Fynn Müller (rechts) im Gespräch mit Marcel von den „Bronaldos“. Foto: Martin Zilse
Mit 21 Jahren sein eigener Chef sein? Was nach Wunschdenken klingt, ist für Fynn Müller Realität. Warum man als Eventveranstalter starke Beine, Selbstsicherheit und Flexibilität haben muss.
Von Ben Laakmann
Der sonst leere Marktplatz im Rheinberger Dorf Borth hat sich in eine aus Bierzelten überdachte Tanzfläche verwandelt. Über nicht mehr ganz feste und nasse Pflastersteine geht es in den noch ruhigen und leeren Innenraum. Die letzten Vorbereitungen laufen. Ein Plastikweihnachtsbaum schmückt die kleine Bühne am Ende des Zeltes. Rechts der Bühne, an einem vereinzelten Stehtisch, steht Fynn Müller. Groß und schlank gebaut. Blonde, nach rechts gegelte Haare. Schwarzes T-Shirt, blaue Jeans. Wie stolz er bis hierhin ist, beantwortet er mit angespanntem Blick: „Werden wir gleich sehen.“
Empfangskomitee und Anlaufstation
Die „GluehBeats“ Feier beginnt. Scheinwerfer blenden die Sicht. Stechend süßlicher Geruch einer Nebelmaschine macht sich breit. Die übergroßen, auf das Publikum gerichteten Lautsprecher lassen Boden, Theke und Körper vibrieren. Das zuvor hörbare Prasseln von Regen gegen das Zeltdach, hat keine Chance. Die Beine von Fynn machen bereits jetzt Überstunden. Während das knapp 750 Personen große Publikum abfeiert, muss Fynn immer wieder ankommende Sängerinnen und Sänger abholen. Diese werden kurzerhand persönlich außerhalb des Geländes in Empfang genommen und anschließend per Hintereingang in den Backstagebereich geschleust. Dieser fällt bei GluehBeats eher in die Kategorie Tiny-Living. Ein grob vier mal drei Meter großer Bereich, mit einem schwarzen Tuch zum Rest der Halle abgetrennt. Die überbleibenden Momente werden mit Fragen wie: „Wo ist die Toilette? Wo können die Jacken hin?“, oder aber mit Ablaufplanung gefüllt. Ob vor oder hinter der Bühne, jeder scheint etwas zu wollen.
Kosten und Risiko
Für Fynn Müller war die Selbstständigkeit schon immer das Ziel. Bereits zu Schulzeiten war das Befolgen von Lehreranweisungen eher optional. Nach dem Abitur und einem kurzen Abstecher in die Getränkebranche, hat er sich gemeinsam mit zwei Freunden im Sommer selbstständig gemacht. Laut der staatlichen Förderbank KfW scheitern ein Drittel aller Neugründungen in den ersten drei Jahren. Fünf Jahre nach Gründung sind es schon 61 Prozent. Dass die Selbstständigkeit ein Risiko mit sich zieht, weiß auch Fynn Müller. Behauptet aber selbstbewusst: „Es ist immer mit nem gewissen Risiko verbunden, aber das musste halt eingehen. Klar, es läuft nie alles gerade, aber wir sind so Typen, wir versuchen für alles ne Lösung zu finden.“ Dennoch, neben Security, Videografen, Bühnenprogramm und Location kostet das Event rund 40.000 Euro.
Käse und Schlauchboote
Den ersten Auftritt will sich der 21-Jährige nicht entgehen lassen und eilt neben die Bühne. Megapark DJ Chris Mega, in oranger Brille und schwarzem T-Shirt, sowie kurzer Hose gekleidet, kündigt den ersten Auftritt an. Sänger Küchenmeister, mit zwei Gläsern Käse bewaffnet, betritt die Bühne. Auf halber Strecke durch den Auftritt, greift Küchenmeister zu den Gläsern. Anschließend wirft er, passend zum Mallorca-Hit „Babybel“, die in rotem Wachs verpackten Käsekreise in die tobende Menge. Fynn schmunzelt. „Ich habe die ganzen Künstler gefragt, was sie brauchen für den Auftritt. Du denkst, der braucht ne Nebelkanone oder bestimmte Lichter. Und dann kommt der an mit: Ich brauch Babybel.“ Wenig später erklärt sich auch das Schlauchboot, das bisher nur angelehnt an der Bühnenseite steht. Während des Songs „Tretboot“ wird auf dem Boot durch die Menge geritten und gesungen. Auch hier müssen Fynn und Team spontan reagieren, indem sie das Boot selbst durch die Menge tragen.
Planänderung und Überprüfung
„Der Lorenz Büffel ist zu früh gelandet. Jetzt müssen wir spontan den Zeitplan ändern.“ Eigentlich sollte dieser erst um Mitternacht auftreten, scheint nun aber 30 Minuten zu früh zu sein. Jetzt gibt auch der bisher von sich überzeugte Organisator zu: „Jetzt haben wir doch ein kleines Problem“. Wilde, aber ruhige Gestikulationen sorgen dafür, dass in Windeseile Mikrofon und Lichter nochmals überprüft werden und der Ablaufplan angepasst wird. Wenig später öffnet sich die Hintertür. Ein in rotem Bademantel mit weißem Bart bekleideter Mann betritt das Zelt. Lorenz Büffel mit seiner gehörnten Cap ist angekommen. Fynn wirkt doch etwas unruhig auf den Beinen. „Nee, ich tanz nur mit“, sagt er lachend. Und tatsächlich, mitten im mit 20 Leuten überfüllten Backstagebereich, singen nicht nur die Profis Lieder mit, sondern auch Fynn Müller packt selbstsicher seine Textsicherheit aus.
Reste und Abbau
Die Ohren pulsieren und pfeifen. Auch ohne Musik scheint man dieselben Lieder zum achten Mal zu hören. Das Schlauchboot, dessen Einsatz mit einer Bruchlandung endete, liegt in einer Ecke. Die Tanzfläche ist bedeckt von Flecken, Bechern und Käseresten. Fynn Müller ist ein Lächeln nicht mehr vom Gesicht zu nehmen. Es war nicht nur ein voller Erfolg, für ihn ist es auch mehr als nur ein Event. „Borth muss wiederbelebt werden. Im Dorf findet nichts statt. Keine Events, kein Markt. Gar nichts.“ Das soll sich ändern. Die Pläne für weitere Veranstaltungen laufen bereits. Für heute ist jedoch erstmal Schluss und nach über zwölf Stunden Arbeit verlässt auch Fynn Müller um drei Uhr rasch den Marktplatz, denn morgen früh um acht beginnt bereits der Abbau.


Comments are closed