Als Student eine bezahlbare Wohnung zu finden, wenn man nicht auf den Trubel einer WG steht, ist fast unmöglich. Oft werden nur ältere und heruntergekommene Wohnungen angeboten. Und letzten Endes führt der Weg dann doch in ein übervolles Studentenheim. Dabei werden auch städtische Wohnungen zu niedrigen Preisen angeboten. Denn manchmal verbirgt sich hinter einer abgewrackten Fassade ein kleiner gemütlicher Schatz. Die Frage ist, was man persönlich daraus macht. Ich habe mir die städtische Wohnung der 23-jährigen Leonie einmal genauer angeschaut.

Der Summer des Türöffners ertönt. Nur schwer lässt sich die heruntergekommene Haustür auf der Horster Straße in Gelsenkirchen-Buer öffnen. Ein Schwall aus Müllgeruch kommt mir zur Begrüßung entgegen, als hätte dieser nur darauf gewartet, dass jemand die Tür öffnet. Was ein perfekter erster Eindruck.
Hinter der Tür erhebt sich eine massive breite Treppe aus rotem Stein. Eingerahmt von hohen Wänden, welche mit dunklem Holz verkleidet sind. Nur auf der linken Seite bringen ein paar angebrachte Lampen Licht ins düstere Treppenhaus. Der Weg nach oben ist nicht vollständig einsehbar, denn an ihrem höchsten Punkt legt die Treppe eine Rechtskurve ein. Und gleicht damit einem Ort, um den man im dunklen lieber einen Bogen macht. 

Nach dreißig Stufen erwartet mich eine zweite Haustür. Hier muss ich zum zweiten Mal klingeln um zum Ziel zu gelangen. Erneut ertönt der Summer des Türöffners. Und auch hier wartet eine Treppe hinter der kleinen Tür. Doch dieses Mal gleicht der Anblick eher dem eines alten Schullandheims, nicht einer Gruselkammer. Ein angenehmer Duft von Putzmitteln wabert über die Treppen. Bis zur Zielwohnung muss ich noch zwei Etagen laufen. Begleitet von großen Fenstern, durch welche viel Licht einfällt, gelange ich nach oben. Und biege dort in den linken Gang ab, wo die Wohnungen zu finden sind.

Eine andere Welt

Das erste Treppenhaus

Am Ende des Flurs wartet schon die 1.64 Meter kleine Leonie. Sie fängt an zu lachen, als sie mich sieht. Ich muss wohl ziemlich skeptisch geschaut haben. Kein Wunder nach dem kleinen Abenteuer bis in den dritten Stock.

Ein Schritt in die Wohnung und es fühlt sich an wie eine andere Welt. Die Tür fällt ins Schloss und auch die Gedanken vom Treppenhaus weichen zurück. Zu sehen ist eine gemütliche 38 Quadratmeter große Wohnung. Dies hätte ich in einem solchen Haus nicht erwartet. Wir stehen im Flur und etwas Weiches streicht an meinen Beinen lang. Es ist Leonies kleine, graue Katzenmitbewohnerin, die mich hier begrüßt. Seit bereits zwei Jahren wohnen die beiden hier zusammen. Vom Flur geht es geradeaus ins Wohnzimmer. Kaffeegeruch steigt mir in die Nase und eine angenehme Wärme umhüllt mich. Es herrscht direkt eine häusliche Atmosphäre, welche sich von außen nicht einmal ansatzweise erahnen ließ.

Klein aber fein

Die Wohnung besteht aus vier Räumen. Den zentralen Punkt bildet das Wohnzimmer mit einem großen Fenster, welches den Raum mit viel Licht versorgt. Eine über Eck gehende Couch an der rechten Wand, lädt zum Hinsetzen ein.


Blick von der Couch nach draußen                        

Gegenüber steht ein weißer Holztisch mit vier passenden Stühlen. Mein Blick wandert über den Tisch hin zur Wand, an der ein großes Bild von „Frühstück bei Tiffany“ hängt. Auf dem Regal rechts daneben befinden sich eine Lampe und Dekoartikel. Der Schandfleck der Wohnung, wie Leonie ihn nennt, ist eine alte kleine Küche in der hinteren linken Ecke des Wohnzimmers. Die Küche stammt aus den 80er Jahren und ist so klein, dass dort nicht einmal ein Ofen seinen Platz findet. Allerdings sei die Küche für Studenten völlig ausreichend, sagt Leonie. Sie wolle hier schließlich kein Fünf-Gänge-Menü kochen.

Das Schlafzimmer befindet sich direkt neben dem Wohnzimmer. Neben einem großen zwei Meter Bett steht hier nur noch der kleine Schminktisch. Für mehr war einfach kein Platz da. Daher mussten Leonies Kleidungsstücke in die umfunktionierte Abstellkammer neben der Haustür wandern. „Der Platz muss schließlich bestmöglich genutzt werden und nur ich muss ja das Chaos von Kleidung, Schuhen und Putzsachen sehen“, sagt Leonie und schließt lachend die Tür der kleinen Kammer.

Der letzte Blick fällt in das fensterlose Badezimmer, welches dem meiner Oma gleicht und so gar nicht zu dem modernen Stil der Wohnung passt. Die Wände zieren beigefarbene Fliesen. Die Dusche ist mit den typischen Schiebetüren ausgestattet, die eh nie wirklich funktionieren, geschweige denn richtig schließen. Aber für den täglichen Gebrauch reicht es Leonie völlig aus. Die angehende Masterstudentin hat in dem elf Parteien Haus der Stadt ihre erste eigene Wohnung gefunden und dieser ihren eigenen Charme verliehen.

Auf den zweiten Blick

Der Weg nach draußen führt mich wieder durch die zwei doch sehr verschiedenen Treppenhäuser. Auf den letzten dreißig Stufen werde ich wieder von Müllduft begleitet, welcher mir kurzer Hand nach draußen auf die Straße folgt.

Ich ziehe die schwere Haustür hinter mir ins Schloss und stehe auf dem Gehweg. Ein letzter Blick auf die Haustür und das heruntergekommene Haus bringt mich zum Schmunzeln. Die Fassade sagt schließlich nicht immer etwas über die inneren Werte aus.