Horst Schröder – Graf Hotte – Der Graf von Wanne-Eickel.
Ein Lokalheld und echter Ritter, der sich mit Leidenschaft und Ruhe für seine Heimat im Ruhrpott und seine Mitmenschen einsetzt. Hoch ausgezeichnet, aber bescheiden bis auf die Knochen. In seinem Stadtviertel „Unser Fritz“ kennt ihn nahezu jeder. Ein Freund und Wegbegleiter aus einer benachbarten Pott-Stadt beschreibt es mit vollem Ernst so: „Der Horst is da wie son Heiliger.“

Von Christian Schwietering

Am Heimatmuseum in Wanne-Eickel ist es dunkel. Die alten Gebäude, die Loks und Waggons im Hof sind in gedämpftes rotes, grünes und lila Licht getaucht und wechseln sich mit finsteren Schatten ab. Im düsteren Wald hinter dem Gelände krabbeln Spinnen durch die Wipfel, flattern Fledermäuse durch die Luft und lacht ein riesiger Kürbiskopf. Das hat Horst Schröder mal wieder für die Kinder in die Halloween-Nacht gehext. Er selbst steht im Imbiss-Waggon, grillt Würstchen, backt Waffeln und serviert Getränke. Mit Lächeln auf den Lippen: „Nicht quatschen, machen!“ So kennt man ihn. Umfrage im Publikum: Hier kennt ihn wirklich jeder. Nicht unbedingt als Horst Schröder, aber alle wissen, wer Graf Hotte ist.

Vier Wochen später steht hier das Weihnachtsdorf. Hotte hat Hütten organisiert. Mit Produkten aus Wanne-Eickel und dem Ruhrpott, Süßigkeiten und Imbiss, Info-Angeboten von DLRG, den Maltesern und der Verkehrswacht und natürlich einem Weihnachtsbaum. Warum hier? „In Wanne bin ich geboren und aufgewachsen. Ich wohne noch immer umme Ecke. Hier im Stadtteil bin ich zu Hause, das ist meine Heimat“, sagt er.

Horst Schröder, auch bekannt als „Hotte – der Graf von Wanne-Eickel“, auf seinem Mond-Weihnachtsmarkt, mit dem original Wanne-Eickel Stadtwappen. (Foto: Christian Schwietering)

Für seine Mitmenschen in Wanne-Eickel zaubert der Graf mindestens im Monatstakt Feste aus dem Zylinder – der Kopfbedeckung, mit der man ihn kennt. Die Einnahmen und Spenden werden für gute Zwecke gesammelt. „Alles nur aus Spaß.“ Und: „Alles wird gut. Und wenn nicht wird´s besser.“ Das sind für ihn Lebensweisheiten.

Vom vorlauten Kind zum Wohltäter

Als Kind war Horst laut. Das können seine Mitstreiter heute kaum glauben.
Klar, als Sänger gab er seine Darbietung vorne in der Mitte der Bühne, genoss den Applaus und verteilte Autogramme. Ein Fan hat sich seine Signatur „Graf Hotte“ sogar tätowieren lassen. Er gab ihr eine Gitarre in die Hand und das entstandene Foto wurde zum Album-Cover. Das vorlaute Kind – vielleicht lag es an der Konkurrenz, denn Hotte ist mit vier Geschwistern aufgewachsen und er war der Jüngste. Vermutlich kommt auch daher sein Durchsetzungsvermögen. Tiefenentspannt und eher im Hintergrund, ganz gelassen und bescheiden wirkt er heute in Gesprächen und im Einsatz. Das bestätigen auch seine Wegbegleiter. „Eher leise, nicht auf den Tisch hauen, sondern vernünftige Argumente“, meint Gerd Herzog, ein langjähriger Freund und Mitglied der Mondritterschaft (dazu später mehr). „Statussymbole sind mir nicht wichtig“, sagt Hotte selbst.

