In Folge des Ukraine-Krieges explodierten die Preise an den deutschen Tankstellen.  Wie genau hängen Ukraine-Krieg und unsere Spritpreise zusammen? Welche Rolle spielen die Ölkonzerne? Wie fällt das Resümee zum Tankrabatt aus? Warum sind die Spritpreise zurzeit wieder niedriger? Und vor allem: Wie geht es 2023 weiter?

von Celine Gouveia Pereira, Charlotte Schuster und Florian Doetsch

Im Moment können Autofahrer zumindest etwas durchatmen: Neben zwar hohen Energie- und Lebensmittelkosten sind immerhin die Preise an den Tankstellen wieder niedriger. So liegt der Literpreis für Super E10 bundesweit am 14.01.2022 bei 1,65€, Diesel bei 1,81€. Doch klar ist: Auf das ganze Jahr 2022 betrachtet waren die Preise nie höher: Der ADAC hat die Durchschnittspreise von Super E10 und Diesel der letzten 12 Monate an den rund 14.000 deutschen Tankstellen gemessen. Er spricht von einem neuen Rekord-Tank-Jahr.

Ein (un)würdiger Nachfolger für das bisherige Rekord-Tank-Jahr

Das ist das Jahr 2022 allemal: Im bisherigen Rekord-Jahr 2012 zahlten Autofahrer für Super E10 durchschnittlich 1,589 Euro pro Liter, für Diesel 1,478 Euro. Interessant dabei: Im vergangenen Jahr gab es keinen Tag, an dem auch nur eine der Spritsorten billiger war

Schauen wir auf die Ursachen: 2012 sorgten besonders zwei Faktoren für teuren Sprit an den Tankstellen. Erstens waren die Rohölpreise hoch, was besonders auf die Spannungen zwischen den westlichen Ländern und dem Iran wegen dessen Atomprogramm zurückzuführen war. Zweitens sorgten die Mineralölkonzerne mit ihrem Gewinnstreben für hohe Spritpreise, erklärte damals der ADAC. Zwei Faktoren, die auch in diesem Jahr wieder eine große Rolle spielen. Mit dem feinen Unterschied, dass die damalige politische Spannung heute ein Krieg ist und Deutschland weitaus abhängiger von russischem Öl ist als damals von iranischem.

Nach dem teuren Tank-Jahr 2012 wurde im Sommer des darauffolgenden Jahres die Markttransparenzstelle für Kraftstoffe eingeführt. An sie müssen die Tankstellen-Betreiber Preisänderungen bei den gängigen Kraftstoffsorten in Echtzeit melden. Diese Informationen landen etwa in Tank-Apps, die Kunden dann nutzen können, um noch preisbewusster tanken zu können.  

FEBRUAR 2022: Warum steigen in Deutschland die Spritpreise, wenn Wladimir Putin die Ukraine angreift?

Gründe für die hohen Spritkosten gibt es laut ADAC-Unternehmenssprecherin Katharina Lucà viele: „Lieferengpässe, Pandemie, Niedrigwasser am Rhein, Nachfrage der Industrie nach Diesel und die extrem hohe Nachfrage an Heizöl von allen Seiten“.  Hauptgrund sei aber der Ukraine-Krieg. Doch wie genau hängt der russische Angriffskrieg mit den Preisen an unseren Tankstellen zusammen? Hierfür schauen wir uns die grobe Zusammensetzung des Benzinpreises an:

Eine immer gültige Zusammensetzung des Benzinpreises lässt sich nicht festlegen, die einzelnen Anteile können schwanken. Quintessenz ist aber, dass der Ölpreis einen erheblichen Anteil am Spritpreis hat: Wer Benzin produziert, braucht Erdöl. Dieses Öl bekommen Unternehmen in großen Mengen aus Russland. Das Land ist einer der größten Öl-Exporteure der Welt. Auch Deutschland hat laut Eurostat im Januar noch rund 3,3 Millionen Tonnen aus Russland bezogen. Im Oktober 2022 waren es nur noch rund 1,9 Millionen Tonnen.

Es gilt also: Steigt der Ölpreis, steigt auch der Benzinpreis. Mit Beginn des Ukraine-Kriegs ist genau das passiert. Aber warum eigentlich? Der Ölpreis reagiert sehr sensibel auf Krisen. Bei Unsicherheiten steigt der Preis meist sofort an. Und davon gab es viele – besonders zu Beginn des Krieges: Der Westen diskutierte, ob es nicht besser wäre, sämtliche Importe aus Russland zu stoppen. Aber auch auf russischer Seite: Die Ukraine kann zurückschlagen und Raffinerien beschädigt werden. All diese Unruhen spiegeln sich im Öl-Preis wider.

