Unfälle unter dem Einfluss berauschender Mittel

„Don’t Drink and Drive“ – Diese Vorschrift ist auf nahezu allen alkoholischen Getränken abgedruckt und jeder weiß, dass man alkoholisiert nicht Auto fahren sollte. Warum vor allem junge Menschen trotzdem immer wieder an Alkoholunfällen beteiligt sind

Ein Artikel von Pauline Cox, Theresa Kristofic und Astrid Witte

Stell dir vor, es ist Freitag, 3 Uhr nachts und du bist auf einer Party. Du hast ordentlich gefeiert und auch einiges an Alkohol getrunken. Langsam wirst du müde und möchtest nach Hause. Dein Auto steht vor der Tür, doch auf dem Weg dorthin merkst du, dass dir schwindelig ist und es dir schwerfällt, geradeaus zu gehen. Aber wie gesagt, du bist müde, möchtest nach Hause und dein Auto steht verlockend vor der Tür. Steigst du hinter das Steuer?

Immer wieder machen Menschen genau das und setzen sich alkoholisiert ins Auto. Vor allem Bequemlichkeit ist der Grund dafür. „Die meisten Trunkenheitsfahrten finden nachts statt, wenn öffentliche Verkehrsmittel kaum noch fahren und das Taxi zu teuer ist“, sagt Verkehrspsychologe Michael Haeser. Kommt es dann zu einem Unfall, fällt dieser in die Kategorie „Unfälle unter dem Einfluss berauschender Mittel“. Eine gewisse Fahrunsicherheit wird laut Haeser zwar durchaus wahrgenommen, aber „der Zweck heiligt alle Mittel“.

Anzahl alkoholbedingter Verkehrsunfälle in Deutschland geht zurück

Ein Unfall gilt dann als Alkoholunfall, wenn mindestens einer der Beteiligten alkoholisiert war. Um dies einheitlich feststellen zu können, gibt es seit dem 1. Mai 1998 einen gesetzlichen Gefahrengrenzwert. Dieser liegt bei 0,5 Promille im Blut. Allerdings kann die Polizei auffällig gewordene Verkehrsteilnehmer auch schon ab einem Blutalkoholgehalt von mindestens 0,3 Promille als alkoholbeeinflusst einstufen.

Das Statistische Bundesamt zeigt in Zeitreihen wie sich die Anzahl der Alkoholunfälle mit Personenschaden entwickelt. Daraus geht hervor, dass die Anzahl der Alkoholunfälle zwischen 1998 und 2021 zwar um knapp 55% zurückgegangen ist, die Zahlen allerdings immer noch auf einem hohen Niveau sind. 2021 wurden 32.453 Verkehrsunfälle unter Alkoholeinfluss polizeilich erfasst. Bei rund 42% dieser Unfälle wurden Menschen verletzt oder getötet.

Im Jahresvergleich passierten 2020 bisher die wenigsten Unfälle (siehe Abb. 1). Allerdings hat die Corona-Pandemie mit ihren Lockdowns für eine andere Ausgangssituation gesorgt als in den Vorjahren. Denn da keine Feiern und Veranstaltungen stattfinden durften, gab es auch deutlich weniger Gelegenheiten, um Alkohol zu trinken und anschließend noch Auto zu fahren.

Haeser weist darauf hin, dass es neben solchen Geselligkeitstrinkern auch noch die Individualtrinker gibt, die für ihn eine deutlich größere Gefahr sind. „Geselligkeitstrinker werden meistens von der Gruppe vom Fahren abgehalten. Aber wenn Individualtrinker zum Beispiel dringend Zigaretten brauchen oder sich gar Nachschub holen müssen, schrecken sie auch nicht davor zurück, mit dem Auto zu fahren.“

Alkoholisierte Männer zwischen 25 und 34 Jahren verursachen die meisten Alkoholunfälle mit Personenschaden

Viele der alkoholisierten Unfallbeteiligten 2020 in Deutschland waren relativ jung. So waren 2.183 alkoholisierte Beteiligte zwischen 18 und 24 Jahre alt. Die 25- bis 34-Jährigen machen mit 24% den größten Anteil aus. In den darüberliegenden Altersgruppen nimmt die Zahl der alkoholisierten Unfallbeteiligten mit zunehmendem Alter ab. Das heißt jedoch nicht automatisch, dass diese Altersgruppen weniger häufig alkoholisiert Auto fahren. Stattdessen ist zu berücksichtigen, dass Polizeibeamte alkoholbedingte Ausfallerscheinungen umso schwieriger erkennen können, je länger eine Person an Alkohol gewöhnt ist.