Er wuchs mit dem Rock der 60er Jahre auf. Die Stones, Black Sabbath, Rainbow, Deep Purple, Neil Young. Selbst Musik zu machen war seine Berufung. Doch war die Szene in Wanne rar besetzt. 1980 fand er die ersten Kollegen. Die Band hieß MAINSTREET und coverte die klassischen Rock-Songs. Da passte Hottes Stimme. Mitte der Achtziger brachte die Band ein Mini-Album und ein volles Album mit eigenen Stücken heraus. Verlag und Label waren professionell und man fand die Platten in allen Läden. Heute werden die Scheiben unter Sammlern in den USA gehandelt. In den Neunzigern sang er in weiteren Cover-Bands, wie zum Beispiel GOOD VIBRATION. Die Gruppe hielt 20 Jahre zusammen.

„Wenn man das übersteht, kann man nichts mehr entdecken, was du nicht kanntest“, sagt Thomas Erkelenz, Sound-Mann der Band und Hottes Produzent. Und so ist es bemerkenswert, dass den Band-Kollegen keine Ecken und Kanten an Hotte einfallen. „Er ist ein besonders lieber Mensch“, sagt auch der Schlagzeuger Uli Distelhorst.

Seinen ersten Spitznamen bekam er, als sein Motorrad auf einer Autobahnbrücke liegen blieb. Noch nicht Hotte, sondern Theo. Denn auch im damals aktuellen Film „Theo gegen den Rest der Welt“, blieb Theo mit seinem Fiat auf eben jener Bogenbrücke über den Rhein-Herne-Kanal liegen. Heute fährt er Smart und am liebsten Fahrrad. Den Künstlernamen „Graf Hotte“ hat er sich später selbst ausgesucht. Sein Zylinder als Markenzeichen war eigentlich ein Fund in einer Garderobe, der wurde aber ersetzt durch einen echten Eickeler-Zylinder eines historischen Eickeler Herrenausstatters.

„Theo“ in den Neunzigerjahren mit der Band L.A. CRITS und „Graf Hotte“ fast 30 Jahre später solo unterwegs. (Foto links: Jörg Poser, Foto rechts: Carola Quickels)

Musikalisch erlebte Hotte mit der Band GLAMOUR in 2007 einen weiteren Höhepunkt. Original Glam-Rock-Songs wurden produziert. Den Vertrieb übernahm Sony und man gelangte international in die Regale. Ab 2018 war Hotte solo unterwegs, bis er im Juni 2022 seinen Zylinder mit der Eickeler Stadtgeschichte endgültig ablegte. Der Zylinder stammte ungefähr aus den 20er/30er Jahren und ist nun im Stadtarchiv gut aufgehoben.

Musik aus Spaß und Engagement aus Leidenschaft

Musik war für Hotte etwas Soziales. Er verzichtete auf Gagen. Sammelte lieber für wohltätige Zwecke. Sich für gute Sachen und Menschen einzusetzen, liegt ihm. Er hat unzählige Projekte umgesetzt. Häufig dreht es sich um die Kinder in Wanne-Eickel.

Die Mondritter hat er 2010 mit Freunden gegründet. Ein gemeinnütziger Verein, der auf die Einhaltung der ritterlichen Tugenden achtet und hilft, wo Hilfe benötigt wird. Spenden, Feste und Geschenke zu Ostern, Nikolaus und Weihnachten, Einladungen auf die Kirmes, Zirkus an Schulen, DLRG-Schwimmkurse, den Verkehrsgarten am Heimatmuseum und so vieles mehr. Auf den Internetseiten der Lokalpresse findet man seitenweise Artikel, über mehrere Jahrzehnte, zu den Aktionen.

Die Mondritterschaft Wanne-Eickel. Sie halten ritterliche Tugenden hoch. Hotte genau in der Mitte. (Foto: Thomas Jantowski)

Besonders verbunden ist er mit Wanne. Das original Wanne-Eickel-Stadtwappen hängt im „Fritzchen“ – dem Café, das er mit seiner Frau Sandra am Heimatmuseum betreibt. „Wanne, das ist Tradition, Zeche, Pommesbuden – typisch Zechenstadt, etwas runtergekommen und fertig, aber mit viel Grün und Charm“, beschreibt Hotte seine Heimat.

Hotte recherchiert oft im Stadtarchiv und ist Wanne-Eickel-Historiker. Er hat das KFZ-Kennzeichen „WAN“ gerettet und kämpft für den Erhalt und die Sanierung des alten Hallenbad-Eickel. Auch der Tierpark musste keiner Wohnbebauung weichen. Sogar ein Grundstück auf dem Mond hat er gesponsort bekommen, in Fläche und Form von Wanne-Eickel – der ersten Stadt auf dem Mond.

