Heute ist Flohmarkt in Münster, der erste nach zwei Jahren Corona-Pause. Doch bevor die Besucherscharen die über 300 Stände begutachten, spielt sich schon Stunden zuvor ein Spektakel ab.
Von Tim Schlüter
Es ist Samstag kurz nach halb fünf, eine Stunde vor Sonnenaufgang. Ein Schleier aus Dunkelheit und dezentem Kaffeegeruch liegt in der Luft. Während sich die meisten um diese Uhrzeit noch einmal im Bett umdrehen, herrscht hier auf der Promenade vor dem Schlossplatz schon Betrieb. Voll beladene Transporter stehen mitten auf der etwa 6 Meter schmalen Promenade, auf der Autos normalerweise verboten sind. Jedoch nicht an diesem Morgen, denn die bis an die Decke gestapelten Kartons müssen von den Verkäufern ausgeladen und ausgepackt werden.
Einer von ihnen ist Stefan, den alle nur Steff nennen. Er kommt seit über 20 Jahren zum Flohmarkt und verkauft dort seine handgefertigten Holzfiguren und Dekoartikel. Mit seinen schulterlangen grauen Haaren und grauen Socken in schwarzen Sandalen passt er ins Bild. Wie alle Verkäufer ist auch er schon seit einigen Stunden auf den Beinen. Die Aufstelltische und seine Ware hat er in seinem weißen Transporter gelagert, den er auf dem Schlossplatz, etwa 15 Meter von der Promenade entfernt, geparkt hat. Leicht angestrengt schleppt er die weißen Klapptische: „In Münster ist es sehr eng. Auf anderen Flohmärkten kann ich meinen Bulli direkt hinter meinen Stand parken.“ Vier Meter hat Steff insgesamt zur Verfügung, keinen Zentimeter mehr. Die in Rot gesprayten Linien auf dem Asphalt geben eine klare Begrenzung vor. „Die Anfänger überschreiten manchmal ihre Markierung. 40 Zentimeter sorgen dann schon für ein riesiges Chaos“, erzählt Steff.
Vom Anfänger bis zum Profi-Verkäufer
Der Promenaden-Flohmarkt in Münster ist in zwei Bereiche unterteilt. Steff steht am nördlichen Abschnitt der Promenade, vor dem Schloss. Dort ist der Bereich für die professionellen Verkäufer. Etwa hundert Meter weiter südlich beginnt der Bereich für die privaten Verkäufer.
Auf dem Flohmarkt bietet er jedoch keine Waren aus seinem Shop an. „Früher ging das noch, da war das Interesse an Australien groß. Heute ist das nichts Besonderes mehr“, sagt er und zuckt mit den Schultern. An seiner Begeisterung für Flohmärkte hat das schwindende Interesse nichts geändert, das merkt man ihm zu jeder Sekunde an. Wenn er in seiner brauner Cargo Hose, an der sein Kellner-Portemonnaie voller Kleingeld hängt, hinter seinem Stand mit den Besuchern verhandelt, ist er ganz in seinem Element.
Der Plausch gehört einfach dazu
Gerade unterhält sich Steff mit einer älteren Dame und ihrer Tochter. Der braune Holzhocker, der genau in der Mitte vor seinem Stand auf dem Boden steht, ist das Objekt der Begierde. Die beiden flüstern sich mit vorgehaltener Hand gegeneinander zu. Sie sind angesichts der 45 Euro noch unsicher. Steff läuft sofort einmal um seinen Stand herum, direkt zu den beiden Frauen und bricht das Eis: „Klar 45 Euro sind 45 Euro, aber woanders bekommen sie den auch nicht günstiger. Wenn Sie den noch mit Öl einreiben, sieht der noch besser aus.“ Danach entwickelt zwischen Steff und der Mutter ein lebhaftes Gespräch darüber, welches Öl doch das Beste wäre. Beide können sich anschließend auf die 45 Euro und Leinöl einigen. Manchmal könne es aber auch ganz laufen, berichtet Steff. „Manche wollen dann eine 150 Euro teure Vase für 20 Euro haben und pflaumen einen dann an. Solche Typen haste aber immer dabei.“
„Die Menschen in Münster sind einfach freundlich“
Gutes Geld verdient er mit seinem Flohmarkt-Stand nicht, gibt er zu: „Ich bin froh, wenn ich meine 200 Euro einnehme und damit Standgebühren wieder reinkriege.“ Dennoch kommt er Jahr für Jahr wieder, aus einem einfachen Grund: „Es macht mir einfach Spaß. Die Menschen, vor allem hier in Münster, sind einfach freundlich und man kommt immer in ein nettes Gespräch.“Gegen halb acht erweckt der Flohmarkt langsam zum Leben. Kaffee-Thermoskannen weichen Einkaufstaschen aus Stoff, der Crêpes-Stand zieht seine Rollos hoch und die Promenade füllt sich allmählich. Und sogar das Wetter spielt an diesem Morgen mit. „Guck mal blauer Himmel!“, freut sich Steff, als hätte er es die ganze Zeit gewusst. Von links nähern sich langsam die nächsten Interessenten seinem Stand.
Er lächelt.
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