Bildunterschrift: Die 112 zu rufen, könnte Anwohner in Essen bald bis zu 267 Euro kosten. Foto: Unsplash

Künftig sollen Bürgerinnen und Bürger einen Teil der Kosten für Rettungs – und Krankentransporte übernehmen. Nach heftiger Kritik hat die Stadt die Regelung vorerst wieder gestoppt. 

Von Noémi Enendu

In Zukunft den Rettungs- und Krankentransport selbst zu bezahlen, das könnte in Essen bald Realität werden – auch wenn die Rechnungen zunächst nicht versandt werden. Am 10.Dezember hat der Rat eine neue Gebührensatzung verabschiedet. Demnach müssten Essenerinnen und Essener ab dem neuen Jahr die Fahrten mit dem Krankenwagen anteilig selbst zahlen: Für eine Rettungsfahrt wären 26Euro fällig und für einen Krankentransport 620 AEuro.

Streit zwischen Kommunen und Krankenkassen ist Auslöser
Grund für diese Entscheidung ist ein Konflikt zwischen Krankenkassen und Kommunen. Dabei geht es vor allem um sogenannte „Leerfahrten“, bei denen ein Krankenwagen gerufen wird, aber kein Patiententransport stattfindet. Diese verursachen Kosten von rund 25 Millionen Euro. Daher wollen die Krankenkassen die Ausgaben für Rettungs- und Krankentransporte nicht mehr vollständig übernehmen. „Die Krankenkassen werden Festbeträge festlegen, die für jeden Transport mit dem Rettungsdienst gelten – alle über die Festbeträge hinausgehenden Kosten müssen dann direkt von den betroffenen Personen getragen werden“, teilt die Stadt Essen mit.

„Ich würde eher sterben, als mir einen Krankenwagen zu rufen“
Die neue Gebührensatzung sorgt bei vielen für Unnnnmut und Verunsicherung. Unter der Veröffentlichung des Informationsbeitrags der Stadt Essen auf Instagram häufen sich Fragen und Schuldzuweisungen. Auch Michael Weber, Patient im Alfried-Krupp-Krankenhaus in Essen, ist mit diesem Entschluss nicht einverstanden: „Ich finde es scheiße. Jetzt gehen die wieder auf die Kleinen, die Rentner, die sowieso schon nichts zahlen können.“ Zugleich versteht er, dass das Loch der Leerfahrten gestopft, werden müsse. Wer ohne Not einen Krankenwagen rufe, solle die Kosten dann auch selbst tragen.

Eine Essener Rentnerin aus Karnap, die anonym bleiben möchte, lebt von der Grundsicherung. Für sie ist klar: „Ich würde eher sterben als mir einen Krankenwagen zu rufen. Anders geht es nicht – wovon soll ich das denn bezahlen?“ Angst und Frustration ist bei ihr deutlich rauszuhören. Gesundheit dürfe laut ihr keine Frage des Kontostandes sein und verurteilt die neue Gebührenreform scharf. 

Essener Feuerwehrsprecher ermutigt Bürgerinnen und Bürger
Am 11. Dezember folgte eine Stellungnahme der Stadt und der Feuerwehr Essen in der Christian Schmücker, Pressesprecher der Feuerwehr, die neue Gebührensatzung erklärt und versucht, den Bürgerinnen und Bürgern die Sorgen zu nehmen. In einem Gespräch mit Tagger zeigt er sich trotz aller Unsicherheit zuversichtlich und appelliert: „Wie das bei allen Notsituationen im Leben der Fall ist, lassen Sie uns diese erst einmal bewerkstelligen und alles andere klären wir dann im Anschluss.“
Auf Anfrage unserer Redaktion beim Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) teilt dieser mit, dass sie für das „operative Geschäft mit Krankentransportleistungen“ nicht zuständig seien. Die Richtline des Gemeinsamen Bundesausschuss für Kranken – und Rettungsfahrten sieht vor, dass Fahrten aus zwingenden medizinischen Gründen ärztlich verordnet werden müssen und somit von den Krankenkassen übernommen werden.

Kehrtwende nach einer Woche: Essen nimmt Gebührensatzung vorerst zurück
Jetzt hat die Stadt Essen einen Rückzieher gemacht und den Versand der Bescheide zunächst bis Ostern ausgesetzt. „Wegen des medialen Drucks, aber auch, weil wir das als Stadt gar nicht wollen“, erklärt Feuerwehrsprecher Schmücker. Sollte es bis dahin keine neue Regelung geben, würden Rechnungen rückwirkend an die Betroffenen geschickt werden, da sonst ein zu großes Haushaltsloch entstehen würde. In der Debatte gelten vor allem die Leerfahrten als Kern des Problems. Wie sich die Situation ab Ostern entwickelt, bleibt abzuwarten.