Nicht alle Ideen konnte Hotte real werden lassen. Der Campingplatz am Kanal war ein Projekt, das die Stadt nicht wollte – trotz aller Bemühungen. Im Stadtrat eckt Hotte manchmal an, weil er nicht lockerlässt. Er hat sich auch mal selbst dort versucht. Aber das konnte nicht gut gehen, meinte sein Mondritter Kumpane Gerd Herzog. Wenn Herzog mit Hotte telefoniert, wird besprochen was man machen kann. „Sehr umgänglich und unkompliziert“, findet Herzog. „Der Horst macht einfach. Der sagt ,mach feddich‘ und dann geht es los.“

1962 lief der Schlager „Der Mond von Wanne-Eickel“ in den Radios. Seitdem kennt eine ganze Generation Deutschlands den Ort im Ruhrpott. Hotte hat den Song gecovert. Ein ganzes Wanne-Eickel-Album gibt es. Darüber hinaus ist Hotte im Ruhrpott zu Hause. Er hat das Steigerlied mit Kindern gesungen, ein Schalke-Lied geschrieben und immer wieder Lieder für einen guten Zweck produziert.

Vier Ausbildungen und ein Ritterschlag

Die Ausbildung zum Bergmann macht Hotte zum authentischen Ruhrpottler. Trotz eines Arbeitsunfalls mit Halswirbelbruch schloss er diese 1981 ab, konnte den Beruf aber nicht ausüben. Er wurde examinierter Altenpfleger. Ein körperlich belastender Job, der ihm zwei Bandscheiben-Operationen bescherte. Als städtischer Angestellter wurde er in die Verwaltung versetzt. Erst Wohngeldstelle, dann Straßenverkehrsamt. Ein dritter Bandscheibenvorfall zwang ihn Anfang der Neunziger in die Frührente.

Hotte, ausgebildeter Bergmann, im nachgebauten Bergwerksschacht des Heimatmuseum Wanne-Eickel. (Foto: Christian Schwietering)

Zu Hause sitzen konnte Hotte keineswegs. Er begleitete seine Tochter Monique in den Kindergarten und hatte so viel Spaß – beziehungsweise die Kinder mit ihm – dass er zum ehrenamtlichen Betreuer wurde. Das ging in der Grundschule weiter. Der Schulrektor war von Hotte ebenfalls begeistert und schlug ihm eine Ausbildung zum OGS-Erzieher vor. Hotte war einer der ersten in dieser Ausbildung. Viele Jahre leitete er die OGS der Rosenbergschule in Bochum.

Sandra hat er 2005 geheiratet. Sie leben in einer Wohnung der alten Villa des Zechendirektors von Unser Fritz. „Keine Angst, hier wird nicht auf dich geschossen“, witzelt Hotte, denn im Flur steht eine große Kanone. Im Wohnzimmer stehen dunkelrote Couchen mit tiefen Sitzflächen und vielen Kissen. Parkettboden und ein paar dunkle Holzbalken rahmen die Zimmer ein. An den Wänden einige Dekorationen aus dem Mittelalter, wie Fackelhalter als Lampen oder königliche Wappen. Aber auch ein Bild mit großem Riss, vom Sperrmüll, weil Hotte das einfach toll findet. Auf der Terrasse hängt das Wanner-Wappenpferd an der Wand. Sandra und Hotte haben eine Vorliebe für das Mittelalter und besuchen gerne gemeinsam Mittelaltermärkte. Sogar die Hochzeit war im Mittelalter-Stil gehalten.

Horst Schröder lebt in Wanne, für Wanne. KZF-Kennzeichen „WAN – OB 1“. Bürgermeister der Herzen wird er genannt. Er ist ein Unikat. Ehrenbürger der Stadt, ausgezeichnet mit der goldenen Nadel. Im „Graf Hotte Horststadion“ spielt der lokale Fußballverein. Offiziell von der christlichen Kirche zum Ritter geschlagen. Ihm wurde das Bundesverdienstkreuz verliehen. Vorgeschlagen für diese hohen Auszeichnungen haben ihn Fans und Freunde.
„Ich selber habe da sparsam geguckt“, kommentiert er das. Die Medaillen sind zu Hause sicher verstaut.

