Schauspieler am Theater ist kein typischer Berufswunsch für junge Menschen. Mervan Ürkmez hat sich diesen Wunsch erfüllt und in diesem Jahr sein Schauspielstudium in Hamburg abgeschlossen. Seit der Spielzeit 2017/2018 arbeitet er nun am Theater Oberhausen. Der 23-Jährige hat mit uns über seine Arbeit als Theater-Schauspieler und den Weg dorthin gesprochen.

Für dein Schauspielstudium musstest du eine Aufnahmeprüfung absolvieren. Welche Hürden musstest du noch überwinden, um Schauspieler zu werden?

Auf jeden Fall diese verflixten Vorsprechen. Eine große Hürde war eben: Aufgenommen werden an der Schauspielschule. Da macht man ja immer mehrere Runden durch, in der Regel so drei Runden – immer über einen sehr langen Zeitraum. Bei manchen klappt es beim ersten Mal, bei anderen beim dreißigsten Mal. Da geht man an verschiedene Schulen und spricht vor, weil das sehr viele wollen. Es ist natürlich eine große Hürde, da aufgenommen zu werden. Ich habe mich an zehn Schauspielschulen beworben, also so ein Jahr lang die Runde gemacht. Eine andere Hürde kommt dann nach dem Studium. Auf einmal macht man vier Jahre später dasselbe, diesmal an Theatern. Nur dass jetzt alle eine Ausbildung haben, alle sind gut. Das Ganze hat auch viel mit Glück und Zufällen zu tun und es ist relativ willkürlich, wer dann ein Vorsprechen oder Arrangements bekommt. Da geht es dann, auch wenn es nicht klappt, viel ums Kennenlernen, dass man vielleicht da selber auch nicht hinwill. Das sind zwei große Hürden. Dazu kommen natürlich eigene Hürden, die man aufbaut. Bei mir zumindest hat das ganz viel zu tun mit Ängsten überwinden, mit Schüchternheiten überwinden. Man wird doch immer wieder auf sich selbst zurückgeworfen und auf das, was man selber an Themen mitbringt. Da sind viele Hürden, die man permanent überwinden muss, auch jetzt noch.

Hast du denn auch mal an deinem Berufswunsch gezweifelt oder Angst gehabt zu scheitern?

Ja, das auf jeden Fall – beides. Zweifeln dadurch, dass ich Angst habe zu scheitern. Wenn es dann nicht klappt, ist es natürlich enorm verletzend. Gerade wenn es knapp war. Man erfährt schon viele Absagen und viele Rückschläge, natürlich zweifelt man dann. Aber auch Zweifel beim Machen – jetzt hier oder vorher in anderen Sachen, wo ich gespielt habe. Dass man es generell als Kunstform permanent hinterfragt, ob es jetzt funktioniert. Manchmal finde ich Theater total bescheuert und denke, das geht alles gar nicht. Und das kann gar nicht so gut funktionieren wie Film. Und das kann gar nicht so gut funktionieren wie bildende Kunst. Das ist auch ein Zweifeln, dass ich denke, eigentlich muss ich etwas ganz anderes machen. Ich merke dann aber immer wieder, es macht auch Sinn und Spaß und es nicht ganz verkehrt, das zu tun.

Die besten Film-Schauspieler haben Mitte November einen Bambi bekommen, Soap-Darsteller erreichen ein Millionen-Publikum – was reizt dich an der Arbeit am Theater?

Am Theater reizt mich im Gegensatz zum Film: Theater kann natürlich in eine unmittelbare Kommunikation mit dem Publikum treten. Das Theater als einzige Kunst. Da sind Leute, die zuschauen, und Leute auf der Bühne. Alle sind irgendwie dabei wie Momente kreiert werden und können in einen unmittelbaren Austausch treten und das ist die große Stärke am Theater. Und das kann Film natürlich nicht, Film kann andere Sachen sehr gut.

Für „Die Schneekönigin“ probt Mervan Ürkmez den Umgang mit Puppen auf der Bühne. Foto: Privat

Lukrativer wäre aber bestimmt ein Job beim Film oder Fernsehen, oder nicht?

