Zahl junger Drogentoter hat sich mehr als verdoppelt
„Gib mir Tilidin, ja, ich könnte was gebrauchen. Wodka-E, um die Sorgen zu ersaufen und das Leben ist zu kurz, um nicht zu rauchen“, heißt es in einem beliebten Song von Rapper Capital Bra zusammen mit Samra. Bei Bra und Samra spielen verschiedene Drogen eine große Rolle. Doch bei Jugendlichen ist der Konsum von Zigaretten und Alkohol in letzter Zeit zurückgegangen. Trotzdem hat sich Zahl der Jugendlichen, die durch Drogen gestorben sind, laut einer Recherche von STRG_F zwischen 2019 und 2021 mehr als verdoppelt.
Von Sina Norbeteit und Marie Duda
Die Erwachsenen machen es vor, die Jungen ziehen nach
Bei den Erwachsenen steigt die Zahl der Todesfälle aufgrund von Rauschmitteln bereits seit 2017 kontinuierlich. Immer mehr Menschen verlieren den Kampf gegen die illegalen Substanzen. 2021 erreichte die Opferzahl einen neuen Höhepunkt: 1.826 Menschen sind in diesem Jahr an illegalen Drogen, wie Heroin und anderen Opioiden gestorben.
Oft fehle es an Unterstützungsoptionen und Auffangmechanismen, so Burkhart Blienert, Sucht- und Drogenbeauftragter der Bundesregierung in einer offiziellen Pressemitteilung der Bundesregierung. Es sei besonders wichtig, Hilfe, Beratungs- und Schutzangebote für alle Betroffenen zu finanzieren und für suchtkranke Menschen erreichbar zu machen.
Und obwohl das Durchschnittsalter der an Drogen verstorbenen Menschen bei ungefähr 40 Jahren liegt, tappen auch viele Jugendliche in die Drogenfalle.
Zahl junger Drogentoter verdoppelt sich
Laut Recherchen des öffentlich-rechtlichen Formates STRG_F (NDR/funk) sind im Jahr 2021 in Deutschland 131 Menschen, unter 22 Jahren, an den Folgen ihres Drogenkonsums gestorben. Darunter waren drei Kinder bis einschließlich 13 Jahren. Zwischen 2016 und 2019 waren es pro Jahr noch zwischen 44 und 59 Drogentote bis einschließlich 21 Jahre, 2020 waren es 78. Bei diesen Zahlen sind alkoholbedingte Todesfälle nicht berücksichtigt. Die Journalisten von STRG_F haben die Zahlen von allen deutschen Bundesländern angefragt. Hintergrund der Abfrage ist ein Film von STRG_F, in dem es um illegale Rave-Partys geht. Nach einem solchen Rave in einem Bunker bei Köln war im August 2022 ein 20-Jähriger gestorben – offenbar an einer Überdosierung von illegalen Substanzen. Allerdings ist die Todesursache noch nicht abschließend geklärt. Kurz nach diesem Vorfall waren Gerüchte aufgekommen, dem jungen Mann sei zu spät geholfen worden, weil die anderen Feiernden gezögert hätten, den Notruf zu wählen.
„Das sind bedauerliche Zahlen.“
Timo Bartkowiak ist Sozialpädagoge beim Suchthilfeverbund Duisburg e.V. und hat sich auf die Arbeit mit Jugendlichen spezialisiert. Zu der Recherche von STRG_F sagt er: „Das sind bedauerliche Zahlen. Gar keine Frage. Da müssen meiner Meinung nach auf jeden Fall strukturelle und politische Konsequenzen gezogen werden.“ Bartkowiak wünscht sich, besonders in seinem Arbeitsgebiet Duisburg, unter anderem einen geregelten Konsumraum und mehr Streetworker. Der Sozialpädagoge sieht die Art und Weise des Konsums als möglichen Grund dafür, dass die Hemmschwelle für härtere Drogen bei Jugendlichen gesunken ist: „Wenn ich mir ein synthetisches Cannabinoid als Liquid zuführe, kann ich das in der Öffentlichkeit machen. Das sieht erstmal völlig unverfänglich aus. Das könnte ein Grund sein, warum da die Hemmschwelle gefallen ist, härtere Drogen zu konsumieren.“ Dazu komme die Verharmlosung von harten Drogen in Subkulturen, wie der Rap-Szene und der offene Umgang mit illegalen Substanzen in sozialen Netzwerken wie TikTok und Co. So kommen auch schon die jüngsten in Kontakt mit synthetischen Cannabinoiden in Vaporizern, starken Betäubungsmitteln oder Aufputschmitteln wie LSD oder Ecstasy. Timo Bartkowiak versucht deswegen bei seiner Arbeit immer zuerst einen Zugang zu den Jugendlichen zu finden: „Bei der Beratung ist die Herausforderung, eine Schnittstelle zu finden zwischen Aufklären auf der einen Seite, aber auf der anderen Seite nicht predigend zu wirken. Ganz oft geht es auch schnell um andere Themen und nicht mehr nur um den Drogenkonsum.“
Neuer Trend: Die Sorgen mit Drogen betäuben?
Es ist hauptsächlich Präventionsarbeit, die Bartkowiak in der Suchtberatungsstelle in Duisburg leistet. Laut den Zahlen von STRG_F endet der Konsum für die Jugendlichen immer häufiger tödlich. Hilfsangebote sind im Infokasten zu finden. Gerade durch die Coronapandemie haben die psychischen Belastungen von Jugendlichen zugenommen und der Trend zeigt, dass immer mehr von ihnen versuchen, die Sorgen durch Drogen zu betäuben.
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