Ist Alkohol out und Cannabis ein Trend? Alkohol spielt für Jugendliche und junge Erwachsene keine so große Rolle mehr wie noch vor 20 Jahren, daszeigen Studien. Dafür hat die Hälfte der 18- bis 25-Jährigen mindestens schon einmal Cannabis konsumiert.
Von Laura Borowski, Tabea Hartmann und Mayra Daniel
„Ich bin kein Fan davon ohne Alkohol feiern zu gehen. Wenn alle um mich herum im Club betrunken rumhüpfen und Spaß haben, würde mich das nüchtern nur nerven.“
Bei dieser Aussage würden ihm wohl immer noch einige Gleichaltrige zustimmen – Paul (Name geändert) aus Hamburg ist mittlerweile 24 Jahre alt, Student, und konsumiert regelmäßig Alkohol seitdem er 14 Jahre alt ist.
Zwar beobachtet er, dass in seinem Umfeld deutlich weniger getrunken wird als im Alter von 16 bis 18 Jahren, in dem viele ihre Grenzen austesten und auch mal über die Stränge schlagen. Trotzdem gehört Alkohol für ihn, wie auch für viele andere, einfach zu jeder guten Party dazu.
Aber ist Paul mit dieser Einstellung bald eher Außenseiter als Trendsetter?
Nach neuesten Studien der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung liegt der Anteil der 12- bis 17-Jährigen, die überhaupt schon einmal getrunken haben, inzwischen bei rund 60 Prozent. Vor 20 Jahren waren es noch über 90 Prozent. Außerdem trinken Jugendliche seltener regelmäßig.
Bei den 12- bis 17-Jährigen sind das heute noch etwa 10 Prozent, die regelmäßig, also einmal pro Woche Alkohol trinken. Vor 20 Jahren waren das mit etwa 20 Prozent noch doppelt so viele.
Diesen Rückgang erklärt sich Paul vor allem mit zunehmender Aufklärung in diesem Bereich: „Ich glaube, dass das Bewusstsein über die Risiken allgemein angestiegen ist, die Haltung gegenüber Alkohol in der gesamten Gesellschaft und auch in meinem Umfeld ist kritischer geworden.“
Diese Wahrnehmung von Paul bestätigt auch Tobias Schwarz, von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), und fügt hinzu: „Nicht nur bei Jugendlichen, in der ganzen Gesellschaft ist der Alkoholkonsum zurückgegangen.“
Weniger Schulkinder wegen Alkoholmissbrauchs in Behandlung
Weniger Alkoholkonsum – das scheint auch eine Studie der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK) zu bestätigen. Zumindest auf den ersten Blick. Demnach gab es im Jahr 2020 bei Schulkindern rund 30 Prozent weniger Behandlungen wegen Alkoholmissbrauchs als im Jahr davor. Allerdings gibt die DAK selbst zu bedenken: Es ist noch nicht klar, ob das mit weniger Konsum zu tun habe – oder damit, dass Eltern wegen eigener Probleme Warnzeichen bei Kindern übersahen. Außerdem waren bestimmte Kliniken geschlossen, manche Therapien fanden nicht statt.
Es liegt wohl auf der Hand, dass diese Entwicklung vor allem auch durch die Coronapandemie bedingt ist– keine Partys, Clubbesuche oder private Treffen in größeren Gruppen. Aber wie steht es jetzt um das Nachholbedürfnis all derer, die vorher gerne regelmäßig Alkohol getrunken haben? Oder derjenigen, die sich nun endlich so richtig ausprobieren können und mit 20 Jahren das erste Mal einen Club besuchen?
„Das Schlimmste ist aber, dass man sich manchmal nicht mehr an Dinge erinnern kann und dann nur durch Bilder und Erzählungen erfährt, was vorgefallen ist.“
Auch wenn Paul schon vor der Pandemie ein paar Jahre Erfahrungen mit Alkohol gesammelt hat, gibt er zu, dass er so gut wie nie so regelmäßig getrunken hat, wie im Sommer 2022.
