Anna ist 21 Jahre jung und Polizeibeamtin im Kreis Recklinghausen. Neben ihren Tätigkeiten im Wach- und Wechseldienst ist sie als „Ruhrpottpolizistin“ auf Instagram unterwegs. Hier gibt sie Einblicke in den Polizeialltag und in das Studium der Polizei NRW. Mit Blaulicht im Blut, Herz und Leidenschaft nimmt sie ihre Follower mit hinter die Kulissen, um den Beruf durch ein persönliches Gesicht transparenter zu machen.
Von Astrid Witte
Mittwochnachmittag, kurz vor Weihnachten. Es ist ruhig vor dem Polizeipräsidium in Recklinghausen, welches für den Kreis Recklinghausen sowie für Bottrop zuständig ist. Der Himmel ist grau und das Wetter nasskalt. Der blau-gelbe Streifenwagen schimmert durch den Frost, der überall vor dem großen, dunklen Polizeigebäude liegt. Mit den vielen Fenstern und dem großen Eingang erinnert das Gebäude eher an ein Rathaus. Den Anblick kennt man aus den sozialen Netzwerken. Denn seit anderthalb Jahren betreibt die junge Polizistin Anna einen Instagram Account.
Obwohl die Polizei NRW bereits einen TikTok- und Instagram Account hat, rief sie während ihres Polizeistudiums in Eigeninitiative die „Ruhrpottpolizistin“ ins Leben. „Mir fehlte da noch ein bisschen dieser persönliche Touch, dass man eine Person vor Augen hat mit der man sich identifizieren kann“, sagt Anna über die Idee. Ihren Nachnamen möchte sie nicht nennen, um noch ein bisschen Anonymität zu wahren. Über eine steinige Treppe gelangt man in das Gebäude. Drinnen kommt einem der modrige Duft des alten Gebäudes entgegen. Die weißen Wände, die vielen Glasscheiben und dicken Türen sorgen für ein unbehagliches Gefühl. Hinter der kühlen Fassade erkennt man aber schnell: Hier arbeiten Menschen.
Einblicke in den Polizeiberuf
Ein freundlicher Beamter in Uniform, ca. 30 Jahre und 1,80 Meter groß, sportlich und braune Haare sitzt im Eingangsbereich hinter einer dicken Glasscheibe. Neben ihm steht eine Tasse Kaffee. „Guten Tag, wie kann ich helfen?“, fragt er mit einem Lächeln auf den Lippen. Er lässt Menschen in den angrenzenden Warteraum, die dort auf den Boden starren. Durch eine gesicherte Tür gelangt man in eine Art Foyer mit hoher Decke und vielen Abzweigungen. Aus einer Ecke erstrahlt ein Licht in dem sonst dunklen Gebäude. Es ist die Lichterkette des bunt geschmückten Weihnachtsbaumes. Weniger bunt, aber blau ist es auf Annas Instagram Account. Dort sieht man sehr viel Uniform und stets lächelnd: Anna. Sie selbst bezeichnet sich als „Content Creator“ oder „Instacop“. Auf Fotos oder zum Teil in witzigen Videos teilt sie ihre Erfahrungen.
„Mir geht es besonders um die Texte unter den Bildern“, ergänzt Anna. In Storys gibt sie Tipps zur Bewerbung, stellt ihren eigenen Karriereweg vor oder zeigt Einblicke aus Theorie und Praxis des Polizeistudiums oder dem Wach- und Wechseldienst. Man sieht sie bei einer Verkehrskontrolle oder beim Sport. In einem Video sind Schüsse aus dem Schießtraining zu hören. In einem anderen Motorgeräusche bei einer Unfallsimulation.
