Die Erfindung des Zirkus reicht bis ins 18. Jahrhundert zurück. Durch die Darbietungen mit Wildtieren steht der Zirkus und seine Tradition in den letzten Jahren vermehrt in der Kritik. Und trotzdem ist er neben Großveranstaltungen weiterhin angesagt und gehört sogar zum bundesweiten UNESCO Kulturerbe.

Ein Bericht von Lara De Reuver und Lena Jüngermann

Roland Paschke ist seit zehn Jahren Tourneeleiter bei dem Circus Probst, einer von rund 300 Zirkussen, die es laut dem Verband Deutscher Circusunternehmen (VDCU) aktuell noch in der Bundesrepublik gibt. Das Leben im Zirkus wurde Paschke bereits mit in die Kinderwiege gelegt. „Mein Vater war 38 Jahre lang Geschäftsführer und Tourneeleiter des Zirkus Siemoneit Barum, einem der größten Wanderzirkusse Deutschlands. Ich bin somit in den Zirkus hineingeboren“, erzählt er.  Dem Zirkus treu blieb Paschke aber zunächst nicht, denn nach seinem Abitur entschied er sich für eine Ausbildung zum Werbekaufmann.

Ein Gefühl von Freiheit

Ein Leben ganz ohne Zirkus war für Paschke undenkbar, weshalb er nach einer mehrjährigen Tätigkeit im Vertrieb zum Circus Probst kam. „Zirkus ist die letzte Oase der Freiheit. Wir müssen nicht morgens um acht ans Fließband, sondern leben unseren eigenen Rhythmus“. Dazu gehöre auch, wöchentlich seinen Standort zu wechseln, erklärt Paschke. Bis Ende des 19. Jahrhunderts hatten die Zirkusse in Europa einen festen Spielort. Das waren Arenen, die aus Brettern zusammengenagelt waren. Erst eine Erfindung aus den USA führte zu einem Wandel: das Zirkuszelt. Insgesamt neun Monate am Stück tourt der Circus Probst mit insgesamt 70 Artisten und 50 Tieren darunter Kamele, Lamas und Pferde quer durch Deutschland. Das sind 40 Städte im Jahr. Am längsten verweilt der Zirkus in Gelsenkirchen zum alljährlichen Weihnachtszirkus. Auf die Frage, was das Besondere am Zirkusleben sei, antwortete Paschke „Man hat alles dabei: seine Freunde, seinen Wohnwagen und sein Zuhause“.

Tradition und Moderne vereint

Ein Großteil der Zirkusse, die heute durch Deutschland ziehen, sind Familienbetriebe in mehreren Generationen. Um als Zirkus erfolgreich zu sein, folgen die meisten von ihnen den sogenannten drei Säulen des Zirkus. Dieser besteht aus Clowns, Artisten und Tieren. „Wir haben alle drei Säulen im Zirkus vertreten, aber moderner verpackt“, sagt Paschke. Dazu gehöre zum Beispiel eine moderne Lichtanlage gepaart mit aktuellen Songs oder eine zusätzliche Motocross-Show. Allerdings kritisieren Tierschützer wie PETA immer wieder, dass Tiere in Zirkussen nichts verloren haben. Dabei geht es häufig um die moralische Frage, dass Wildtiere wie Tiger, Löwen oder Elefanten generell nicht als Attraktion vermarktet werden sollten. Aber auch der ständige Standortwechsel oder die Auftritte in der Manage – das stresst die Tiere. Für Paschke gehören die Tiere aber dennoch zum Zirkus dazu. „Wo hat ein Kind heutzutage noch die Möglichkeit, ein Kamel zu streicheln?“ sagt er. Das sei für ihn noch traditioneller Zirkus, wie er das von Kind auf kenne. Das traditioneller Zirkus noch gefragt ist, belegen auch die Besucherzahlen des Circus Probst, die nach eigenen Angaben beispielsweise beim Weihnachtszirkus täglich zwischen 2000 und 3000 Besucher empfangen. 

Zirkus als immatrielles Kulturerbe

Obwohl die Tradition des Zirkus mehrere Jahrhunderte zurückreicht, wurde dieser aber lange nicht als Kulturgut angesehen. Die UNESCO Deutschland hat den Zirkus daher im Frühjahr 2023 in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen. „Die Aufnahme in das bundesweite Verzeichnis ist eine öffentlich sichtbare Anerkennung der kulturellen Ausdrucksform und ihrer Träger“, erklärt Peter Martin von der UNESCO Deutschland. Die European Circus Association (ECA), eine Vereinigung europäischer Zirkusse hatte sich für einen Eintrag ins bundesweite Verzeichnis eingesetzt. Über die Aufnahme selbst habe jedoch die Kulturministerkonferenz in Abstimmung mit den Bundesbeauftragten für Kultur und Medien entschieden, so Martin. Auch Roland Paschke ist sich sicher, dass der Zirkus und seine Tradition trotz der Aufruhe vieler Tierschützer weiterhin bestehen bleibt. „Unsere Zielgruppe sind Kinder und trotz der Handy-Generation, hat das Live-Erlebnis im Zirkus immer noch eine sehr große Wirkung auf Kinder.  Wenn unsere Kamele die Manege betreten, leuchten die Augen der Kinder“. Das sei mit keinem Playstationspiel zu ersetzten, so Paschke.