Eine strahlendweiße Tür einer Doppelhaushälfte. Hinter dieser Tür wartet bereits die hochschwangere Johanna. Wie das wohl ist, wenn man zwei Leben zugleich vor einem Virus schützen muss?

Eine junge Familie

Die Tür öffnet sich und eine junge, blonde Frau öffnet lächelnd die Tür. Der Blick fällt sofort auf ihren kugelrunden Bauch. „Schön, dass du da bist!“ Es ist ein kurzer Weg durch den Hausflur in ihr Wohnzimmer. Alles ist bereit für den kleinen Jungen, der in ihrem Bauch nur noch auf seinen großen Tag wartet: Windeleimer, selbstgenähte Strampler, sogar kleine Söckchen liegen verpackt im Regal im Wohnzimmer.

Ihr Mann Yannik ist Feuerwehrmann und nur alle zwei Tage zu Hause, einige Stunden verbringt Johanna also allein zu Hause. Gemeinsam mit ihrem Hund lebt die junge Familie in Gelsenkirchen. Sie müssen am eigenen Leib erfahren, wie es ist, wenn man zu Zeiten einer Pandemie ein Kind erwartet.

Viele Schwangere teilen zurzeit Johannas Schicksal. Foto: Anastasiia Chepinska

Tschüss Hebamme

Ist man erst mal schwanger, kommen einige Termine auf einen zu. Schon früh hat sich Johanna um eine Hebamme gekümmert. Kurz nachdem sie ihre Hebamme kennengelernt hat, brach die Pandemie aus. Alle Folgetermine wurden bis auf weiteres abgesagt, alles was bleibt, sind Telefonate. Die Enttäuschung merkt man Johanna an ihren Sprechpausen an. All die persönlichen Fragen sollen seither völlig unpersönlich per Telefon geklärt werden – für die 28-Jährige kein schönes Gefühl.

Plötzlich bist du allein mit deinen Fragen. Die Ängste kann dir auch kein Telefonat nehmen, sowas muss face-to-face passieren.

Zeit sich umzusetzen – In der 38. Schwangerschaftswoche kann Johanna nicht mehr lange sitzen. Sie verteilt einige Flyer auf dem Tisch: Geburtsvorbereitung, Schwangerenschwimmen, Schwangeren-Yoga. Den dicksten der Flyer nimmt sie an sich. Es ist der grün-weiße Flyer für den Geburtsvorbereitungskurs. Gemeinsam mit ihrem Mann konnte sie den Kurs nur einmal besuchen, so oft wie möglich versuchen sie das zu Hause zu wiederholen, um wenigstens etwas davon zu haben.

Geburtsvorbereitung von zu Hause

Was macht man in so einem Kurs überhaupt? Zeit es auszuprobieren. Los geht es im Schneidersitz auf den Boden. Tief ein- und ganz langsam wieder ausatmen. Das soll während der Geburt die Wehen erleichtern. So weit, so gut.

Der zweite Teil dieser Übung ist etwas unangenehmer. Wieder tief einatmen. Dieses Mal wird allerdings lautstark mit einem tiefen „O“ ausgeatmet. Das soll den Kiefer entspannen und somit auch das Becken. Fühlt sich komisch an. Vermutlich fühlt man sich in einer Gruppe weniger merkwürdig, weil alle mitmachen.

Kontaktloser Austausch

Auch das Schwangerenschwimmen im Marienhospital in Gelsenkirchen findet nicht mehr statt. Darauf hat sich die werdende Mutter sehr gefreut, denn das wäre eine tolle Möglichkeit gewesen, sich mit anderen Schwangeren auszutauschen und dabei dem Zusatzgewicht für einige Minuten im Wasser zu entkommen. Sogar einen grünen Bikini mit sommerlichem Blumenmuster hat Johanna sich dafür gekauft. Verwendung gibt es dafür zurzeit aber nicht.  Nur Foren und Facebook-Gruppen bleiben ihr.

Frühzeitige Wehen

Erst vor kurzem musste Johanna vorzeitig in die Klinik. Stress hat verfrühte Wehen ausgelöst. Diese mussten für drei Tage überwacht werden. Trotz der Corona-Lockerungen war das Personal unterbesetzt und die Stimmung gereizt – hin und wieder wurde sie von den Schwestern vergessen. Auch um die Zimmernachbarin, die nach einer OP in den Nächten unter Komplikationen leidet und Hilfe braucht, muss sie sich selbst kümmern. Erst nach Stunden findet eine Schwester Zeit.

Wenn der Kreissaal ruft

Die Tasche ist gepackt und steht in der Ecke des modern eingerichteten Schlafzimmers. Die Füße eines kleinen blauen Stramplers schauen aus der Tasche raus. Das kleine weiße Beistellbett steht auch schon im Raum. Zumindest etwas ist bereit für die Geburt ihres Kindes.

Was allerdings nicht ganz klar ist: Kann die junge Familie ihr Glück in den ersten Stunden gemeinsam genießen? Bei der Geburt darf Yannik nur wenige Minuten dabei sein. Kurz vor der Entbindung darf er den Kreissaal betreten und muss ihn kurze Zeit später auch wieder verlassen. Ein Zustand, der der werdenden Mutter die Tränen in die Augen treibt. Darf sie das Glück nicht mit ihrem Mann teilen?

Die Anspannung vor der Geburt ist bei den meisten groß. Foto: Luma Pimentel

Die Verunsicherung ist groß, denn niemand weiß wie die Lage zur Geburt ihres Sohnes sein wird. Viele Frauen teilen die Sorgen von Johanna. Denn auch wenn das Kind da ist, nehmen die Einschränkungen nach aktuellem Stand kein Ende. Yannik darf nicht im Krankenhaus bleiben. Für wenige Stunden am Tag darf er seine Familie sehen, den Rest der Zeit verbringt er wartend zu Hause. Ein Zustand, der sich bis zur Geburt hoffentlich verbessert.

Unterstützung in dieser schwierigen Situation bietet die Caritas Gelsenkirchen.