Deutsche Sicherheitsbehörden hätten gerne mehr Befugnisse bei der Überwachung. (Foto: Pixabay)

Nachdem in NRW in den vergangenen drei Monatengleich mehrere Terrorverdächtige festgenommenwurden, ist mittlerweile klar: Die entscheidenden Hinweise kamen auch von ausländischen Geheimdiensten. Deshalb sind deutsche Behörden immer öfter auf internationale Hilfe angewiesen.

Von Julian Lötte und Leon Kaminski

Duisburg, Leverkusen und nun Köln – in all diesen Städten hat die Polizei in den vergangenen drei Monaten islamistisch motivierte Anschläge verhindert und Verdächtige festgenommen. Die Gefahr durch islamistischen Terrorismus scheint auch durch den Konflikt in Gaza so groß wie lange nicht. 

Besonders heikel ist der Fall des Islamisten Tarik S., der einen Anschlag auf eine pro-israelische Veranstaltung geplant haben soll und in Duisburg festgenommen wurde. Denn: Die entscheidenden Hinweise, die zur Festnahme führten, kamen von einem ausländischen Geheimdienst, wie NRW-Innenminister Herbert Reul bestätigte. Die deutschen Behörden waren über die akute Bedrohungslage wohl im Unklaren, Forderungen nach mehr Befugnissen für die Sicherheitskräfte werden lauter.

„Datenschutz darf nicht länger Täterschutz sein“

Die Datenschutzbeauftragte der NRW-Landesregierung, Bettina Gayk, weist diese Forderungen gegenüber unserer Redaktion jedoch zurück: „Ich spreche mich gegen pauschale Forderungen nach einer Absenkung des Datenschutzniveaus aus. Genau wie die anderen Grundrechte dient auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dem Schutz jedes und jeder Einzelnen,“ so die Juristin. Ausländische Behörden haben es bei der Überwachung von Gefährdern oftmals leichter, denn sie haben mehr Befugnisse. Gayk stellt klar: „Regelungen anderer Staaten sind kein Maßstab.“

Innerhalb der Europäischen Union regelt die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) die staatlichen Befugnisse. Christos Katzidis, innenpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion NRW, setzt hier in seiner Kritik an: „Unser grundlegendes Problem ist die deutsche Interpretation der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung. Hier haben wir dringenden Handlungsbedarf und dürfen uns bei Ermittlungen nicht selbst im Weg stehen. Datenschutz darf nicht länger Täterschutz sein.“

Vorratsdatenspeicherung rechtswidrig

Alle anderen Sicherheitsbehörden, insbesondere auch innerhalb der Europäischen Union, wüssten mehr als unsere deutschen Sicherheitsbehörden, so der 54-Jährige, der auch Polizeirat ist. Es könne nicht sein, dass die DSGVO innerhalb der Europäischen Union so unterschiedlich interpretiert werde, so Katzidis. Ein jahrelanges Streitthema war in Deutschland die sogenannte Vorratsdatenspeicherung, bei der bis 2017 die Kommunikationsdaten aller Bürger ohne Anlass gespeichert werden durften. Das Bundesverwaltungsgericht erklärte dies 2023 endgültig für rechtswidrig.

In einem „Zwiespalt“ sieht sich der ARD-Terrorismusexperte Holger Schmidt: „Es gibt den ein oder anderen Fall, bei dem man sich wünschte, die Behörden dürften mehr. Ich habe aber auch Sympathien dafür, zu sagen, dass es Grenzen gibt, wo die Sicherheitsbehörden in Deutschland zuhören oder mitlesen dürfen. Das ist ein Spannungsfeld“, so der Journalist gegenüber unserer Redaktion.

Am größten seien laut Schmidt die „Schwierigkeiten, die Ermittlungsbehörden beim Auswerten von Messenger-Diensten in geschlossenen Gruppen haben. Insbesondere bei Telegram“, so der Terrorismusexperte. Über die Plattform radikalisieren sich seit der Corona-Zeit immer mehr Menschen.

„Keine hundertprozentige Sicherheit“

Ob das Datenschutzniveau in Zukunft sinkt, ist momentan nur schwer absehbar. Zwar fordern besonders nach Terroranschlägen Politiker und Vertreter von Sicherheitsbehörden immer wieder mehr staatliche Befugnisse, jedoch wird auch der Datenschutz immer stärker in den Mittelpunkt gerückt.

Holger Schmidt hält eine Abwägung in Zukunft für notwendig: „ Es ist auf jeden Fall so, wenn wir den Sicherheitsbehörden alles erlauben würden, was irgendwie möglich wäre, würden wir trotzdem keine hundertprozentige Sicherheit bekommen. Wir würden aber hundert Prozent Privatsphäre verlieren.“ Für unsere Demokratie eine Abwägung größter Wichtigkeit.

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