In Zeiten alleinerziehender Eltern, Patchworkfamilien und junger Familien, wo beide Elternteile arbeiten, wird ein funktionierendes Konzept der Kinderbetreuung, auch nach der Schule, immer wichtiger. Während die Idee der Ganztagsschule ursprünglich nur in den weiterführenden Schulen Anwendung fand, wird solch ein Entwurf auch in den Grundschulen immer nötiger. Eines dieser Konzepte ist die offene Ganztagsschule, kurz: OGS!
Justus ist 19 Jahre alt und arbeitet als sogenannter OGSler an einer Grundschule in Siegen. Er hat dieses Jahr sein Abitur gemacht und verdient sich nun sein Taschengeld als Kinderbetreuer, wenn die Lehrer schon Feierabend haben:
Justus, wie genau funktioniert OGS eigentlich und wo liegen die Ziele der Maßnahme?
Da viele Eltern der Schüler mittlerweile bis in den Abend hineinarbeiten, bleiben die Grundschüler länger und betreut in der Schule. Hier können sie ihre Hausaufgaben des Tages machen, aber auch klassen- und altersübergreifend mit den Mitschülern spielen. Sie sammeln so wichtige Erfahrungen.
Ist es denn nicht wichtiger für die Entwicklung der Kinder, wenn sie öfter Zuhause sind anstatt den ganzen Tag in der Schule zu verbringen?
Nicht alle Kinder bleiben bis nachmittags in der Schule, aber wenn beide Elternteile in einem Fulltimejob arbeiten, dann ist dieses betreute Umfeld eine gute Möglichkeit der Interaktion für die Kinder. Die OGS ist kein Pflichtprogramm für die Schüler.
Wie genau hilft es den Schülern, wenn sie länger in der Schule bleiben?
Wir bieten den Kindern ein lockeres Umfeld nach der Schule. Zuerst gibt es etwas zu Essen und die Schüler bekommen genügend Zeit zu spielen, sich auszuleben. Besonders der klassenübergreifende Aspekt ist hier sehr wichtig. Von der ersten bis zur vierten Klasse interagieren die Kinder miteinander. Zwischendurch gibt es dann eine Stunde, wo Platz für Hausaufgaben und lernen ist. Dabei steht den Kindern geschultes Personal zur Seite, das bei Fragen hilft.
Wo genau liegt der entscheidende Unterschied zur Ganztagsschule, wie man sie aus den weiterführenden Schulen kennt?
An erster Stelle steht das Spielen und das spielend lernen. Es wird wirklich viel draußen gespielt, es gibt einen Schulhund und es wird besonders auf gesunde Ernährung geachtet. Ständig steht Rohkost für die Schüler zur freien Bedienung bereit. Ganz generell wird sich sehr persönlich um die Kinder gekümmert.
Wenn das Spiel so im Vordergrund steht, widerspricht das dann nicht der Idee von Hausaufgaben der Lehrer?
Leider gibt es tatsächlich viele Streitpunkte zwischen den Lehrern und OGSlern. Die Lehrer haben natürlich einen vorgeschriebenen Lehrplan und eine feste Vorstellung von ihrem Unterricht. Daher versuchen wir die Hausaufgabenzeit so gut wie möglich einzuhalten und wenn die Schüler schnell mit ihrem Stoff fertig sind, dann können sie weiterspielen.
Das heißt die OGS ist selbstständig und arbeitet nicht mit den Lehrern zusammen?
Ja, und das führt natürlich zu Unstimmigkeiten im Ablauf und in den Absichten, aber es gehört dazu, dass es einen Unterschied gibt zwischen dem, was man tun muss und dem, was man tun möchte. Wir können einfach etwas freier und kreativer arbeiten als die Lehrer. Diskussion muss ja nicht unbedingt schlecht sein.
Du bist gerade erst mit dem Abitur fertig. Wie ist es plötzlich auf der anderen Seite des Pultes zu stehen?
Ich habe mich schon zu Schulzeiten öfter mit der Situation auseinandergesetzt als Lehrer zu agieren und ich habe den Anspruch an mich selber, es besser zu machen als meine Lehrer damals. Es sollte jedermanns Ziel sein, etwas zu verbessern. Deshalb versuche ich eine persönliche Bindung zu den Schülern aufzubauen und nicht den typischen Lehrer raushängen zu lassen.
Ist das nicht ein Widerspruch? Du hast gerade erst deine schulische Laufbahn beendet und willst schon selber unterrichten? Fühlst du dich reif genug dafür?
Wenn man etwas gerne tut und sich dazu berufen fühlt, dann gibt es kein falsches Alter, um es einfach zu versuchen. Ich möchte schließlich irgendwann selber Lehrer werden.
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