Horst Schröder. Auf Kohle geboren, ein Kind im Herzen und das Gute im Blut. (Foto: Christian Schwietering)

INFOBOX                                
Horst Schröder
Geboren 16.06.1962
in Wanne-Eickel Unser Fritz
vier Geschwister
verheiratet mit Sandra Apostel-Schröder
drei Kinder aus zwei früheren Ehen

Bandfoto „Mainstreet“ aus den 80er Jahren. Horst Schröder - zweiter von links. (Foto: Jörg Poser - Archiv Horst Schröder)

Album-Cover „Mainstreet – Black Dream“, Wishbone Records, Vinyl, 1986, Heavy Metal (Foto: Archiv Horst Schröder)

Sandra und Horst 2005 bei ihrer Hochzeit im Mittelalterstil. (Foto: Archiv Horst Schröder)

Hotte im Café Fritzchen am Heimatmuseum in Wanne-Eickel. Er trägt die Jacke der Mondritterschaft. (Foto: Christian Schwietering - Archiv Horst Schröder)

Bei seinen Veranstaltungen am Café Fritzchen/Heimatmuseum arbeitet Hotte, wie sonst auch, im Imbiss-Waggon. (Foto: Christian Schwietering - Archiv Horst Schröder)

Hotte kann aber auch richtig Rock-Attacke. Zylinder mit Sonnenbrille trug er Jahrzehnte auf der Bühne. (Foto: Archiv Horst Schröder)

Die frühe Formation der Band „Good Vibration“. Zu viert coverte man die Rock-Hits der vergangenen Jahre. (Foto: Archiv Horst Schröder)

„Good Vibration“ etwas später, leicht umbesetzt, mit nagelneuen Band-Outfits. (Foto: Robert Freise - Archiv Horst Schröder)

Hotte hat auch seine eigene Biermarke bekommen. Heute nur noch schwer erhältlich. (Foto: Archiv Horst Schröder)

Als Bürgermeister der Herzen und Retter des „WAN“-Kennzeichens hat er sich „WAN OB 1“ verdient. (Foto: Robert Freise - Archiv Horst Schröder)

Das Album-Cover „Glamour – The Mood“ von 2007. Glam-Rock mit internationaler Veröffentlichung. (Foto: Archiv Horst Schröder)

Hotte als Sponsor des lokalen Wanner Fußballvereines. Das Stadion heißt „Graf Hotte Horststadion“. (Foto: Robert Freise - Archiv Horst Schröder)

Spendenübergabe an ein Kinder-Hospiz. Nur eine von unzähligen Aktionen der Mondritter. (Foto: Archiv Horst Schröder)

Hotte mit den „Sunrise Kids“ auf der Cranger Kirmes, eingeladen zu Kirmes-Spaß und Leckereien. (Foto: Archiv Horst Schröder)

Hotte singt das Steigerlied mit Kindern des Vereins „Sunrise Kids“ aus Herne. Hier auf YouTube. (Foto: Robert Freise - Archiv Horst Schröder)

Für den Umzug der Cranger Kirmes hat Hotte eine Rakete gebaut. Damit geht es natürlich zum Mond. (Foto: Archiv Horst Schröder)

Auf dem Mond hat Hotte ein Grundstück gesponsort bekommen. In Form und Fläche von Wanne-Eickel. (Foto: Archiv Horst Schröder)

Unsinn kann Hotte auch immer gut. Der Zylinder und die Herner, Wanne-Eickel Zeitung verraten ihn. (Foto: Uta Daniel - Archiv Horst Schröder)

Hotte liest den Kleinen vor. Das tat er auch oft als Leiter der OGS der Rosenbergschule in Bochum. (Foto: Archiv Horst Schröder)

Horst bei seiner Einschulung 1969. Da war von Rockstar noch nicht viel zu sehen. (Foto: Archiv Horst Schröder)

Hotte (links) mit den LA Crits, einer im Ruhrgebiet legendären Cover-Band die die Partyzelte zum Tanzen brachte. (Foto: Archiv Horst Schröder)

Für sein Album mit Wanne-Eickel Liedern nutze Hotte einen Fan als Model. Sie hatte sich seine Signatur tätowieren lassen. (Foto: Archiv Horst Schröder)