Astrologie erlebt seit einiger Zeit einen regelrechten Hype in den sozialen Medien. Wer kennt sie nicht, diese eine Person im Bekanntenkreis, die öfter ihre Charakterzüge auf ihr Sternzeichen schiebt: „Wir Widder sind halt einfach stur“ oder „Löwen sind alle dominant.“, heißt es dann. Auch wenn es keinerlei wissenschaftliche Evidenz gibt, glauben nicht wenige daran. Um den Hype besser zu verstehen, hat Tagger die beiden Astrologie-Fans Sina Kwiatkowski und Sarah Scholz interviewt.

Ein Interview von Denise Osterbrink und Christina Rüsing

Tagger: Es ist Fakt, dass es keinerlei wissenschaftliche Evidenz im Bezug auf Astrologie gibt. Was sagst du dazu?

Sina:  Man kann sagen, dass die Astrologie noch nicht genug erforscht genug ist. Dennoch ist es belegt, dass ein Wechsel des Mondes regelmäßig stattfindet und es wechselnde Sterne in den jeweiligen Sternbildern gibt, in denen der Mond steht.

 Sarah:  Im Grunde wäre dann kein „Glauben“ existent, denn auch Religionen sind nie wissenschaftlich belegt worden. Alles beruht auf Beobachtungen, alten Aufzeichnungen. Inwieweit man sich selbst damit identifizieren kann, ist dann jedem selbst überlassen. Auf mich persönlich und meinem Umfeld passt es haargenau, weswegen ich auch ohne Belege an die Astrologie glaube.

Tagger: Wie ist deine Haltung zur Astrologie?

Sina: Bei mir hat das ganze angefangen, da war ich acht Jahre alt. Ich habe morgens immer die Horoskope auf Sat1 gehört, aber noch nicht dran geglaubt. Irgendwann bin ich dann auf ein Buch von meiner Mama gestoßen. Ein ganzes Buch mit Erklärungen für jedes Horoskop, jede Eigenschaft, die Schwächen, die Vorlieben und so weiter. Ich habe gemerkt, dass meine Mama ziemlich jähzornig und laut ist, mein Vater auch – beide Widder. So war das eigentlich bei jedem Widder, den ich bisher kennengelernt habe.

Sarah: Ich finde immer wieder Parallelen zu unserem Verhalten, dem Verhalten der Menschen und deren Sternzeichen. Ich glaube auch, dass unsere Charakterzüge viel davon abhängen, wann, wo und an welchem Ort wir geboren sind. Ich bin mir sicher, wäre ich am 30.03.1992 um 18:42 Uhr in Kuba geboren, wäre ich von meinen Charakter her ein anderer Mensch.

Tagger: Rechtfertigen Sterne wirklich bestimmte Charakterzüge von uns?

Sina: Sterne können nicht unsere Charaktere rechtfertigen. Doch die Bestimmung der Sternenkonstellationen in den jeweiligen Monaten ist eine Beschreibung des Sternzeichen. Man kann ein Sternzeichen nicht für alle Menschen verallgemeinern.

Sarah: Wenn laut der Astrologie der Charakterzug zornig, rechthaberisch oder ablehnend zu sein scheint, muss man dies ja nicht zwingend ausleben. Man kann dennoch an sich arbeiten. Das eigene Verhalten kann man damit nie rechtfertigen.

Tagger: Was fasziniert dich so an der Astrologie?

Sina: Jedes Lebewesen ist individuell. Mit einer anderen Lebensweise und Geschichte. Doch die Sternzeichen sind sich alle irgendwo ähnlich. Manche Charakterzüge kann man direkt verstehen bzw. erkennen. Deswegen ist Astrologie für mich wichtig, weil man jeden Menschen dadurch leicht definieren kann. 

Sarah: Mich fasziniert einfach alles daran und wie weit man sich selbst in der Astrologie wiederfinden kann. Astrologie kann auch als Wegweiser fungieren. Wenn man sich die Zeit nimmt, sich mit sich selbst, seinen positiven sowie negativen Eigenschaften auseinandersetzt, kann man aufschlussreiche Antworten finden.

Tagger: Ist es haltbar zu sagen, dass die Astrologie nur eine Pseudo-Wissenschaft und sogar mit Gefahrenverbunden ist?

Sina: Nein. Astrologie ist ein breit gefächerter Begriff. Horoskope sind nicht das einzige, was das Universum beschreibt. Menschen suchen nach dem Sinn des Lebens. Die Findung der Identität ist jedoch ein langer Prozess. Astrologie ist ein Mittel, ebenso wie ein Glaube, seine Identität zu erklären und für Menschen ihren Charakterzügen einen Namen zu geben.

Sarah: Vielleicht ist sie keine Wissenschaft, aber wie auch beim Glaube ist die Astrologie in meinen Augen mit einem Urvertrauen verbunden. Allein auf die Erfahrungen Jahrhunderte alter Astrologie zurück greifen zu können hat, mir die Möglichkeit gegeben mich selbst besser zu verstehen.

Gefährlich finde ich Astrologie auf keinen Fall. Ganz im Gegenteil – wie bei einer Religion kann dies einen wieder auf die richtige Bahn bringen.

Tagger: Ist Astrologie eben nicht auch das – ein persönlicher Glaube?

Sina: Ja, aber ein Horoskop ist kein Ersatz für persönliches Denken, Fühlen und Erleben, für eigenverantwortliche Entscheidungen und auch nicht für Gebet und Meditation. Ein Horoskop weist auf in der Persönlichkeit angelegte Möglichkeiten hin und auf kosmische Zeitzyklen, in deren Rahmen man sich entfalten kann.

Sarah: Die moderne Astrologie basiert auf einer uralte Weisheitslehre, die Jahrhunderte lang immer wieder aufgearbeitet wurde. Die Astrologie von heute ist vor allem eine Charakterseelenkunde. Ein kleiner Wegweiser unsere Seele, eine Art Glaube, ja. Christian Neumann aus der Lehrredaktion Hörfunk hat sich ebenfalls Gedanken zum Thema Astrologie gemacht. Seinen Kommentar dazu finden Sie hier: https://tagger.de/2022/01/17/christian-neumann-ueber-astrologie/