Ja, geht so. Das denkt man ja immer so. Die Sache ist beim Film: Natürlich bekommt man da pro Drehtag sehr, sehr viel oder relativ viel und mehr als am Theater pro Probentag, aber dafür natürlich ganz anders verteilt. Deswegen ist das auch nicht unbedingt lukrativer. Da muss man wirklich Glück haben, dass es lukrativer wird. Weil es sich aufs Jahr meist gar nicht so super viel rechnet. Und hier habe ich jetzt mein festes Gehalt und deswegen lebe ich gerade hier lukrativer.

Was möchtest du jungen Menschen mitgeben, die sich für die Arbeit am Theater interessieren?

Oh Gott, das ist jetzt eine große Verantwortung (lacht). Versuchen, auf jeden Fall, und nicht vorher schon Angst haben. Also das Versuchen und wenn sie merken, dass sie es wollen, dass es ihnen Spaß bringt: Dranbleiben, auch wenn man nicht direkt angenommen wird an einer Schauspielschule zum Beispiel. Wenn man selber merkt, es bringt mir was und ich probiere es auch. Ich merke, es bringt mir weiterhin was. Und ja das könnte meins sein, seinen Weg finden und dafür einstehen. Und in der Arbeit selber nicht aufhören darüber nachzudenken, warum man das macht und was man da eigentlich macht. Weil es ganz schnell passiert, dass einem das andere Leute sagen.

Ein Theaterbesuch ist keine typische Samstagsabend-Beschäftigung für junge Menschen. Wieso sollten sie ins Theater gehen?

Für mich schon (lacht). Es gibt viele Gründe, aber ein Grund ist, dass man Teil sein kann wie so Dinge entstehen oder Gedanken auf die Bühne kommen, formuliert oder verbildlicht werden. Was Kunst kann oder konkret das Theater ist ja wie ein Gedanke oder ein Gegenstand. Es wird so hingestellt und Leute schauen sich das an und erleben das mit. Emotional und intellektuell. Bekommen im Idealfall Gedankenanstöße. Aha-Effekte, wo sie Sachen verstehen oder über Dinge lachen und das Lachen hinterfragen. Oder dass sie traurig sind und ihr Traurig-Sein hinterfragen. Das kann einem, glaube ich, sehr viel geben und total etwas mit einem machen. Und wenn man ein gutes Theaterstück sieht, und man sieht auch wirklich viel Bullshit (lacht), dann habe ich es auch, der es schon natürlich eine Weile macht: Ach so habe ich es ja noch nie begriffen oder so habe ich das noch nie verstanden und diese Kraft ist natürlich am Theater stärker als beim Film. Film funktioniert da anders. Aber im Theater ist das besonders stark, weil man, wenn es funktioniert oder aufgeht, emotional ganz anders berührt werden kann. Weil es eben jetzt gerade entsteht und dadurch eine Magie entwickeln kann.

War der Beruf Schauspieler schon ein Kindheitswunsch bei dir?

Ne, als Kind wollte ich andere Sachen werden. Ich hatte mal die Idee mit meinen Schwestern eine Tierarztpraxis aufzumachen. Dann wollte ich ganz lange Bergsteiger werden, weil ich gelesen habe, dass man dann Zelte in die Felsen reinhaut und da schläft. Das finde ich immer noch cool. Theater kam dann irgendwann, dass ich nachmittags in der Theater-AG an der Schule gespielt habe. Da bin ich durch meine Schwester hingekommen. Dann ist sie zum Jugendtheater vom Theater Konstanz gegangen und ich dann auch, weil es cool war. Da war es dann so, dass ich irgendwann Statisterie und dann kleine Rollen im professionellen Ensemble dort hatte. Dann ist man da so drin und man lernt die Welt und die Leute kennen und man denkt so: Irgendwie ist das cool. Und so entsteht der Wunsch nach und nach. Meine Eltern haben mich gefragt: Willst du nicht auch über andere Sachen nachdenken. Das habe ich auch. Ich habe dann in Berlin angefangen Theaterwissenschaft und Kommunikationswissenschaft zu studieren, dann aber gemerkt – auch weil ich schon bei Vorsprechen an Schauspielschulen war: Schauspiel ist schon das, was ich mehr will.

Mervan Ürkmez ist momentan in den Produktionen „Schimmelmanns – Verfall einer Gesellschaft“, „TRASHedy“ und „Die Schneekönigin“ zu sehen.