnell, wer von der Stange kauft und wer nicht. Die richtig teuren handgenähten Gewänder sind alle viel bunter und bestehen aus pflanzengefärbten Stoffen“, erzählt mir Daniel. Der 28-jährige Geschichtsstudent weiß, wovon er spricht. Jährlich gibt er mehrere Hunderte von Euros für neue Kleidung aus. Doch nicht nur Geld, sondern auch Kondition spielen bei der Ausrüstung eine große Rolle. Circa 35 Kg schleppen die Männer an ihren Körpern mit sich. Wer in einfacher Stoffkutte duellieren möchte, ist lebensmüde und sollte lieber Dorfbursche bleiben. „Ein wahrer Ritter duelliert nur mit Helm und Gambeson. Alles andere wäre viel zu gefährlich und verantwortungslos.“ sagt er und deutet mit seinem Finger auf seine blauen Flecke, die deutlich unter der Polsterrüstung hervorscheinen. Einmal die Woche lernt er die Kunst des Fechtens in seinem Verein. Dazu gehören körperliche Belastung, Geschicklichkeitstraining und viel Geduld.
Ritter-Sport – Harmonisch, Nüchtern, gut
Während das Ritterturnier auf der Festwiese stattfindet, erzählt Daniel, dass dies auch eine einstudierte Show sei. – auf hohem Ross kämpft der Ritter Siegfried gegen seinen Gegner und stoßt ihn vom Pferd. Das Publikum jubelt, lacht oder darf aktiv daran teilnehmen. Sobald Siegfried einer Dame schließlich einen Apfel vom Kopf entzweit, wird ordentlich applaudiert. „Doch wie läuft das eigentlich richtig ab?“, frage ich. „Das zeige ich dir jetzt“, antwortet Daniel. Langsam laufen wir zu den Zäunen, die den Markt umschließen. Gegenüber vom Ausgang befindet sich auf einer kleineren Wiese das Lager. Die Musik wird leiser und die Menschenmenge löst sich. In dem Lager sind viele kleine weiße Zelte mit Holzbetten, Tischen und Stühlen reih herum aufgebaut. In der Mitte ist ein kleines Feld zum Duellieren, wo wir einen Zweikampf beobachten. Der Bottroper erklärt mir, dass auch hier nicht alles wie im Film ist. Es ist eher wie ein Spiel mit Regeln. Alkohol darf erst recht nicht vor dem Kampf getrunken werden und jede Schlacht wird fair gekämpft. Es gibt Kampfsysteme, in denen es verschiedene Trefferzonen gibt. Das können Oberkörper und Unterkörper sein. Mal ist das Duell nach einem Treffer vorbei, mal nach mehreren. Nach Beendigung des Kampfes, ist auch wieder jeder er selbst. Diese Menschen spielen keine Rollenspiele, wie auf Fantasymärkten. Sie fühlen sich eher wie Darsteller. Sie zeigen dem Publikum wie es war, damals im Mittelalter gelebt zu haben und erklären das auch. Es wirkt hier alles sehr harmonisch, ein bisschen wie Campingurlaub mit der Familie. Selten sieht man Jemanden, der sein Smartphone in der Hand hält. Die Frauen schwingen den Kochlöffel, die Männer spielen Gitarre und auch Kinder können sich frei bewegen und Ritter spielen. Es ist eine Epoche, wo noch ganz andere Werte zählen. Und ehe wir uns versehen ist es auch schon Abend. Am liebsten würde ich mich in eines der Lager setzen und mitzelten, doch das geht leider nicht. Daniel Nowara musste sich damals auch erst bei einer Lagergruppe bewerben – und wie geht das? Online. Womit wir wieder zurück bei der modernen Technik sind. So müssen wir wohl doch ins 21. Jahrhundert zurück und uns eine Lagergruppe über Facebook suchen.
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