Die Eduard-Dietrich-Grundschule in Ratingen macht einiges anders als gewöhnliche Grundschulen. Die Kinder werden in zwölf jahrgangsgemischten Klassen unterrichtet. Darin lernen Kinder mit und ohne Förderbedarf zusammen. Mittendrin Schulhündin Pelusa, die einen positiven Einfluss auf das Klassenklima und das soziale Miteinander hat.

Von Lennard Hoffmann

Ein großes Kinderzimmer

Es ist neun Uhr morgens. Die Sonne ist gerade aufgegangen und reflektiert sich im gelben Boden des Klassenraumes. Ein warmes Ambiente in den kalten Wintermonaten. Auf den ersten Blick könnte man das Zimmer glatt mit einem Pausenraum verwechseln. Die Schule verfolgt das Konzept der „Montessori-Pädagogik“. Die Kinder lernen eigenständig in jahrgangsgemischten Gruppen. Mit welchem Fach sie sich beschäftigen wollen, bleibt ihnen größtenteils selbst überlassen. Nur selten werden sie aufgefordert, sich mit bestimmten Aufgaben oder Themen zu beschäftigen. So lernen alle in ihrem eigenen Tempo und auf ihre eigene Art und Weise. Eine feste Sitzordnung in Form von Tischen und Stühlen gibt es daher nicht. Stattdessen sind Sitzecken mit Hockern und Kreisteppichen eingerichtet. Die Kinder haben sich bereits verteilt und arbeiten eigenständig, aber unter Betreuung an individuellen Aufgaben. Von Matheübungen über einen Steckbrief zu Leonardo da Vinci bis zu Zeichenübungen. Gespräche werden leise und konzentriert geführt.

Vom Tierschutz in die Schule

Schulhündin Pelusa läuft währenddessen frei durch die Klasse. Weißes Fell, schwarze Flecken an den Ohren und ein nahezu durchgehend wedelnder Schwanz. Pelusa ist eine Mischlingshündin aus Podenco und Dalmatiner. Eine eher ungewöhnliche Rasse für Schulhunde. Zwar gibt es keine Vorgabe, welcher Rasse ein Schulhund angehören muss, aber Rassen wie Golden Retriever oder Labradore werden empfohlen. Die Nutzhunde sollen gut gehorchen, konzentriert sein und brauchen eine hohe Geduldsspanne. Aggressivere Hunderassen werden daher nicht empfohlen, doch es kommt auf den Einzelfall an. „Pelusa ist ein absoluter Zufallshund“, sagt Lehrerin Janine Funke, die Besitzerin von Pelusa. Eigentlich hat sie die Hündin nur für kurze Zeit vom Tierschutz übernommen. „Es stellte sich dann aber heraus, dass sie sehr kinderlieb ist.“ So kam es zu der Entscheidung, die heute Dreijährige als Schulhund zu übernehmen.

Hundemathematik

„Ein Glückstreffer“, befindet Funke. Denn neben dem Umgang mit Kindern ist Pelusa auch „lernfreudig und pfiffig“. Das ist wichtig, da Schulhunde eine große Bandbreite an Kommandos beherrschen müssen. Über 90 beherrscht die Hündin. Eines davon ist es, ein Drehrad zu drehen. Auf diesem sind Zahlen von eins bis zehn geschrieben, die Schulkind Lina dann addieren muss. Schulhunde werden gerne dazu genutzt, um Kindern Aufgaben zu stellen. Die Bereitschaft, eine Aufgabe für einen Hund zu erledigen, ist größer als für das Lehrpersonal. Studien deuten darauf hin, dass Kinder mit größerer Motivation an die Aufgaben herangehen. Geduldig wartet die Mischlingsdame auf den Befehl. „Dreh!“, sagt Lina deutlich. Schon setzt Pelusa das Rad mit ihrer Pfote in Bewegung. Vier plus sechs lautet die Aufgabe. Für jedes Drehen gibt es ein Leckerchen. „Damit kann man die Motivation des Hundes gut steigern“, erklärt Janine Funke. „Zehn!“, schallt es kurz darauf aus Lina heraus. Korrekte Antwort.

