Kira Koppin mit ihrem blinden Kater Bärchen. Das Wohlergehen von Katzen spielt in Kiras Leben eine sehr große Rolle (Foto: Fiona Kubillus)
Katzenschutz trotz Vollzeitjob: Kira Koppin rettet verwilderte Straßenkatzen im Ruhrgebiet undzeigt, wie schlimm es um die Vierbeiner steht. Die Verantwortlichen für das Leid sind keine Unbekannten.
Ein Bericht von Isabelle Krämer und Fiona Kubillus
Nach Schätzung des Deutschen Tierschutzbundes streunen deutschlandweit fast zwei Millionen Katzen herrenlos umher. Das Elend findet im Verborgenen statt, weil die Katzen überwiegend nachtaktiv sind, um sich vor Menschen und Autos zu schützen. Kira arbeitet seit 12 Jahren ehrenamtlich für den Katzenschutzbund in Essen. Sie ist eine der wenigen, die die Augen vor dem Katzenelend nicht verschließen, sondern anpacken. Neben ihrem Haus hat sie eine Auffangstelle für Katzen gebaut. Dort versorgt sie seit zwei Jahren Straßenkatzen.
Von einem Zuhause auf die Straße
Die Hauptaufgaben des gemeinnützigen Katzenschutzbundes bestehen darin, freilebende Katzen zu kastrieren, registrieren und zu versorgen, beispielsweise mit Futterstellen. Verwilderte Katzen, die nicht vermittelbar sind, werden an ihrem Einfangort wieder freigelassen. Die Straßenkatzen sind Nachkommen ehemaliger Hauskatzen, die von ihren Besitzern ausgesetzt werden und anschließend verwildern. Sie sind keine Wildkatzen. Die Straßenkatzen wurden über Jahrtausende domestiziert, weswegen ihr Immunsystem und ihre Jagd-Fähigkeiten nicht darauf ausgelegt sind, in freier Wildbahn zu überleben. Schon gar nicht in einer Großstadt. Sie hungern, sind von Infektionskrankheiten und Parasiten geschwächt und dem Wetter schutzlos ausgeliefert. Straßenkatzen pflanzen sich schnell fort. Dem deutschenTierschutzbund zu Folge kann eine Katze in zehn Jahren bis zu 200 Millionen Nachkommen haben.
Kastrationspflicht: Ein Gesetz mit Hindernissen
Die Kastrations-, Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht (Katzenschutzverordnung) besteht seit 2016 in Essen, jedoch nicht flächendeckend in ganz Nordrhein-Westfalen. Die Katzenschutzverordnung bezieht sich nur auf private Freigängerkatzen, nicht auf Hauskatzen. Jede Stadt kann eigenständig über eine entsprechende Regelung entscheiden. Tierschützer fordern daher eine einheitliche gesetzliche Vorschrift, um die unkontrollierte Fortpflanzung von Katzen einzudämmen.
„Ich sehe das Leid der Katzen täglich und Kastration ist die einzige Lösung. Deswegen will ich darüber aufklären“, sagt Kira. Aus unterschiedlichen Gründen weigern sich einige Menschen, ihre Katze zu kastrieren. Vielen sind die Kosten zu hoch oder sie wollen mit den Katzen züchten, um Geld zu verdienen. Einige weigern sich aus kulturellen Gründen, da Kastration bei Katern als „Entmannung“ empfunden wird. Der Katzenschutzbund spürt die Besitzer auf und meldet sie dem Ordnungsamt, was jedoch selten zu Bußgeldern oder Strafanzeigen führt.
Verkaufsportale im Internet – eine weitere Ursache für das Katzenelend
Während der Corona-Pandemie boomte der Handel mit Haustieren. Viele Menschen fühlten sich einsam und kauften sich deshalb ein Haustier. Kira erinnert sich mit Schrecken daran, wie täglich unzählige Katzen auf Kleinanzeigen Portalen angeboten wurden. Nach der Pandemie werden viele der angeschafften Haustiere abgegeben oder ausgesetzt, weil Zeit und Geld für die Tiere fehlen. Laut dem Deutschen Tierschutzbund bestätigen rund 80 % der Tierheime, dass die Zahl der aufgenommenen Tiere infolge der Pandemie stark gestiegen ist. Viele Tierheime sind inzwischen überfüllt und nehmen keine weiteren Tiere auf. Aus diesem Grund werden immer mehr Katzen ausgesetzt. „Wenn sie nicht rechtzeitig gefunden werden, verwildern sie und die Population der Straßenkatzen wächst weiter“, erklärt Kira.
Trotz dieser Probleme wächst der Verkauf von Katzen über das Internet ungebremst. Für viele Hobbyzüchter steht der Profit im Vordergrund, nicht das Wohl der Tiere. „Die Katzen werden billig ernährt, zu früh von ihren Müttern getrennt und haben oft nie einen Tierarzt gesehen“, berichtet Kira. Sie fordert daher ein Verbot des Online-Handels mit Tieren und strengere Tierschutzgesetze für die gewerbliche Zucht.
,,Katzen gehören ins Haus”
Stefan Lacher, Jäger aus Gelsenkirchen, sieht die Situation der Katzen kritisch. „Katzen sind intelligente Tiere aber gehören ins Haus, wo sie keine anderen Tiere stören oder jagen“, erklärt er. Obwohl er Katzen schätzt, hält er das tierschutzgerechte Töten herrenloser Streunerkatzen für eine bessere Lösung als die Kastration, da es kostengünstiger und effektiver wäre. Lacher kritisiert, dass kastrierte Streunerkatzen oft einfach ausgesetzt werden, da sie schwer zu zähmen sind. Zudem bemängelt er, dass einige Tierschützer ohne qualifizierte Fangmethoden und mit tierschutzwidrigen Fallen arbeiten. „Selbst mit den richtigen Geräten bleibt das Problem: Alle Streunerkatzen und Freigänger müssten gefangen und kastriert werden. Das ist ein unrealistisches Ziel!“
Kastration rettet Leben
Die Tierärztin Eva Gocke-Stürmer aus Essen sieht in der Kastration den wichtigsten Schritt um das Leid einzudämmen.Für Menschen, die ihre Katzen nicht kastrieren wollen, hat sie wenig Verständnis. „Das Kastrieren von Katzen hat keinenegative Auswirkung, sogar ganz im Gegenteil“, sagt Eva Gocke-Stürmer. Laut der Tierärztin verringert Kastration das Risiko von Gebärmutterentzündungen und Gesäugekrebs. Außerdem würden kastrierte Katzen weniger territoriales Verhalten zeigen, wodurch sich Krankheiten wie Katzen-Aids und Katzenschnupfen weniger verbreiten.
Wir brauchen Verantwortung
„Es werden immer mehr, trotz Kastrationspflicht.“ Das ist nicht nur die Einschätzung von Tierschützerin Kira, wenn es um die Anzahl der herrenlosen Katzen geht.
Wenn nicht besser aufgeklärt und strenger kontrolliert wird, könnte sich die Situation verschärfen.
Ehrenamtliche Tierschützer wie Kira fordern mehr Unterstützung, um das Leid einzudämmen. „Wir vergessen oft, dass es die Menschen sind, die dieses Katzenleid verursacht haben.“ Verantwortungsbewusstes Verhalten der Tierhalter ist essenziell. „Dazu gehört eine bundesweite Kastrationspflicht und mehr Aufklärung über die Problematik”.








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