„Das Wetter war gut und ich konnte mich endlich wieder in größeren Gruppen treffen. Ich habe so oft mit meinen Freunden hier im Hamburger Stadtpark getrunken, dass ich mir schon irgendwann dachte – ja, das ist schon eine Art Abhängigkeit geworden.“
Rausch mit Risiko
Dabei ging wie es, wie er sagt, aber meist nicht um einen Rausch, sondern einfach um den Genuss und die Geselligkeit.
Laut Studie der BZgA, ist das Rauschtrinken bei den 18- bis 25- jährigen jungen Männern und Frauen zwischen 2019 und 2021 zurückgegangen. Als Rauschtrinken definiert die BZgA den Konsum von fünf Gläsern oder mehr bei einer Gelegenheit – ab dieser Menge von Alkohol bezeichnet die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung den Konsum als riskant. Besonders riskant ist es ab einer Menge von etwa fünf Bier oder fünf Gläsern Wein, etwa bei einer Party. „Bis zum Alter von mindestens 21 Jahren ist das Gehirn noch besonders empfindlich“, so ein Sprecher der BzgA. Wird viel Alkohol auf einmal oder regelmäßig über einen langen Zeitraum getrunken, verändern sich die Strukturen im Gehirn – das kann Leistungsfähigkeit und Gedächtnis stören, Lernschwierigkeiten hervorrufen, sogar die Persönlichkeitsentwicklung beeinflussen.
In einen Rausch haben sich 2021 19 Prozent der befragten Frauen und 37,8 Prozent der Männer getrunken.
Womit sich diese Differenz genau erklären lässt, die auch 2004 schon ähnlich hoch war, ist nicht klar, aber auch Paul beobachtet in seinem Freundeskreis, dass eher seine männlichen, als seine weiblichen Freunde mal ein Gläschen zu viel trinken. „Das ist dann auch ein bisschen Alpha-Tier-Gehabe. Man will zu den Coolen gehören und würde wohl eher ausgelacht werden, wenn man sich plötzlich eine Cola bestellt.“
Cannabis bei Jugendlichen im Trend
Im Gegensatz zu Substanzen wie Alkohol, wurde beim Cannabiskonsum von Jugendlichen in Deutschland eine deutliche Zunahme beobachtet. Der Anteil 12- bis 17- Jähriger, die mindestens einmal in ihrem Leben Cannabis konsumiert haben, hat sich im Vergleich zu 2011 erhöht. 2021 verfügt die Hälfte aller 18- bis 25-jähriger jungen Erwachsenen über Cannabis- Konsumerfahrung. Das ist der höchste erhobene Wert seit 1973.
Jana B. (Name geändert) aus Bochum ist 21 Jahre alt und konsumiert regelmäßig Cannabis, seitdem sie 16 Jahre alt ist. Sie hält Alkohol im Vergleich zum Cannabis für die deutlich gefährlichere Droge: „Es macht viele Menschen aggressiv und unberechenbar, das ist bei Cannabis nicht so. Meistens ist man davon nur lustig drauf oder entspannt.“ Trotzdem warnt sie davor, in negativen Gefühlslagen zu konsumieren, da Cannabis oft die bestehenden Gefühle verstärkt -geht es einem ohnehin nicht gut, kann das Rauchen das stark verstärken.
Das Wissenschaftsmagazin Quarks scheibt zu dem Thema „Welche akuten negativen Folgen vom Cannabiskonsum gibt es?“, dass Cannabis tatsächlich starken Einfluss auf die Stimmung haben kann: Es kann zu Niedergeschlagenheit, Unruhe und Angst führen. Die innere Unruhe kann sich auch in Körperbewegungen äußern, die ziellos oder fahrig wirken können. Auch Panikreaktionen und Verwirrtheit mit Verfolgungsfantasien bis hin zu paranoiden Wahnvorstellungen können auftreten.
Ungefährlich sind also weder Alkohol noch Cannabis und auch die rückläufigen Zahlen beim Alkoholkonsum sollten keine Entwarnung sein. Was gerade in oder out ist, wird sich wohl aber auch in den nächsten Jahren ständig ändern und noch gehören für viele Jugendliche und Erwachsene zwei, drei oder auch vier Bier einfach noch zu einer guten Party dazu…
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