Jede dritte Frau in Deutschland wird in ihrem Leben Opfer körperlicher oder sexualisierter Gewalt. Die Täter sind meist aktuelle oder frühere (Ehe-) Partner.

Lee-Nicole Möhl, Tanja Nesmaschny

Nadja Schwarz (Name geändert) kassierte täglich Schläge von Ihrem Ex-Mann. Ihn anzuzeigen war für sie keine Option. Grund dafür: Angst und Scham.

Sie waren jung als sie sich verliebten. Nadja und ihr Ex-Mann kannten sich bereits aus der Grundschule. Er war der perfekte Mann zum Heiraten. Doch bereits nach einigen Monaten als frisch-vermähltes Paar, fängt er an sie zu schlagen. Immer wieder ist Alkohol die Basis für einen Streit und die aggressiven Vorfälle. Als einer ihrer Söhne mit ansehen muss, wie sie von dessen Vater gegen die Waschmaschine geschleudert wird, beendet sie das Fiasko. In dieser Nacht zieht sie mit ihren zwei Kindern in eine 250 Kilometer entfernte Kleinstadt und gibt die 15-jährige Ehe auf.
 

Fallzahlen der Opfer von Partnerschaftsgewalt

Im Jahr 2021 wurden 143.016 Fälle von Gewalt in Partnerschaften in Deutschland gemeldet. Das sind rund 2,5 Prozent weniger als im Vorjahr (2020: 146.655). Verglichen mit 2017 stieg die Zahl jedoch um 3,4 Prozent an.

Aufteilung der Delikte von Partnerschaftsgewalt

Die Opfer bleiben traumatisiert, verängstigt und allein mit ihren Sorgen zurück. Zur Polizei zu gehen war auch für Nadja keine Lösung. Dies spiegelt wider, dass die Dunkelziffer an häuslicher Gewalt an Frauen deutlich höher ist, denn nur 20 Prozent der Delikte gehen bei den Behörden ein. Die häufigsten Delikte sind: vorsätzliche, einfache Körperverletzung (knapp 60 Prozent), Bedrohung, Stalking, Nötigung mit 24 Prozent sowie gefährliche Körperverletzung mit 12 Prozent und Vergewaltigung und sexuelle Nötigung mit 2,5 Prozent, so eine Statistik des Bundeskriminalamts zur Partnerschaftsgewalt. Viele Opfer zeigen die Taten nicht an, weil sie sich schämen oder fürchten nicht ernst genommen zu werden. Auch Familienmitglieder erfahren meist viel zu spät von gewalttätigen Szenen. Die geschädigten Frauen denken es sei ihre Schuld und fühlen sich als Versagerinnen ihrer Partnerschaft.

Häusliche Gewalt an Frauen in der Corona-Pandemie

Im Rahmen einer Studie der TU München wurden rund 3.800 Frauen zwischen 18 und 65 Jahren befragt, ob sie während der Corona-bedingten Beschränkungen Opfer häuslicher Gewalt geworden sind. Die Studie ergab, dass rund 3 Prozent der Frauen Opfer häuslicher Gewalt wurden, 3,6 Prozent wurden Opfer einer Vergewaltigung durch ihren Partner. Auch Kinder waren Leittragende der Ausgangsbeschränkungen. Sie wurden in 6,5 Prozent aller Haushalte in Deutschland körperlich bestraft. Armut, finanzielle Sorgen sowie prekäre Lebenssituationen sind Risikofaktoren für familiäre, gewaltsame Auseinandersetzungen. Die Umstände während der Pandemie haben möglicherweise das Meldeverhalten der Opfer durch Dritte beeinflusst. Ohne polizeiliche Registrierung kann kein Anstieg des tatsächlichen Ausmaßes von Gewalt in der Partnerschaft festgehalten werden. Dafür sprechen Auswertungen des bundesweiten Hilfetelefons „Gewalt gegen Frauen“. Diese machen deutlich, dass die Zahlen der Beratungskontakte in der Pandemie angestiegen sind.


 Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ – Beratungsaufkommen bleibt hoch

Im Jahr 2021 notierte das das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ mit 54.000 Beratungen einen Anstieg von 5 Prozent, gegenüber dem Vorjahr. 2020 hatte es einen Anstieg um 15 Prozent gegeben. Seit Beginn der Corona-Pandemie ist das Beratungsaufkommen konstant hoch. Täglich erreichen etwa 72 Anrufe die Beraterinnen des Hilfetelefons, in der Gewalt durch den (Ex-) Partner eine Rolle spielt. In 60 Prozent der Fälle geht es in den Beratungen um häusliche Gewalt in Paarbeziehungen. Ursache für das erhöhte Aufkommen an Anrufen und die damit verbundene Gewaltbereitschaft sind nicht die corona-bedingten Einschränkungen allein, jedoch zeigen sie das konfliktbehaftete Situationen schneller eskalieren und sich die Übergriffe häufen. Anlaufstellen für Frauen, die Gewalt erlebt haben, sind Frauenhäuser. Diese vermerkten ebenfalls eine höhere Nachfrage an dem Hilfsangebot. Die Zentrale Informationsstelle autonomer Frauenhäuser (ZIF) fordert von den staatlichen Stellen neue Finanzierungs- und Hilfekonzepte zum Schutz von Frauen und Kindern in häuslicher und sexualisierter Gewalt.

Quellen

https://www.hilfetelefon.de/fileadmin/content/04_Materialien/1_Materialien_Bestellen/Jahresberichte/2021/Hilfetelefon_GewaltgegenFrauen_Das-Jahr-2021-in-Zahlen_web.pdf

https://www.bmfsfj.de/resource/blob/93970/957833aefeaf612d9806caf1d147416b/gewalt-paarbeziehungen-data.pdf

file:///C:/Users/ExpertHX/Downloads/Partnerschaftsgewalt_2021.pdf

https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/aktuelles/alle-meldungen/lisa-paus-und-nancy-faeser-stellen-zahlen-zu-gewalt-in-partnerschaften-vor-205244

https://jugendhilfeportal.de/artikel/erste-grosse-studie-zur-haeuslichen-gewalt-waehrend-der-corona-pandemie

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