Ein Bild, das in deutschen Städten in den vergangenen Wochen immer wieder zu sehen war: Die Landwirte protestieren gegen die Pläne der Bundesregierung. (Bildquelle: pixabay.com)

Die geplante Streichung der Subventionen trifft die Landwirte in Deutschland hart. Wie machen sich die Probleme auf den Bauernhöfen bemerkbar?Benedikt Kaschinski zeigt sich kämpferisch.

Von Julian Lötte

Graue Wolken liegen über dem Mühlenbergshof in Essen-Kettwig, zwei Katzen huschen über den Asphalt, kühler Wind pfeift über den Hof. Landwirt Benedikt Kaschinski sitzt auf der Treppe vor seinem Haus. Er trägt eine Kappe, eine braune Jacke und Arbeitsschuhe in derselben Farbe. „Eigentlich dürfte ich gar nicht hier sein, sondern müsste in Düsseldorf am Stadttor stehen“, sagt der 45-Jährige. Warum? „Dort wird heute protestiert.“ Vor dem Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz gehen an diesem Tag die Landwirte auf die Straße und setzen sich für ihre Interessen ein – genauso wie in unzähligen anderen deutschen Städten in den vergangenen Wochen.

Bauernproteste: Darum kann Kaschinski nicht teilnehmen

Der Protest der Bauern richtet sich gegen die geplanten Subventionskürzungen der Bundesregierung, sie fordern Entlastungen für die Landwirtschaft. Kaschinski würde gerne, kann aber nicht dabei sein. „Ich bin hier gerade betrieblich ein bisschen eingespannt, weil mir ein Mitarbeiter fehlt und der zweite jetzt auch gekündigt hat. Deswegen bin ich gerade wild auf Mitarbeitersuche, die sich aber schwierig gestaltet“, erklärt er.

Hinter dem Haus kommt sein einzig verbliebener Mitarbeiter Ramazan hervor, den aber alle nur „Rama“ nennen. „Wie die Butter“, sagt der gebürtige Türke und schmunzelt. Butter wird auf dem Hof aber nicht produziert, der Fokus liegt auf den knapp 4000 Hühnern und dem Verkauf der Eier. Dazu hält der Hof Pensionspferde. „Das ist quasi ein Selbstläufer. Da muss man nicht viel tun“, erklärt Kaschinski, der geschieden ist, eine Tochter hat und mit Vater Alfons und Mutter Eva auf dem Hof wohnt. „Die Eier müssen wir hingegen vermarkten. Das heißt, dass man hinter seinem Produkt stehen und eine Überzeugung ausstrahlen muss, damit man sie an den Mann und an die Frau kriegt.“

Knapp 4000 Hühner auf dem Mühlenbergshof

Mitarbeiter Ramazan kümmert sich intensiv um die knapp 4000 Hühner, die in Freilandhaltung gehalten werden. Schnell ins Auto steigen, zwei Minuten Fahrt und schon ist er bei den Hühnern, die neben Golfplätzen und der Ruhr auf dem Feld und in den Hühnermobilen unterwegs sind. Ramazan steigt über den Zaun, die Hühner kommen ihm entgegenlaufen. Als er am Mobil angekommen ist, öffnet er die Tür, huscht schnell rein und schließt sie gleich wieder. Den Eingang darf schließlich nur er benutzen, nicht die Hühner. Drinnen checkt er Wasser, Temperatur und Futter und sammelt die Eier ein – das sind Ramazans Aufgaben. „Es macht unheimlich Spaß mit den Hühnern. Sie meckern nicht – und man ist die ganze Zeit an der frischen Luft“, sagt der 38-Jährige.

