Symbolbild (Foto: Philipp Reufer)

Ab dem 04. Januar 2022 sollen EU-weit diverse bunte Tattoofarben verboten werden. Grund dafür ist die REACH-Verordnung der EU. Die enthaltenen Chemikalien in den Farben stehen im Verdacht, gesundheitsgefährdend zu sein. Alternativen zu herkömmlichen Farben gibt es bislang nicht. Der Schaden für die Tattoo-Branche ist derzeit noch nicht absehbar.

Von Philipp Reufer

Angela Calamini ist Tätowiererin und Sachverständige für Tätowierungen & Permanent Make-up. Seit 28 Jahren leitet sie das Tattoo-Studio „Ink Beauty“ in der Recklinghäuser Altstadt. Wie viele andere Tätowierer ist auch sie über die neue REACH-Verordnung der EU verärgert. Diese besagt, dass ab Januar 2022 diverse bunte Tattoofarben EU-weit verboten werden sollen. Verschiedene Inhaltsstoffe wie Pigmente und Konservierungsstoffe stehen im Verdacht, gesundheitsschädigend zu sein. Sie sollen langfristige allergische Reaktionen sowie Krebs und andere genetische Mutationen verursachen. Die Entscheidung der EU hält Angela Calamini für unbegründet. „Ich arbeite seit 28 Jahren in der Tattoo-Branche und kann nicht über einen einzigen gravierenden Fall berichten“, erzählt sie. Auch Kunden müssten sich künftig auf mögliche Einschränkungen einstellen. „Aufwendige Motive müssen in mehreren Sitzungen gestochen werden. Wer dabei zum Beispiel gesundheitsbedingt eine Pause einlegen musste, der könnte das Tattoo am Ende nicht mehr rechtzeitig fertig bekommen“, sagt sie. Unliebsame Jugendsünden mit einem sogenannten Cover-up-Tattoo abzudecken könnte zudem deutlich schwerer werden, wenn nur noch wenige Schwarz- und Weißtöne verwendet werden dürfen.

Symbolbild (Foto: Lucas Lenzi | Unsplash)

Keine wissenschaftlichen Erkenntnisse vorhanden

Statistiken zufolge ist mehr als jeder fünfte Deutsche tätowiert. In einer Umfrage des Ipsos-Instituts gaben 21 Prozent der befragten Frauen und Männer an, ein oder mehrere Tattoos zu haben. Wissenschaftliche Studien zu gesundheitlichen Schäden durch Tattoos gibt es bislang jedoch nicht. Das bestätigt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in einer Stellungnahme vom 14. Oktober 2021. Dort heißt es, es sei „kaum etwas über unerwünschte Folgen bekannt, die mit der Injektion von Tätowiermitteln in die Haut verbunden sein können“. Neue Erkenntnisse soll jetzt eine aktuell durchgeführte Studie des Klinischen Studienzentrums für Haut- und Haarforschung an der Charité in Zusammenarbeit mit dem BfR bringen. Die REACH-Verordnung werde allerdings unabhängig von dieser umgesetzt, wie eine Sprecherin des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) auf Anfrage mitteilt.

Branche um Alternativen bemüht

Die Hersteller von Tätowiermitteln bemühen sich aktuell, die herkömmlichen Farben schnellstmöglich der EU-Verordnung anzupassen. Eine Alternative ist bislang jedoch nicht in Aussicht. Die zusätzlichen Kosten für die Branche, um die Chemikalien zu ersetzen, schätzt die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) auf jährlich 4,6 Millionen Euro. Der deutsche Schreibwarenhersteller Edding hat derweil begonnen selbst entwickelte EU-konforme Tattoofarben zu produzieren. Diese sollen auf sämtliche Konservierungsstoffe und andere gesundheitlich bedenklichen Inhaltsstoffe verzichten. Bereits im Oktober 2020 eröffnete das Unternehmen ein eigenes Tattoo-Studio in der Hamburger Innenstadt. Noch bevor das Studio eröffnet hat, habe es nach Angaben des Unternehmens dreistellige Terminanfragen gegeben.