Die Inhalte wählt Anna selbst. Es gibt allerdings auch Grenzen. Datenschutz und einsatztaktische Sachen dürfen nicht in die Öffentlichkeit. Trotzdem freut sie sich, zwischen Polizeiautos und Einsatzmittel ihr Gesicht zu zeigen und Einblicke in ihren eigenen, ganz persönlichen Werdegang zu geben. Es geht über eine breite Betontreppe mit grauen Stufen und verschnörkeltem Geländer in das Obergeschoss. Der Flur ist lang, düster und mit den vielen Türen sieht es etwas trostlos auf dem Präsidium aus. In einem großen Besprechungsraum ist Stopp. Ganz am Rand des langen Besprechungstisches sitzt in einer dunklen Ecke ein längst bekanntes Gesicht: Anna. Als würde man sie schon ewig kennen. Sie sitzt ganz normal mit Pulli und Schal bekleidet, glänzenden Ohrringen und den blonden Haaren zum Dutt gesteckt, lächelnd am Tisch. Man kennt sie von Instagram. Die hübsche Polizistin wirkt in „Reallife“ etwas zurückhaltend, aber genauso sympathisch wie auf ihrem Instagram-Profil.
„Ich zeige mich in Person“
Der Weg zur Polizei war für Anna weniger spektakulär, denn er war nicht ihr Kindheitstraum. „Ich wollte erst was mit Medien machen, aber nach dem Abitur bin ich zufällig über die Studienberatung zur Polizei gekommen. Die Vielfältigkeit am Beruf hat mich dann gepackt“, sagt die 21-Jährige offen und lacht. Ihr künstlerisches Talent wurde nur zum Hobby. Ein Kollege in Uniform sitzt am anderen Ende des Raums. „Wohl eher zum Nebenjob vom Full-Time-Job“, sagt er und lacht ebenfalls. Mit mittlerweile knapp 15.000 Followern ist Anna damit aber auch ziemlich erfolgreich. „Ich zeige mich in Person“, sagt Anna über ihren Account. „Mir selbst hat damals so ein persönlicher Account gefehlt. Heute finde ich es spannend, für andere Einblicke vom Studium und dem Beruf zu erzeugen. Potenzielle Bewerber bekommen dadurch ein besseres und realistisches Bild“. Mittlerweile ist der Account als Pilotprojekt der Polizei NRW in die Behörde übergegangen. „Ich bekomme viel Unterstützung vom Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten (LAFP) und meiner Behörde in Recklinghausen. Aber auch meine Familie und Freunde unterstützen mich krass. Die haben teilweise extra deswegen Instagram“, erzählt sie grinsend mit ihrer ruhigen Stimme und schaut den Kollegen an, der lachen muss. Im Flur sind Schritte zu hören. Eine Person läuft den langen Flur entlang, dann fällt eine der vielen Türen zu. Es hallt kurz durch den Flur.
Nicht nur im „Pott“ auf Streife
Anna ist im Ruhrgebiet groß geworden und auch ihre Behörde liegt im Herzen des „Ruhrpotts“. „Besser kann der Name Ruhrpottpolizistin nicht passen“, schmunzelt die gerade frisch ernannte Polizeikommissarin. Aus dem Flur des Präsidiums ertönt eine Frauenstimme. „Tschüss und schöne Feiertage“ ist zu hören. Dann ist wieder alles ruhig. Ruhig ist es hin und wieder auch auf Annas Account. „Wenn zwischen Einsätzen Zeit ist, greife ich mal zum Handy, aber die meisten Beiträge entstehen in meiner Freizeit. Außer ich hatte vier Nachtdienste hintereinander, dann muss ich auch noch mal schlafen oder mir freie Zeit für mein Privatleben schaufeln“, lacht Anna, die sehr viel Zeit für Instagram aufwendet. „Im Dienst geht die Einsatzbewältigung immer vor. Nach einem Einsatz denke ich aber wohl schonmal darüber nach, ob da was Gutes für Instagram bei war“, ergänzt die junge Polizistin und schaut durch den Raum.