Tierische Streitschlichtung

Auch Kartenziehen steht auf der Trickliste der Schulhündin. Janine Funke sammelt sechs Mädchen zusammen. Die Kinder hatten am Vortag gestritten, nun sollen sie sich versöhnen. Pelusa hat dabei eine zentrale Rolle. Kinder sind in Anwesenheit von einem Hund nämlich deutlich ausgeglichener. Streitigkeiten werden schneller beigelegt und Kinder gehen deutlich ruhiger miteinander um. In einem Stuhlkreis sitzen sie mit Hündin und Pädagogin zusammen. Jedes Mädchen darf Pelusa einmal ziehen lassen. Ein anderes muss vorlesen, was auf der Karte steht. Es sind Aufgaben wie „Mache deiner Sitznachbarin ein Kompliment“ oder „Frage deine Sitznachbarin, was sie gut kann“. Die Mädchen machen gerne mit. Grundlegend wirkt eine Aufgabe fairer auf Kinder, wenn sie durch Schulhunde erteilt werden, da hier das Zufallsprinzip greift.

Auch Hunde brauchen eine Pause

Nach der Streitschlichtung wird Pelusa in ein Nebenzimmer geführt. Dort kann sie sich ausruhen. „Manchmal geht sie auch von selbst ins Nebenzimmer, um ein wenig Schlaf nachzuholen“, sagt Funke. Während der Schulpause um 11.15 Uhr darf sich Pelusa austoben. Auf einer benachbarten Grünfläche tollt die Hundedame herum und lässt sich Stöckchen werfen. Den Weg dorthin schafft sie größtenteils ohne Leine. Auf Frauchen konzentriert, läuft sie neben Janine den Bürgersteig entlang. Erst als ihr das Signal gegeben wird, läuft die junge Hündin los. „Auch bei den Befehlen muss sie sich von mir erst das Go abholen, damit sie nicht einfach jeden Befehl entgegennimmt“, sagt die Hundehalterin. Nach der kurzen Auszeit laufen beide zurück zum Schulhof. Die Pause ist beinahe vorüber.

My name is Pelusa

Die letzten Stunden für den Tag stehen an. Englischunterricht ist auf dem Plan. Für gewöhnlich wird der Unterricht ohne Hund abgehalten, doch den Anfang der Stunde gestaltet Pelusa noch mit. Das dient dazu, die Aufmerksamkeitsspanne der Kinder zu erhöhen. Janine holt vier Buzzer hervor. Alle vier spielen eine Tonaufnahme ab, Pelusas Aufgabe ist es, die Buzzer zu drücken. Ein Kind legt den ersten Buzzer vor sich. Mit Leckerchen in der Hand sagt der Junge „Buzzer“. Das lässt sich die Hündin nicht zweimal sagen. Mit der Pfote betätigt sie den Drücker. „Good morning, my name is Pelusa“, ertönt aus dem Gerät. „Good morning Pelusa“, erwidert die Klasse, als wäre sie eine ganz normale Lehrerin. Auf diese Weise können nun einfache Aufgaben gestellt werden, wie nach dem Namen, dem Alter oder dem Lieblingsessen zu fragen. Jedes Kind beantwortet die Fragen der Reihe nach. Trotz kleinerer Probleme mit der Fremdsprache sträubt sich kein einzelnes Kind. Auch das ist ein Ergebnis von Pelusas Anwesenheit. Hunde senken den Cortisolspiegel. Das Stresshormon schränkt selbst in geringer Dosis die kognitiven Fähigkeiten des Menschen ein. Die Schulhündin steigert somit allein durch ihre Anwesenheit die Leistung der Klasse. Gleichzeitig sorgt sie damit für eine regere Beteiligung am Unterricht. Zudem kommen Kinder lieber zur Schule, wenn auch ein Schulhund da ist. Nach der kleinen Einleitung darf sich die junge Hündin ausruhen. Ihre Arbeit ist für den heutigen Tag erledigt. Nach der Stunde warten noch ein großer Spaziergang sowie ihre Familie auf sie.