Die Nacht der Nächte steht an – und kommt mit dem größten Stress des Jahres: Wo findet die „most awesome party ever“ statt? Warum das alles zum Kotzen ist.

Kaum ist der Sommer vorbei, fängt auch schon die von Punsch erfüllte Zeit des Jahres an. Ab Ende August gibt es nicht nur endlich Spekulatius und Lebkuchen in allen Supermärkten zu kaufen – auch Silvester steht wieder vor der Tür. Und nichts stresst so sehr, wie die ab Mitte des Jahres am meisten gestellte Frage: „Was machst du eigentlich Silvester?“

Fear of missing out

Keine Fete wird so heiß diskutiert wie die des neuen Jahres. Und selbst die Gelassensten unter uns packt regelmäßig gegen Ende des Jahres diese Angst des Verpassens – kurz: Fomo. Fear of missing out, die Panik, wir könnten am Silvesterabend zwischen all den Partys DIE Party verpassen. Denn 365 Tage enden ja schließlich nur einmal im Jahr und fangen dementsprechend auch nur einmal neu an. Da darf man nicht nur zwischen Chipstüten und Discounter-Luftschlangen zuhause rumsitzen. Da muss man es so richtig krachen lassen. Den Spaß des Jahres haben. Schließlich müssen die Anekdoten dieses Abends dann vorerst für ein ganzes Jahr reichen.

Die Bandbreite an Möglichkeiten, den Abend des Jahres zu verbringen, ist riesig. Hatte nicht die Freundin etwas von einer abgefahrenen Hausparty erzählt, eine fette Sause mit viel billigem Wein und bescheidenem Feuerwerk um Mitternacht?! Oh, und war da nicht noch etwas im Berghain, diesem berühmten Berliner Club, in der man gleich mehrere Tage lang zu Techno-Musik feiern kann, vorher aber drei Tage anstehen muss und gegebenenfalls noch zwei Monatsgehälter hinblättern muss? Abgefahren! Oder wie wäre es mit einem schicken Empfang, bei dem es schlechtes Essen und wässrige Getränke zum Preis eines Kleinwagens gibt und bei dem man seine gespielte Etikette nach dem dritten Neujahrssekt so oder so ablegt? Hört sich gut an. Für die verschneite Skihütte mit der Gruppe Pärchen, die sonst witzige Spielabende und freitägliche Bowlingsessions veranstalten, ist es leider zu spät. Zu lange wollte man sich alle Möglichkeiten offen halten.

Studie zu Silvesterplänen 2017  © research now

Hype um eine mittelmäßige Feier

Hat man sich dann doch für eine Party entschieden, ist der Druck groß und die Erwartungen hoch. Am Buffet ernährt man sich anfangs nur von den kleinen Schnittchen, um ja keinen dicken Bauch im neuen Kleid zu riskieren und haut sich später aufgrund von akutem Heißhunger doch wieder die Chips und Salzstangen rein. Kurz vor zwölf, wenn alle schon leicht angetrunken sind, begibt man sich auf den Balkon, stellt erste Feuerwerkskörper bereit und hält den gekühlten Sekt zum Anstoßen in der Hand.

Sobald die feiernde Gesellschaft mit dem Countdown bei „vier” angekommen ist, stellt man fest, dass man wieder mal nach der falschen Uhr gegangen ist oder die Nachbarn zu früh ihre Böller in den Himmel schießen.

Ping! Alle stoßen an, verschicken Unmengen WhatsApp-Nachrichten, die das Netz überlasten; man spricht erste Wünsche fürs neue Jahr aus und erhofft sich, dass genau ab diesem Moment alles besser wird. Nach einer halben Stunde in der Kälte und der Feststellung, dass der Baum die Aussicht auf das Feuerwerk versperrt, findet man sich langsam in dem Club ein.

Ein Club voller als der andere

An diesem Abend gehen gefühlt alle Menschen der Stadt in diesen einen Club und nehmen es auf sich, auf dem Weg zur Bar dreimal angerempelt zu werden und dort eine halbe Stunde auf die Getränke warten zu müssen. Nach einem durchschnittlichen Abend und durchgeschwitzter Kleidung überlegt man, in den nächsten Club weiterzuziehen – bevorzugt, aufgrund der Unmengen alkoholisierter Leute, dann doch schon nach Hause zu gehen und tritt den Heimweg schließlich barfuß an, da die Taxileitung dauerhaft besetzt und die Schuhe unerträglich geworden sind.

Egal, wie der Abend letztendlich verbracht wird – Silvester ist jedes Jahr immer wieder eines: ein Dilemma. Ein großer sozialer Feier-Zwang, dem man nicht entkommen kann und der uns immer wieder aufs Neue stresst. Es gibt eben nicht den ultimativen Abend, erst Recht nicht, wenn er so sorgfältig geplant und durchdacht wird wie hierzulande. Und mal ganz im Ernst: was ist denn schon zu verpassen bis auf Sekt und klebrigen Küssen um Mitternacht?! Nichts. Wirklich nicht.