Der Geruch von Bratapfel, Reibeplätzchen und Zimt liegt in der Luft. Um die 150 Hütten mit brauner Holzverkleidung, dekoriert mit Tanne und Lichtern, stehen vor dem Centro Oberhausen bereit. Aus den Lautsprechern ertönt: „Driving Home for Christmas“. Es ist allerdings so voll, dass man von einigen Ständen nicht viel zu sehen bekommt. Trotzdem ist der Weihnachtsmarkt die erste Station für meine Weihnachtsgeschenke. Ich schiebe mich an den langsam schlendernden Menschen vorbei. Alle wirken gereizt und genervt, dabei ist Weihnachten doch das Fest der Besinnlichkeit. Zumindest sollte es das sein. Weil ich auf dem Weihnachtsmarkt nicht fündig werde, lasse ich mich mit der Menschenmasse ins Centro hinein gleiten.
Prompt gibt es Streit
„Kommen Sie bitte auch zu mir rüber?“, hallt die Stimme der Verkäuferin durch den ganzen Laden. Es wird unruhig. Von hinten rempelt mich eine Frau mit ihrer Tüte an, als sie an mir vorbei zur geöffneten Kasse sprintet. Aus der Schlange von mehr als zwanzig Menschen, die bis zur Eingangstür reicht, lösen sich einige raus und wechseln zur Kasse nebenan. Prompt gibt es Streit zwischen einem jungen Mann und einer knapp fünfzig-jährigen Frau. „Hören Sie mal! Sie standen aber eben noch hinter mir!“, fährt Sie ihn an. „Jetzt haben wir aber die Kasse gewechselt.“, entgegnet der Mann trocken und die Frau beginnt mit einem Monolog über „die Jugend von heute“.
Das größte Einkaufs- und Freizeitzentrum Europas
Das Centro oder auch Centro Oberhausen genannt, ist das größte Einkaufs- und Freizeitzentrum Europas. Mit 125.000 m² Verkaufsfläche, und über 830.000 m² Betriebsfläche. 250 Einzelhandelsgeschäfte sind auf zwei, in bestimmten Geschäften auch auf drei, Ebenen zu finden.
„Bitte was? Ich höre sie ganz schlecht.“
Im nächsten Geschäft drängelt sich ein alter Mann vor. „Sie müssen sich auch hinten anstellen!“, sagt die Kassiererin. „Ich habe nur eine Frage. Ich möchte mit diesen beiden Gutscheinen den Pullover kaufen.“, erklärt sich der Mann. „Es ist nicht möglich, Gutscheine zu kombinieren.“, erklärt die Kassiererin „und außerdem ist dieser hier abgelaufen.“ „Gut, dann nehme ich den Pullover und nur den Gutschein.“, sagt der Alte und legt beides auf den Tresen. Die Kassiererin schiebt ihm die Sachen zurück und sagt: „Sie müssen sich dafür aber hinten anstellen, wie alle anderen auch!“ „Bitte was? Ich höre sie ganz schlecht.“, entgegnet der Mann und fasst sich an sein Ohr. Ich rolle mit den Augen, was ein billiger Trick.
Anfängerfehler: Winterjacken!
Nachdem auch ich dann endlich zahlen konnte, schiebe ich mich vom Geschäft wieder auf den Gang. Dabei fühle ich mich, als wäre ich eine Sardine, die freiwillig in ihre Büchse schlüpft. Die Stimmung ist angespannt und der Geruch von Schweiß hängt in der Luft. Ein Teil fehlt mir noch. Als ich endlich den gesuchten Fanshop erreiche, um das T-Shirt für meinen Vater zu kaufen, ist seine Größe natürlich ausverkauft. Das Regal sieht komplett zerrupft aus. Überall liegen die T-Shirts verteilt. Eine Verkäuferin versucht mühsam das Chaos zu beseitigen. Das gewünschte T-Shirt finde ich nicht, einen Ersatz gibt es trotzdem. Wieder an der Kasse anstehen. Vor mir ein etwas fülligerer Mann mittleren Alters und seine Frau. Beide haben Ihre Winterjacken an. Anfängerfehler. Der Schweiß läuft dem Mann von der Stirn in den Nacken, in seinen Schal hinein. Ich bin angeekelt, kann aber auch nicht aufhören hinzustarren. Der Schweiß läuft, wie Regentropfen an einer Scheibe runter. Als die beiden gehen und ich mit dem Bezahlen dran bin, stehe ich in der Schweiß-Geruchswolke die der Mann hinterlassen hat. Lecker.
Die Check-24-Oase
Geschafft. Meine Nerven liegen allerdings blank. Ich muss mich belohnen für meinen harten Einsatz und gehe in die Coca-Cola-Oase. Ein Donut soll es werden und danach noch eine Portion chinesische Nudeln. Wieder ist anstehen angesagt und natürlich sind alle Sitzplätze augenscheinlich besetzt. Und das, obwohl die Oase mit knapp 1.100 Plätzen der zweitgrößte Food-Court Europas ist. Während ich warte, frage ich mich, ob es mit der Coca-Cola-Oase wie mit dem Doppelpass auf Sport1 ist. Ob je nach Hauptsponsor der Name geändert wird. Wer weiß, vielleicht gibt es nächstes Jahr dann die Check-24-Oase. Nach gefühlten 45 Minuten stehe ich am Rand und esse mein Essen aus der Hand.
Schluss mit falscher Besinnlichkeit
Jetzt reicht es mir. Nicht mal der Donut konnte meine Laune noch aufheitern. Ich kämpfe mich ein letztes Mal durch die Menschenmassen. Überall ist es laut. Meine vielen Einkaufstaschen machen es mir nicht leicht an den Menschen vorbei zu kommen. Ein Kind bekommt eine meiner Taschen vor den Kopf. „Oh tut mir leid!“, entschuldige ich mich, aber die Eltern haben davon nichts mitbekommen, denn sie starren nur auf ihre Einkaufsliste. Wer nimmt auch sein Kind in solche Menschenmassen mit? Draußen angekommen, laufe ich außen an den Weihnachtsmarktständen vorbei. Schluss mit falscher Besinnlichkeit, denke ich. Weihnachten ist nur Konsum-Stress. Und das jedes Jahr!
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