Aufstehen, Frühstück machen, Laptop aufklappen und mit der Arbeit beginnen. So läuft normalerweise eine Arbeitstag in Zeiten von Corona ab. Doch was passiert, wenn diese gerade neu gewonnene Routine von einem Grundschüler komplett durcheinander gerüttelt wird – denn der muss ja auch noch unterrichtet werden?

Das Neue Normal? Bitte nicht! 

Aufgrund der Corona-Krise findet der Schulunterricht noch immer vorwiegend zuhause statt. Im sogenannten Homeschooling sollen Schülerinnen und Schüler die Aufgaben bearbeiten, die Lehrer ihnen per Email auftragen. Bestenfalls… Doch was, wenn das Kind noch nicht selbst in der Lage ist, diese Aufgaben zu lösen? Dann gibt es Abend immer eine Erkenntnis: Der Tag hat zu wenig Stunden.

„Es ist wahnsinnig anstrengend“ sagt Andre S. Er ist selbst in Homeoffice und betreut „nebenbei“ seinen Sechsjährigen im Homeschooling. „Das Jonglieren zwischen Arbeit und Schule kostet unheimlich viel Zeit und Mühe und sich auf beides 100-prozentig einzulassen ist quasi unmöglich. Irgendetwas von beidem bleibt immer auf der Stecke“. Er streichelt dem Kleinen über die blonden Haare, die schon etwas zu lang geworden sind. „Aber wir machen das Beste daraus, nicht wahr kleiner Mann?“ Der Junge lächelt seinen Vater liebevoll an und versinkt wieder in sein Spiel mit den Matchbox-Autos.

Privatschule? Da läuft es auch nicht besser

„Es ist einfach das Allerletzte“, schimpft die junge Mutter von zwei Kindern. Linus ist schulpflichtig und geht in die zweite Klasse einer Privatschule. Die jüngere Tochter besucht noch den Kindergarten. „Wir haben den Spaß schon letztes Jahr mitgemacht und jetzt läuft es auch nicht besser“. Aus dem Tornister ihres Sohnes zieht sie das Deutsch-Arbeitsheft der ersten Klasse heraus. „Linus ist zwar in der zweiten Klasse, aber die Bücher der ersten Klasse sind nicht durchgearbeitet. Die Schule kam nicht hinterher einen richtigen Umgang mit der Situation zu finden. Jetzt ist es auch nur suboptimal“. Energisch schlägt sie das Heft zu, um ihrer Wut Nachdruck zu verleihen.

Foto: pixabay/Steven Weither

Einige bleiben auf der Strecke. „Ich habe einigen Eltern empfohlen, dass ihre Kinder das Schuljahr wiederholen sollen. Ich meine damit nicht alle, aber die, die sowieso schon Probleme mit dem Stoff haben“, sagt Kai S. Er ist Mathelehrer an einem Gymnasium und unterrichtet Jugendliche von Klasse acht bis hin zu den Abiturjahrgängen. „Einige der Kinder würden gerne wiederholen, aber ihre Eltern erlauben es nicht. In deren Augen sieht, es so aus als hätte das eigene Kind versagt, oder wir als Lehrer. Er blickt verzweifelnd auf sein Handy „Ich biete den Jugendlichen jede Woche eine Online-Sprechstunden an. Diese wird aber fast gar nicht angenommen.“

Happy Familie? Von wegen…

Ein Viertel der Eltern, die ihre schulpflichtigen Kinder während der Pandemie von Zuhause betreuen und unterrichten, sehen durch das „Homeschooling“ eine  erhebliche Belastung der Beziehung zu ihren Kindern. Wissenschaftler der Uni Koblenz-Landau gehen davon aus, dass die Dunkelziffer sogar noch deutlich höher liegt. Sie führten vier Wochen eine Befragung unter Eltern durch, die diese ernüchternden Ergebnisse bestätigen.