Die Eier an den Mann zu bekommen, ist allerdings gar nicht so einfach. Der Boom während der Corona-Pandemie, als viele Menschen regional einkauften, ist längst wieder abgeflacht. „Durch den Krieg in der Ukraine muss alles halbwegs günstig sein. Das geht aber nicht, weil wir im Schnitt jedes Ei vier Mal in der Hand haben, bis es letztendlich in der Verkaufsverpackung landet“, erklärt Kaschinski. Neben der Inflation ist der komplizierte Verkauf der Eier allerdings nicht die einzige Herausforderung. „Hinzu kommen die Herausforderungen durch die Bundesregierung“, so Kaschinski.

Bauernproteste: Darum ist das Fass übergelaufen

So sollen unter anderem die Vergünstigungen beim Agrardiesel gestrichen werden. „Das sind bei mir im Betrieb nur 2000 bis 2500 Euro pro Jahr und nichts Existenzbedrohliches. Das Thema hat das Fass aber zum Überlaufen gebracht, weil wir in den letzten zehn Jahren immer wieder neue Auflagen bekommen haben.“ Es war einer der Auslöser für die Proteste, von denen sich die Bundesregierung leider nichts annehme, so Kaschinski.

Derweil ist „Rama“ beim fünften Stall und damit der letzten Station seiner „Eierrunde“ angekommen. Zwei Hühner sind ausgebüchst und haben den eingezäunten Bereich verlassen. „Die weißen Hühner sind aber clever. Sie kommen von allein wieder zurück, da brauche ich nichts machen“, erklärt Ramazan. Er hat Recht, keine zwei Minuten später flattern die beiden wild und fliegen zurück in das Mobil. Nachdem Ramazan die letzten Eier eingesammelt hat, steigt er in das Auto, macht den Motor an. „Die Bauern haben natürlich Recht“, sagt er in Bezug auf die Proteste. „Sie können ja nicht alles auffangen, weil sie momentan auch durch die Inflation Probleme haben. Dass die Bundesregierung jetzt noch alles streicht, finde ich nicht korrekt.“

Als Mitarbeiter beeinflusst ihn das aber nicht in seiner täglichen Arbeit. Nachdem er den weißen Transporter über einige Hügel und durch einige Kurven gelenkt hat, biegt er wieder auf die Landstraße. Jetzt nur noch geradeaus, einmal rechts abbiegen und durch einen kleinen Wald hoch zum Hof. Zurück auf dem Hof trägt Ramazan die Eier in die Packstation, wiegt sie gemeinsam mit Alfons und lagert sie ein, sodass sie für die nächste Lieferung an die lokalen Supermärkte oder den lokalen Bäcker bereit sind. Zudem werden die eigens produzierten Waren wie Eierlikör oder Eiernudeln im Hofladen in mehreren Automaten verkauft. Obendrauf prangt eine Hühner-Figur, drinnen können sich die Kunden selbst bedienen.

„Wir sind diejenigen, die die Leute satt machen“

Benedikt Kaschinski läuft hoch in sein Büro, das in der ersten Etage der Scheune liegt, setzt sich auf den Stuhl. Von hier hat er einen guten Blick auf sein Haus, die Packstelle und den Hofladen. Eine Idee, wie er die Streichungen der Bundesregierung auffangen kann? Hat er aktuell nicht. „Ich lebe im Moment von Tag und zu Tag und gebe jeden Tag mein Bestes – genauso wie mein Mitarbeiter“, sagt Kaschinski. „Eigentlich bin ich gerade an einem Punkt, an dem ich am liebsten sagen würde: Wisst ihr was? Ihr könnt mich alle mal. Wir lassen das Ganze, verkaufen die Hühnermobile und ich suche mir irgendwo einen Job in einem Angestelltenverhältnis.“

Er sei aber kein klassischer Angestellter, sondern ein „Macher“. „Deswegen muss ich selbstständig bleiben.“ Die Regierung mit den Protesten stürzen, das wollen die Bauern natürlich nicht. „Die Bundesregierung muss einfach ein bisschen offener gegenüber der heimischen Landwirtschaft werden“, sagt Benedikt Kaschinski, „weil wir diejenigen sind, die die Leute hier satt machen.“