Polizistin=Mensch
Die Stimmung im Raum ist entspannt. Anna wirkt mit ihrer sanften Stimme gar nicht wie eine Polizistin. Je länger man sich mit ihr unterhält, desto offener erzählt sie über sich und ihren geliebten Account. Auf der Straße wurde sie auch schonmal erkannt. „Das war ganz lustig“, schwärmt sie. Mit funkelnden Augen freut sie sich über die meistens positive Resonanz für ihr Profil. „Danke, dass du andere an dem Weg hast teilhaben lassen“, schreibt eine Userin. Es gibt aber auch mal Hassnachrichten, gerade gegen die Polizei. Diese kann Anna nicht verstehen. „Sowas melde ich sofort und strafrechtlich auffallende Kommentare werden angezeigt. Außerdem sollte man nicht alle Polizisten über einen Kamm scheren“, sagt sie schockiert. Über konstruktive Kritik freut sie sich jedoch. In ihrem allerersten Post schreibt sie: „Ich möchte eine andere Perspektive auf die Polizei bieten und für Transparenz und Verständnis von Mensch zu Mensch sorgen“. Und Interaktion mit den Followern gibt es ausreichend.
Durch gezielte Fragen oder Aufforderungen zum Feedback, erhält sie, weit über die Ruhrgebietsgrenze hinaus, neue Ideen für Inhalte oder kommt in den persönlichen Austausch mit Bewerbern, Bürgern oder „Instacops“ aus anderen Bundesländern wie Berlin oder Niedersachsen.
Transparenz ist gefragter denn je
Hinter einer offenen Tür verbirgt sich ein Schreibraum. Dort stehen zwei Schreibtische aneinander. Dazwischen eine Glasscheibe als Coronaschutz. Die Plätze sind nicht besetzt und nur wenig mit Ausstattung bestückt. Jeweils ein Computer und etwas Büromaterial ist zu sehen. Ansonsten wirkt der weißgestrichene Raum schlicht und langweilig. Langweilig wird es auf Annas Instagram Account wohl nicht. Hinter den Kulissen gibt es weitaus mehr als langweilige Schreibräume. „Ideen sind genügend da und vor allem die Leidenschaft für den Polizeiberuf“, freut sich Anna. Noch ist ihr Account der einzige dieser Art der Polizei in NRW. Doch durch ihre Eigeninitiative und ansteckende Art, ist sie längst ein Vorbild für viele geworden. Transparenz im Beruf ist in den sozialen Netzwerken gefragter denn je.
Vielleicht wird es dann bald mehr solcher persönlichen Accounts bei der Landespolizei geben. Anna jedenfalls würde sich darüber freuen und es der Polizei NRW und auch Menschen aus anderen Berufen empfehlen. „Ich würde es mir wünschen, dann wird es einfacher für mich und ich muss mich nicht mehr so viel vor den Kollegen rechtfertigen“, lacht sie. Außerdem könne man verschiedene Bereiche bei der Polizei zeigen. Anna bezieht sich auf ihre persönliche Laufbahn, den Wach- und Wechseldienst. Eine Verwendung in der Einsatzhundertschaft könnte sie sich später auch noch vorstellen. Wo sie noch landet, werden wir sicherlich auf Instagram erfahren, wenn sie ihre Follower wieder mit auf Streife nimmt. Die Tür vom Schreibraum schließt sich. Zurück geht es wieder durch den langen und dunklen Flur. Ein kurzes „Ciao und schöne Feiertage“ zum vorbeilaufenden Kollegen. Dann geht es über die breite Treppe mit den leicht unebenen Stufen nach unten. Auf der Treppe bleibt Anna in ihrer dicken Jacke eingemummelt kurz stehen. „Das alte Gebäude sieht mit den ganzen Türen irgendwie nicht so spannend und ein bisschen karg aus“, sagt sie und verlässt gut gelaunt und lachend die Dienststelle.
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