Viele junge Verunglückte

Männer zwischen 25 und 35 Jahren sind allerdings nicht nur besonders häufig alkoholisiert für Unfälle verantwortlich, sondern verunglücken auch am häufigsten im Straßenverkehr. 2021 wurden 32.614 Männer zwischen 25 und 35 Jahren verletzt oder getötet.
 Auch bei den Frauen stammen die meisten Verunglückten aus dieser Altersgruppe. 2021 waren es 23.347 Frauen.

Dennoch zeigt die Entwicklung, dass die Zahl der Verunglückten in den meisten Altersgruppen abnimmt (siehe Abb. 2).

Auch andere berauschende Mittel führen zu Verkehrsunfällen

Unfälle, die auf Drogen oder andere berauschende Substanzen zurückgeführt werden können, fallen ebenfalls in die Kategorie „Unfälle unter dem Einfluss berauschender Mittel“. Anders als bei den Alkoholunfällen gibt es jedoch keine Grenzwerte und es reicht aus, wenn „Drogen“ nachgewiesen werden können.

2021 wurden in Deutschland 2.409 Verkehrsunfälle mit Personenschaden unter dem Einfluss anderer berauschender Mittel polizeilich erfasst. Dabei wurden 53 Menschen getötet und 3.184 Menschen verletzt.
 Anhand der Droge, die ein Konsument zu sich genommen hat, unterscheidet Haeser zwischen zwei Typen von Konsumenten. „Besonders bekannt ist der Cannabis-Konsument, der sich vor dem Zubettgehen noch einen Joint dreht und am nächsten Morgen unter der Restwirkung fährt. Hochsuchtpotente Drogen wie Amphetamine oder Kokain werden dagegen bewusst morgens wegen der Leistungssteigerung gezogen.“
 Während der Cannabis-Konsument also nicht mehr plant am Straßenverkehr teilzunehmen, handelt es sich nach dem Konsum von Amphetaminen oder Kokain um eine vorsätzliche Fahrt.

Zusätzlich zu den ohnehin hohen Zahlen liegt eine hohe Dunkelziffer vor. Darauf weist das Statistische Bundesamt hin. Denn sehr wahrscheinlich hat auch ein überdurchschnittlich hoher Anteil unfallflüchtiger Verkehrsteilnehmer berauschende Mittel zu sich genommen. Hinzu kommt, dass Alleinunfälle, an denen nur der möglicherweise unter Drogen stehende Fahrer beteiligt war, häufig nicht der Polizei gemeldet werden.

Mehr Aufklärungsarbeit ist nötig

Anders als der Konsum harter oder illegaler Drogen ist der Genuss von Alkohol gesellschaftlich weit akzeptiert. Das merkt man schon daran, dass eher das Nicht-Trinken negativ auffällt und sich Menschen, die keinen Alkohol trinken möchten, immer wieder rechtfertigen müssen. Vor allem Frauen werden dann auch häufig mit der Frage „Bist du schwanger?“ konfrontiert. Dass jemand ohne Grund keinen Alkohol trinkt, wird nur sehr selten einfach so hingenommen. „Daher hat auch die Gesellschaft eine gewisse Mitschuld an der hohen Zahl der Alkohol- und Drogenunfälle“, meint Verkehrspsychologe Michael Haeser.

Um über die Folgen von Drogen- und Alkoholkonsum im Straßenverkehr aufzuklären, stellen unter anderem die Polizei und die Deutsche Verkehrswacht seit Jahrzehnten kostenlose Aufklärungsprogramme zur Verfügung. „Im Schulunterricht verwendet werden diese Programme jedoch meistens nicht“, erläutert Haeser.

Quellen zur Gewährleistung der Transparenz:

Statistisches Bundesamt, Verkehrsunfälle Zeitreihen 2021, S. 156, S. 191 und S. 200

Statistisches Bundesamt, Verkehrsunfälle – Unfälle unter dem Einfluss von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln im Straßenverkehr 2020, S. 11

Verkehrsunfallkalender des Statistischen Bundesamtes

Verkehrspsychologe Michael Haeser aus Duisburg 

https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Verkehrsunfaelle/Publikationen/Downloads-Verkehrsunfaelle/verkehrsunfaelle-zeitreihen-pdf-5462403.pdf?__blob=publicationFile (S. 191)

https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Verkehrsunfaelle/Publikationen/Downloads-Verkehrsunfaelle/unfaelle-alkohol-5462404207004.pdf?__blob=publicationFile (S. 11)

https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Verkehrsunfaelle/Publikationen/Downloads-Verkehrsunfaelle/verkehrsunfaelle-zeitreihen-pdf-5462403.pdf?__blob=publicationFile (S. 156)https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Verkehrsunfaelle/Publikationen/Downloads-Verkehrsunfaelle/verkehrsunfaelle-zeitreihen-pdf-5462403.pdf?__blob=publicationFile (S. 200)