Für die Demonstration sperrte die Polizei mehrere Straßen ab. Foto: Maria Salem
Rund 500 Schüler und Schülerinen haben in Essen die Schule geschwänzt, um gegen die neue Wehrdienstreform zu demonstrieren. Zur selben Zeit stimmte der Bundestag über das Gesetz ab.
Hunderte Schülerinnen und Schüler haben am 5. Dezember in Essen den Unterricht boykottiert, um gegen die geplante Reform des Wehrdienstgesetzes zu demonstrieren. Dieser führt ab 2026 einen Pflicht-Fragebogen für alle 18-jährigen Männer ein und ab Juli 2027 eine verpflichtende Musterung. Der Dienst bleibt zunächst freiwillig, kann aber bei Personalmangel zur „Bedarfswehrpflicht“ werden. Die Proteste in Essen waren Teil eines bundesweiten Schulstreiks gegen die Reform.
Lauter Protestzug durch die Innenstadt
Der Protest wurde von der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di unterstützt. Angemeldet hatten ihn jedoch die Schüler und Schülerinnen selbst. Mit selbst gestalteten Schildern und Parolen wie „Nie wieder Wehrpflicht!“ und „Frieden schaffen ohne Waffen!“ zog der Demonstrationszug lautstark durch die Essener Innenstadt.
Die Mehrheit der Teilnehmenden waren Schüler und Schülerinnen, die direkt vom Gesetzesentwurf betroffen wären. Doch auch viele ältere Menschen schlossen sich an – darunter Eltern, ehemalige Wehrdienstleistende und junge Erwachsene, die selbst nicht mehr unter die Reform fallen.
Zu Beginn der Kundgebung hielten mehrere Teilnehmende kurze Ansprachen. „Die Bundesregierung darf dieses Gesetz nicht einfach über die Köpfe junger Menschen hinweg beschließen“, appelierte eine Vertreterin von Ver.di. „Jugendliche müssen endlich stärker in sicherheitspolitische Entscheidungen einbezogen werden“, forderte sie.
„Ich will nicht für diese Politik sterben“
Einer der Demonstrierenden ist der 14-jährige Schüler Vincent Tasch. Für ihn ist der Protest eindeutig. „Ich bin heute hier, weil ich keine Lust auf eine Wehrpflicht habe. Ich will nicht für eine Politik sterben, die ich nicht unterstütze“, sagt er.

Schüler Vincent Tasch protestierte trotz unentschuldigtem Schultag. Foto: Maria Salem
Besonders frustriert zeigt er sich darüber, dass aus seiner Sicht falsche Prioritäten gesetzt werden. „Ich wünsche mir, dass das Gesetz nicht eingeführt wird und dass das Geld, das dafür vorgesehen ist, stattdessen in Bildung, Schulen und Infrastruktur investiert wird.“
Die Bundesregierung sieht das Gesetz als notwendig für die Landesverteidigung. Sie verweist auf den Personalmangel der Bundeswehr sowie die angespannte internationale Lage. Der Dienst bleibe freiwillig, die Bedarfswehrpflicht sei lediglich als Notfallinstrument vorgesehen. Unterstützung erhält die Reform vor allem aus der Regierungskoalition und dem Verteidigungsministerium. Kritik kommt hingegen von Jugendverbänden, Friedensinitiativen und Schülervertretungen, die einen zu starken Eingriff in das Leben junger Menschen befürchten.
„Lernende in der Oberstufe kaum unter den Demonstranten“
Stefan Düll, Präsident des Deutschen Lehrerverbands, sieht die persönliche Betroffenheit vieler Jugendlicher als wichtigsten Antrieb für ihre Teilnahme am Streik.
„Bei manchen ist es echte Unsicherheit, bei anderen spielt sicher auch eine gewisse Bequemlichkeit eine Rolle“, erklärt Düll. Auffällig sei, dass Schüler und Schülerinnen der Oberstufe kaum vertreten sind. Schlicht, weil sie vom neuen Gesetz nicht mehr betroffen wären.

Viele Demonstrierende hatten eigene Schilder mitgebracht. Foto: Maria Salem
Grundsätzlich würden Themen wie Sicherheitspolitik und Wehrdienst zwar an allen Schularten behandelt, doch der persönliche Zugang unterscheide sich stark. „Ein junger Syrer blickt anders auf Wehrdienst-Fragen als eine Deutsche, deren Vater selbst gedient hat“, so Düll. Mit der geplanten Reaktivierung der Wehrpflicht rücke die Bundeswehr wieder stärker ins Bewusstsein der Gesellschaft. Gerade junge Menschen, die sich Sorgen um ihre Zukunft machten, beschäftigten sich nun intensiver damit, wie Freiheit, Sicherheit und Wohlstand langfristig geschützt werden können.
In den kommenden Jahren wird sich zeigen, wie die vorgesehenen Schritte der Reform umgesetzt werden und welche Auswirkungen sie im Alltag junger Menschen haben.


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