Der Krieg in der Ukraine hat auch in Deutschland viele Auswirkungen. Eine Folge: Mehr Kunden, wo man keine Kunden haben möchte.
Meterlange Schlangen vor der Weseler Tafel bereiten Horst Maiß Sorge. „Mit dem Krieg hat sich die tägliche Zahl unserer Kunden verdoppelt“, erklärt der erste Vorsitzende des Vereins, „Wir können kaum noch alle ukrainischen Familien versorgen.“ Bundesweit kommen die Vereine deshalb an ihre Belastungsgrenzen. „Manche Standorte schaffen es aktuell nicht mehr, alle Hilfesuchenden zu unterstützen“, erklärt Jochen Brühl, Vorsitzender der Tafel Deutschland, „Entweder es fehlen Lebensmittel oder Helferinnen und Helfer. Die Situation ist in jeder Tafel etwas anders.“ Neben immer knapperen Lebensmittelvorräten zeigt sich in Wesel aber noch ein anderes Problem: Da oftmals Meldebescheinigung und Bedürftigkeitsnachweis fehlen, fehlt auch die vorgeschriebene Grundlage, um die Lebensmittel auszugeben.
Lebensmittelmangel trotz Spendenbereitschaft
„Die Spendenbereitschaft ist grundsätzlich gut“, schildert Maiß die aktuelle Situation, „Allerdings verbrauchen wir die Spenden, die früher für eine Woche gereicht haben, nun in einer halben Woche.“ 190 neue Kunden aus der Ukraine versorgt die Tafel nun neben ihren Stammkunden. Mittlerweile kommen so 65 Personen pro Tag – im Januar sind es dagegen noch 30-40 gewesen. Indem die Helfer weniger Obst, Gemüse und Backwaren in die Kisten packen, können sie zehn weitere Kunden versorgen. „Im Moment kommen wir noch einigermaßen über die Runden. Aber viel mehr können wir an den Portionen nicht abzwacken“, so Maiß.
Großer Andrang aus allen Richtungen
Ein großes Problem in Wesel sei, dass unter den 190 Geflüchteten auch Personen aus den benachbarten Städten Hünxe und Schermbeck kommen. „Für diese Gebiete sind aber die Tafeln Dinslaken und Dorsten zuständig“, so Maiß. „Genau dafür brauchen wir ihre Meldebescheinigung, die vielen noch fehlt.“ Swen Coralic, Pressesprecher der Stadt Wesel, zeigt sich über die Situation verwundert: „Wir haben aktuell rund 300 registrierte ukrainische Flüchtlinge in Wesel. Sie alle kommen zu uns an den Servicepoint Ukraine.“ Dort befinde sich auch die Meldestelle, bei der man unkompliziert seine Bescheinigung erhalte.
Fehlende Überbrückungshilfe im Registrierungsprozess
Auch den Andrang von ukrainischen Flüchtlingen bei der Tafel kann sich die Stadt nicht erklären: „Wir wissen nicht, woher die Flüchtlinge von der Tafel wissen. Bei uns beraten wir sie hinsichtlich der Meldestelle und weiteren Formalien. Deshalb können wir nur mutmaßen, dass jemand aus dem näheren Umfeld die Menschen auf das Angebot der Tafel hingewiesen hat.“ Jochen Brühl betont allerdings, dass sich hier ein bundesweites Problem zeigt: „Viele öffentliche Stellen verweisen direkt auf die Tafeln. Das können die Vereine aber gar nicht allein auffangen. Es bräuchte eine Überbrückungshilfe z.B. in Form von Lebensmittelgutscheinen. Denn die Registrierung aller Geflüchteten dauert. So kann es passieren, dass die Menschen zeitweise weder Geld noch Lebensmittel bekommen.“
Grundsätzlich können alle Flüchtlinge bei Bedürftigkeit Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sowie medizinische Versorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten. Nach Auskunft der Stadt wird dies in Form von Zahlungen auch umgesetzt. Wer berechtigt ist, bekomme außerdem eine Bedürftigkeitsbescheinigung. Diese ist besonders wichtig, da sie für die Tafel als Nachweis für Gemeinnützigkeit beim Finanzamt gilt. Wer eine Bescheinigung braucht, muss allerdings selbstständig nach dieser fragen.
Nicht mehr ohne Bescheinigung
„Wir können aktuell maximal noch 10-15 Familien aufnehmen“, erläutert Maiß den Ernst der Lage. „Schließlich kann ich niemanden nur mit einem Apfel nach Hause gehen lassen.“ Deshalb zieht die Weseler Tafel nun Konsequenzen: „Ab dieser Woche werden wir jeden wegschicken, der keine Meldebescheinigung vorlegen kann. Ab Juni brauchen wir dann auch die Bedürftigkeitsbescheinigung.“
Von Franziska Rother
Foto: Rother
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