• Das Ordnungsamt ist für die Kontrolle der Corona-Verordnungen zuständig
  • Oft zeigen sich die Bediensteten kompromissbereit
  • Auch krasse Verstöße kommen vor, das Verständnis für die Regeln nimmt ab

Keine Veranstaltungen mehr, Treffen nur mit einer anderen Person, Mindestabstand einhalten! Fast täglich beschließen die Politiker von Bund und Ländern neue Regeln für das soziale Leben in Zeiten der Coronavirus-Pandemie – den allermeisten Bürgern sind sie mittlerweile bekannt.

Doch ständig neue Regeln bedeuten für eine Berufsgruppe nur umständliche Arbeitsweisen und Durcheinander: Die Ordnungshüter in den Städten.

Von den harten Kontaktbeschränkungen in der Frühphase der Pandemie sind viele Bundesländer, darunter auch Nordrhein-Westfalen, mittlerweile zwar wieder abgerückt. Die lockeren Neu-Regelungen sind allerdings teilweise so weit gefasst, dass eine Kontrolle fast unmöglich scheint.

„Einmal in der Woche können wir unsere Sachen aussortieren“

Ein Problem, dass für J. Härich und M. Eihoff Alltag ist. Sie arbeiten für das kommunale Ordnungsamt (KOD) in Gladbeck und kontrollieren dort die Einhaltung der Corona-Verordnungen. Die größte Herausforderung: Bei den ständigen neuen Regeln und Überarbeitungen den Überblick zu bewahren.

Die Corona-Verordnungen zu kontrollieren bedeutet vor allem Durcheinander. Foto: Torben Heine

„Einmal in der Woche können wir unsere Sachen eigentlich aussortieren“, erzählt Härich. Bei Dienstbeginn müssen sich die beiden jedes Mal zunächst einen Überblick über die ständig neue Lage verschaffen. Auch, weil viele Bürger während des Dienstes mit Fragen auf sie zukommen werden. „Teilweise hören wir von neuen Regeln schon in den Nachrichten, aber uns liegt die Verordnung noch gar nicht vor“, so Härich.

Corona bedeutet Zusatz-Arbeit

Zur Sicherheit hat das Team deshalb immer eine ausgedruckte Variante der neuesten Corona-Verordnung griffbereit in der Mappe. Dann geht es los. Härich und Eihoff fahren bei ihrer Schicht neuralgische Punkte in Gladbeck ab. Die Innenstadt, Parks und Wälder, einzelne Wohngegenden. An den verschiedensten Ecken der Stadt mussten die Ordnungshüter bereits Verstöße ahnden. In den meisten Fällen wurde der vorgeschriebene Mindestabstand nicht eingehalten.

Doch mit der Pandemie wurde auch die alltägliche Arbeit des Duos nicht weniger. Das heißt: Auch in Corona-Zeiten leistet der KOD einen Allrounder-Dienst: „Wir müssen uns im Umweltrecht genauso auskennen wie im Gewerberecht“, so Eihoff. Immissionsschutzverordnung, Hundeverordnung und vieles mehr – bei den zahlreichen Aufgabengebieten sei das Achten auf dieCorona-Regeln nur zusätzliche Arbeit.

Kontrollen vor Ort meist unmöglich

Seit dem 11. Mai sind in NRW „Treffen von Angehörigen aus zwei Haushalten im öffentlichen Raum“ erlaubt. Für Härich und Eihoff eine kaum kontrollierbare Vorgabe. Theoretisch könne ja jeder sagen: Das ist meine Partnerin oder das ist mein Cousin.

Das Land NRW lockert die Regeln zwar, hält aber an den wichtigsten Vorschriften fest.

„Unsere einzige Möglichkeit ist dann, die Personalien aufzunehmen und die Aussagen vom Innendienst prüfen zu lassen.“ Denn, selbst wenn die gleiche Adresse im Personalausweis steht: „Vor Ort können wir nicht prüfen, ob die Personen wirklich in einer Wohnung wohnen“, erklärt Eihoff.

Ordnungshüter zeigen sich kulant

Beim Einbiegen in einen Waldweg entdecken die beiden plötzlich eine Gruppe von fünf Personen. „Ein typischer Fall“, seufzt Härich und seine Kollegin erklärt: „Hier sind jetzt zwei Kinder, eine vielleicht größere Schwester und zwei Erwachsene.“

In solchen Fällen müsse man nicht sofort „ein Fass aufmachen“, wie Härich eine Kontrollaktion in diesem Fall bezeichnen würde. Das Ordnungsamt müsse sich immer die Frage stellen, wie verhältnismäßig eine Maßnahme im jeweiligen Augenblick sei. In diesem Fall sind sich die beiden einig: Das ist ziemlich eindeutig ein Familienspaziergang. Die Kontrollfahrt durch Gladbeck geht weiter.

Verständnis für Corona-Regeln nimmt ab

Harmlose Begegnungen wie diese sind der Regelfall. Doch Härich und Eihoff kennen auch extreme Verstöße. So mussten sie einmal eine größere Ansammlung von Menschen auf dem Hof vor einem Hochhaus auflösen – mit Hilfe der Polizei, um einer heftigen Auseinandersetzung mit den bekannten Regelbrechern vorzubeugen. „Wir mussten uns dann sogar ins Auto zurückziehen“, erzählt Eihoff.

Gerade im Zuge der Lockerungen würden viele die Härte der Vorschriften nicht mehr verstehen, stellt Härich fest. „Die Akzeptanz nimmt ab. Viele denken: Jetzt übertreiben sie.“ Bei einer Gruppe, die nicht den vorgeschriebenen Mindestabstand eingehalten habe, mussten die beiden erst vor Kurzem fünfmal 200€ Bußgeld verhängen. „Dementsprechend war dann natürlich auch die Laune.“

Aktuelle Corona-Statistik für Gladbeck. Grafik: Torben Heine

KOD ist keine „harmlosere Polizei“

Bei hartnäckigeren Regelbrechern zieht das Team deshalb häufig zur Sicherheit die Polizei hinzu. „Vor einem Friseursalon standen vor ein paar Tagen bestimmt 10 bis 20 Menschen, alle mit zu wenig Abstand“, erinnert sich Eihoff. „Der Chef des Ladens fühlte sich nicht zuständig und ließ sich auch nicht überzeugen. Am Ende musste die Polizei dazukommen.“

Die beiden ärgert dabei vor allem Eines: Es sei ein immer noch weit verbreitetes Missverständnis, dass das Ordnungsamt nur eine „harmlosere Polizei“ sei. „Viele haben ein falsches Bild. Wir haben fast genauso viele Befugnisse wie die Polizei und können auch unmittelbaren Zwang anwenden“, so Härich.

Die meisten Fälle, in denen Corona-Regeln gebrochen werden, ließen sich aber durch ein wenig rhetorisches Geschick schnell klären. Meist bleibt es bei einer Ermahnung durch Härich, Eihoff oder die Kollegen. Auch die Ordnungshüter wissen schließlich, wie empfindlich die Strafen für Verstöße sind.Tipp: Manche Menschen werden durch die Corona-Verordnungen regelrecht vom Leben ausgeschlossen. Wie es sich als Gehörloser in Zeiten der Pandemie lebt, liest du hier>>>