APRIL – JUNI 2022: Hohe Gewinne für Öl-Konzerne

Nicht unerwähnt darf die Rolle der Mineralölkonzerne um BP, Total und Co bleiben: Der weltweite Ölpreis sank nach Kriegsbeginn wieder ziemlich rasant – die Preise an den Tankstellen blieben trotzdem oben. Es kommt daher wahrscheinlich nicht von ungefähr, dass die Öl-Riesen ExxonMobile, Chevron, Shell und Total besonders hohe Gewinne im zweiten Quartal 2022 verzeichneten. Auch das Bundeskartellamt ist darauf aufmerksam geworden und startete erste Untersuchungen. In ihrem Zwischenbericht von November 2022 erklärt die Wettbewerbsbehörde, dass sich zwar diese Entwicklung nicht allein auf Kostensteigerungen zurückführen lasse. Man könne aber nach geltender Rechtslage nur einschreiten, wenn ein Anfangsverdacht auf ein kartellrechtswidriges Verhalten vorliege. Hohe Preise und hohe Unternehmensgewinne seien noch kein ausreichendes Indiz.

JUNI – AUGUST 2022: Der Tankrabatt

Durch die Senkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe (oder kurz Tankrabatt) konnten die Menschen in Deutschland in den Sommermonaten zumindest etwas durchatmen beim Tanken. Zwar sanken die Preise, doch gerade der ADAC sieht den Tankrabatt zwiespältig und kritisiert, dass die Steuersenkung insgesamt nicht vollständig an die Verbraucher weitergegeben worden sei. Für die Zukunft wünsche man sich eher eine breite Gesamtentlastung, denn auch Kosten für Wärme und Strom steigen.

Jahresende 2022: Warum sind die Preise wieder niedriger?

Nach Ende des Tankrabatts sind die Spritpreise erneut gestiegen und befanden sich im September mit 1,94 Euro pro Liter Super E10 auf einem noch höheren Niveau als vor Senkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe. Diese Entwicklung ging ab Oktober 2022 zurück – ab diesem Zeitpunkt sanken die Spritpreise kontinuierlich auf ein Tief von 1,69 Euro pro Liter Super E10 im Dezember. Grund dafür ist mitunter die Entwicklung des Rohölpreises. Der Preis für ein Barrel ist gegenüber dem Sommer um 10 Prozent gesunken. Beim Diesel gibt es eine Besonderheit: Dessen Preis ist an den von Heizöl gekoppelt, da sich die beiden Produkte sehr ähnlich sind. Wegen der Energiekrise ist die Nachfrage nach Heizöl zum Jahresende deutlich heruntergegangen. Das mag widersprüchlich, ist jedoch damit zu erklären, dass viele Hausbesitzer offenbar aus Angst vor weiter steigenden Preisen oder Heizölknappheit ihre Tanks bereits vor dem Winter gefüllt haben. Grundsätzlich senken die Mineralölunternehmen die Preise, weil die Nachfrage nachlässt: Die Lebenshaltungskosten für Verbraucher sind hoch. Dadurch sinkt die Nachfrage nach Sprit – nicht jeder kann sich mehr das regelmäßige Tanken erlauben. 

2023: Ausblick auf das neue Jahr

Das Jahr 2023 hat bei Autofahrern in Deutschland bereits früh für Angst gesorgt – es sollte eine Erhöhung bei Benzin- und Dieselkraftstoffen in Kraft treten. Die geplante Erhöhung des CO2-Preises, der sich auch auf Benzin und Co. niederschlägt, ist von 2023 auf 2024 verschoben worden. Einige Gründe sprechen dafür, dass die Tendenz der sinkenden Spritpreise 2023 fortgeführt werden könnte. Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) rechnet damit, dass in der Deutschen Wirtschaft ein Stillstand im Wachstum zu erwarten ist, welcher weiter sinkende Ölpreise begünstigt. Begünstigend könnte außerdem die Entwicklung des Dieselpreises sein, da gerade dieser seinem Vorkriegspreis noch weit entfernt ist.

Jürgen Albrecht, Kraftstoffmarktexperte des ADAC, teilte Focus mit, er erwarte eine Normalisierung beim Dieselpreis. Dadurch würde sich der Transport von Nahrungsmitteln und anderer Güter wieder verbilligen, was wiederum Preissenkungen in verschiedensten Bereichen hervorrufen könnte. Eine endgültige Prognose für das Jahr 2023 kann der ADAC zu diesem Zeitpunkt nicht geben, wie uns ADAC-Unternehmenssprecherin Katharina Lucà mitteilt. Zu viel hänge von der Situation in der Ukraine, der Konjunktur weltweit und auch der Winterkälte ab.