Herbstzeit ist Igelzeit: Jetzt futtern sich die Mini-Raubtiere ihre Schwarte für die Winterruhe an. Doch nicht alle kommen auf „Kampfgewicht“: Haben sie Glück, landen sie beim Netzwerk Igel e.V., der größten Igelstation NRWs.

Vorsichtig schaut Igelmännchen „Karl“ aus seinem Papphäuschen. Keine Selbstverständlichkeit, denn vor wenigen Wochen war sein Zustand noch kritisch. In der Igelstation werden „Karl“ und allen anderen Igeln geholfen, die zu schwach für den Winterschlaf sind. Einige von ihnen haben Schnitt- und Bisswunden, gebrochene Beinchen oder sind stark unterernährt.

Kranke Igel brauchen warme Temperaturen

In fröhlichem Gelb strahlt der Eingang zur Igelstation in den grauen Herbsttag. Die Station liegt in Wuppertal, versteckt in einem kleinen Hinterhof, direkt an einer Hauptverkehrsstraße. Dort, wo ursprünglich ein großer Büroraum geplant war, bekommen nun jährlich 300 bis 400 Igel aus ganz Nordrhein-Westfalen Hilfe. »Aktuell haben wir 110 Igel hier«, sagt Monika Thomas, gelernte Tierheilpraktikerin und Gründerin des „Netzwerk Igel e.V.“ und öffnet die Tür. Durch die mit einem blauen Rand ummalten Fenster fällt fahles Herbstlicht in die Station und es riecht nach Katzenfutter und feuchtem Zeitungspapier.

Auf der Igelstation herrscht eine angenehme Zimmertemperatur. „20 Grad, das brauchen die geschwächten Igel um fit zu werden“, weiß die Tierheilpraktikerin Monika Thomas. Jede Box ist etwa einen Quadratmeter groß. Drinnen befindet sich ein kleines Häuschen aus Karton. Vor dem Karton stehen kleine Schüsselchen mit Wasser und Futter. Kinder, die hier aus lauter Tierliebe beim Füttern und Saubermachen gelegentlich aushelfen, haben ein paar Igeln Namen verpasst und diese auf bunte Zettel gekritzelt: Karl, Tommy, Max oder Moritz.

Igel Karl

Auf der Igelstation gibt es eine feste Tagesordnung

Erster Punkt auf der Tagesordnung: die Futterliste. Bei jedem Igel wird genau dokumentiert ob und wie viel er über Nacht gefressen hat. Dann stehen Pflege und Putzen auf dem Programm: Zuerst die Futter- und Wasserschalen aus den Boxen nehmen, spülen und danach jede einzelne Kiste säubern. Altes Zeitungspapier raus, auswischen und die Kiste wieder mit neuem Papier auslegen. „Bei den jungen Igel ist manchmal kein Papierfetzen mehr so wie er vorher war“, sagt Monika Thomas schmunzelnd. Weiter geht es dann mit Häuschen falten, Zeitungspapier in Stücke reißen, Wunden pflegen oder Igel entwurmen. Abends ist dann Fütterungszeit. 16 Kilo Nassfutter werden jeden Tag für die 110 Igel zubereitet.

 

Nach der großen Putzaktion haben sich die meisten Igel in ihr kleines Häuschen zurückgezogen und warten bis es Nacht wird. Mal sieht man eine Pfote, mal die schwarze feuchte Nase, ein anderes Mal hört man sie, wie sie durch das Zeitungspapier rascheln. Dann ist wieder Ruhe. „Die jungen Igel sind deutlich neugieriger und aktiver“, so Thomas. Sie tippeln auch tagsüber durch ihre Box und recken ihre kleinen Näschen in die Luft – immer auf der Suche nach Futter.

Zu futtern gibt es Katzenfutter, Rinderhack und Mehlwürmer

Der kleine Jungigel im Brutkasten wirkt, als sei er auf seinem Essen eingeschlafen. Er hockt auf dem prall gefüllten Napf mit der Schnauze nach unten. Aber das typische Schmatzen ist nicht zu hören. „Er weiß nicht, ob er sich jetzt weiter einrollen soll“, sagt Thomas. Droht Gefahr durch die plötzliche Störung beim Futtern? Der Igel ist auf Lauerposten. Als die menschlichen Stimmen verstummen, wendet sich das Tier wieder Katzenfutter, Rührei, Rinderhack und ja, auch Mehlwürmern, zu.

Igel rollt sich in der Hand ein

„Die Igel sollen daran gewöhnt bleiben, was es in der freien Natur für sie zu essen gibt«, sagt die Tierfreundin. Denn das Ziel sei es schließlich, die munteren Stachler einmal wieder in ihre natürliche Umgebung zurück zu setzten. „Die Leute, die uns die Tiere bringen, sind meist bereit, sie bei sich auch wieder auszusetzen“, freut sich Monika Thomas. Denn was den Stachlern im Moment fehlt, ist eigentlich nur Gewicht. So 500 Gramm sollten die Igel mindestens haben, bevor es in den Winterschlaf geht. „Mehr wäre besser“, gibt Thomas zu bedenken. Doch die Futterlisten auf den Käfigen zeigen, dass bei einigen noch ziemlich Luft nach oben ist.

Mit einer Küchenwage wird das Gewicht bestimmt

Eine ganz normale Küchenwaage kommt zum Einsatz, wenn die Igel gewogen werden. Vorsichtig hebt Thomas das Igelmännchen „Karl“ aus seiner Box. „Karl“ hat die Nummer 214 und ist somit das neuste Mitglied auf der Igelstation. Vor wenigen Tagen wurde er hungrig und teilnahmslos auf einer Wiese gefunden. Wie ist sein Zustand? Zecken hatte er keine mehr, aber eine Wurmkur sollte er noch bekommen.

Der Igel schaut sich neugierig um: schwarze Kulleraugen und ein feuchtes Näschen. In den Stacheln hängen noch ein paar Zeitungsschnipsel. Monika Thomas stellt die weiße Schüssel auf die Waage und drückt die Tara-Taste. Vorsichtig setzt sie den Igel in die Schale. Die Waage beweist: Der Neuzugang hat gut reingehauen. 100 Gramm hat „Karl“ seit seiner Ankunft zugenommen. „Das ist eine gute Nachricht“, freut sich Thomas. Jetzt braucht „Karl“ nur noch eine Wurmkur und dann kann er schon bald in sein altes Jagdrevier zurück und dort in den Winterschlaf gehen.

Mit einer Zahnbürste werden die Stacheln gesäubert

Bis Mitte April schlafen die Igel

Alle anderen Igel, die ihr Winterschlafgewicht nicht rechtzeitig erreichen, kommen in das Winterschlafquatier. Dort schlafen sie dann fünf Stockwerke über der Wupper, in einem dämmrigen und eiskalten Raum, bis sie Mitte April wieder aufwachen. Dann werden sie nach und nach aus ihrem Winternest geholt und in der Igelstation durchgecheckt: wiegen, Krallen schneiden und putzen steht für die ausgeschlafenen Tiere auf dem Programm. Sind sie gesund und munter, werden die Igelfinder angerufen und die Igel werden wieder ausgesetzt.