Die Rentnerin Sieglinde Lamour engagiert sich jeden Mittwoch ehrenamtlich bei der Tafel in Eschweiler. Eine Frau, die ihre Freizeit schenkt, um bedürftigen Menschen zu helfen. Ohne ihre Arbeit wäre manches Mittagsessen nicht möglich.

Eine Reportage von Gina-Maria Wiemers

Es ist ein kalter und regnerischer Mittwochmorgen im Januar. Die Sonne scheint durch die großen dichten Wolken am Himmel. Neben vorbeifahrenden Autos sind leise vereinzelte Stimmen zu hören, die sich angeregt auf dem Hof der Eschweiler Tafel unterhalten. Die Eschweiler Tafel, ein Zusammenschluss aus insgesamt 50 engagierten Menschen, die sich dazu bereit erklärt haben, an drei Tagen die Woche, Lebensmittel an Bedürftige auszuteilen.

Der Ort des Geschehens

Ein Geruch von Kaffee erfüllt den Eingangsbereich der Eschweiler Tafel. Eine Frau, bekleidet in dunkler Jeans, hellgrauem gestreiften Wollpullover und orangefarbener Schürze, mit weißem Aufdruck, betritt die große mit hellem Neonlicht ausgestattete Verkaufshalle. „Guten Morgen“, mit einem breiten Lächeln begrüßt Sieglinde Lamour ihre Kollegin und stellt sich neben sie. Große orange- und dunkelgrün-farbene Kisten, gefüllt mit knackigem Obst und Gemüse füllen vier der langen, acht grauen, rollbaren Theken des 136qm² großen Raums. „Es sind schon vereinzelt Waren angekommen, aber es kommen noch weitere Lieferungen, die wir dann noch einsortieren müssen“, erklärt die 73-Jahre alte Frau und zeigt mit ihrem linken Zeigefinger auf die großen Kühlregale auf der rechten Seite des Raums. Die Eschweiler Tafel, eine Einrichtung, die auf der einen Seite auf Spenden von Vereinen, Firmen und Supermarktketten angewiesen ist und zum anderen auf ehrenamtliche Kräfte setzten muss. Ein Konzept, welches seit fast 24 Jahren funktioniert und erfolgreich dafür sorgt, dass hunderte von bedürftigen Menschen in Eschweiler mit Lebensmittelspenden versorgt werden. „Ich selbst unterstütze seit ungefähr acht Jahren die Tafel und mache es gerne“, erzählt die gebürtige Kamp-Lintforterin und streicht sich mit der rechten Hand eine Haarsträhne ihres blonden Haars hinters Ohr.

Gleiches Recht für alle

Es ist 13.30 Uhr. Die große Eingangstür des Empfangsraums, welcher sich direkt neben der Verkaufshalle befindet, wird geöffnet. Mehrere Leute mit Körben und Plastiktüten, die sich bereits seit einigen Minuten vor der Tür versammelt hatten, strömen in den Vorraum. Während ein Teil der Besucher der Tafel auf den 40 Sitzmöglichkeiten im Vorraum Platz nimmt, stellt sich der andere Teil in eine Warteschlange an. Die ersten zehn Kunden betreten den kleinen ehrenamtlichen, fast Supermarktähnlichen Verkaufsraum. Sieglinde greift zu einem kleinen rechteckigen Zettel, nimmt den blauen Kugelschreiber in die Hand und notiert die Personenanzahl ihrer ersten Kundin. Nicht jeder kann seinen Wocheneinkauf einfach so bei der Tafel tätigen. Vorher muss eine Kundenkarte bei der Tafel vor Ort beantragt werden. Mit Hilfe von Dokumenten der Ämter kann diese Karte schnell beantragt werden, wichtig dabei ist, dass die Personenanzahl im Haushalt angegeben wird, für die bei der Tafel eingekauft werden soll. „Natürlich achten wir darauf, dass alles gerecht verteilt wird. Außerdem macht es einen gravierenden Unterschied, ob man für fünf Leute einkauft oder ab man allein wohnt“, hebt Sieglinde hervor.

Sieglinde Lamour überreicht einem Kunden sein Wunschprodukt. Foto: Gina-Maria Wiemers

 Die Sprachbarriere ist kein Problem

„Was brauchen Sie?“, fragt die Ehrenamtlerin, richtet ihre Schürze und schaut der jungen Frau, die mit offener Tüte vor ihr steht, in die Augen. Die brünette, halb gebückte Frau mit ukrainischem Wurzeln in gelber Jacke und großem Schal deutet mit ausgestrecktem Arm auf die Blattsalate, welche in den dunkelgrünen Klappboxen hinter der Ehrenamtlerin drapiert sind. „Salat?“, hinterfragt Sieglinde, dreht sich um und greift in die Box, zeigt ihrer Kundin das Gemüse und wartet auf Zustimmung. Die Anzahl der Besucher der Eschweiler Tafel steigt wöchentlich an. Gerade die großen Flüchtlingswellen in den vergangenen Jahren sind einer der Hauptgründe für das Wachstum der Besucher der Tafel in der zweitgrößten Stadt der Städteregion Aachen. Mangelnde Deutsch und Englischkenntnisse sind eine Herausforderung für das ehrenamtliche Personal, jedoch sei es kein großes Problem. „Manchmal verständigen wir uns mit Händen und Füßen, aber letztendlich wissen wir, welches Produkt gewollt wird“ erklärt die Mutter von zwei Kindern und überreicht ihrer Kundin den Salat.

Unterstützung überall

Ehrenamtliche Arbeit bei der Tafel, eine Tätigkeit, die ohne die vielen freiwilligen Helfer nicht möglich wäre. Sie investieren ihre Freizeit, entscheiden sich aktiv fremden Menschen zu helfen und das unentgeltlich. „Wir alle unterstützen, wo wir können und freuen uns, wenn wir helfen können“, erklärt sie und korrigiert ihre weißen Einweghandschuhe. Ein leises, aber dumpfes Geräusch ertönt, als die Tür des großen Kühlregals zufällt. Sieglinde überreicht ihrer Kundin das letzte Wunschprodukt, die es wiederum dankend entgegennimmt. „Bis dem Nächst“, verabschiedet sie die Frau und geht zum nächsten Kunden.