Jeder kennt es: Viel zu früh aufstehen, eine gefühlte Ewigkeit zur Arbeit, Schule, Hochschule oder Universität pendeln, unangenehme Kundengespräche, unzählige Abgaben mit viel zu engen Deadlines, unangenehmes Arbeitsklima oder Überstunden. Wenn man dann irgendwann wieder zuhause ist und sich durch die Hausarbeit gekämpft hat, reicht die Zeit vielleicht gerade noch, um sich etwas zu kochen, eine Serie bei dem Streamingdienst seines Vertrauens zu gucken und sich schlafen zu legen, damit man ausreichend Energie für den Folgetag hat. Und dazwischen? Kaum Zeit, um das Erlebte zu verarbeiten und sacken zu lassen.
So ähnlich sieht seit einigen Monaten auch bei mir aus. Dazu kommen Schlafprobleme, Rückenschmerzen und Verspannungen. Um diesen Problemen Herr zu werden und meine explorative Ader zu befriedigen, habe ich mich dazu entschieden, eine Heilreise im Rahmen der Vesseling-Energiearbeit anzutreten.
Die Vesseling-Energiearbeit ist eine, von Martin Brune entwickelte, energetische Methode mit schamanischen Wurzeln und sieht den Körper als ein Gefäß, in dem sich gute sowie schlechte Lebenserfahrungen als Energien ablagern. Diese negativen Lebenserfahrungen sollen zu Blockaden in unserem Energiekreislauf und somit auch zu physischen und psychischen Problemen führen. Das Ziel des Vesslings ist es also, diese Blockaden aus dem Körper zu entfernen und seine Selbstheilungskräfte zu aktivieren. Eine Methode, um dieses Ziel zu erreichen, ist die Heilreise. Sie kann man als Mischung zwischen einer geleiteten Meditation und Traumreise, die einen in sein Unterbewusstsein führt und dabei hilft, ein vorher definiertes Problem zu ergründen.
Mit eher gemischten Gefühlen von Skepsis und Aufregung begebe ich mich zum Bungalow in einem Innenhof unweit der geschäftigen Rüttenscheider Straße in Essen, dem heutigen Veranstaltungsort der Heilreise. Als mir Parvana, die Leiterin der heutigen Reise, die Tür öffnet, strömt mir sofort der Geruch von Räucherhölzern entgegen. Dort, wo ich eher viele sakrale Symbole und Ähnliches erwartet habe, finde ich eine Einrichtung vor, die mich eher an eine „Irgendwas-mit-Medien“-Agentur erinnert. Als auch die letzten Nachzügler eingetroffen sind führt uns Parvana in einen Raum, dessen Boden mit Matratzen, Decken und Kissen bedeckt ist. Hier finde ich sowohl die erwarteten sakralen Zeichen als auch den Ursprungsort des Räucherholz-Geruchs. Zu Beginn der Sitzung erklärt Parvana den Neulingen noch einmal das Prinzip der Vesseling-Energiearbeit und auch, dass meine Erwartungen nicht unbedingt befriedigt werden müssen Im Anschluss werden dazu aufgefordert auf unseren Körper zu achten und unser aktuelles Körpergefühl wahrzunehmen. Dieses Gefühl sollen wir dann dreimal in einen Stein pusten, den wir intuitiv aus einer Schale wählen sollten. Danach werden wir aufgefordert uns auf den Rücken zu legen, den Stein irgendwo auf unserem Körper zu positionieren, unsere Arme neben uns zu legen und unsere Augen zu schließen.
Die Reise beginnt
Die Reise beginnt. Mit ruhiger Stimme und rhythmischen Rasselschlägen führt uns Parvana an. Wir erwachen auf einer grünen Wiese, richten uns auf und spüren das weiche Gras unter unseren Füßen. Am Rande der Wiese entdecken wir ein Waldstück und einen kleinen Pfad, der uns in diesen führt. Wir entschließen uns dazu, weiter in den Wald vorzudringen. Aus der Ferne vernehmen wir das Rauschen von Wasser, welches von nun an die Richtung bestimmt. An der Quelle des Rauschens angelangt, bemerken wir einen Wasserfall, der in einen kleinen See mündet. Wir steigen in den See und eine angenehme Wärme umgibt uns. Als wir uns dem Wasserfall nähern fällt uns eine Höhle auf, die sich hinter ihm verbirgt. Wie von einer unsichtbaren Macht angetrieben begeben wir uns in diese Höhle. Einem kleinen Rinnsal folgend stoßen wir immer weiter in die Höhle vor, bis wir zu einer Grotte gelangen, an deren Decke sich ein Loch befindet, durch das das Tageslicht hereinbricht. In der Mitte der Grotte befindet sich eine Leiter, die uns an die Oberfläche führt.
Chambas und der Raum der Erinnerung
Oben angekommen treffen wir auf Chambas. Chambas Erscheinungsbild und Geschlecht liegt unserer Intuition zugrunde – mir erscheint er als weißes Pferd. Er ist von nun an unser spiritueller Begleiter für den weiteren Verlauf und bei aufkommenden Fragen sollen wir uns an ihn wenden. Er führt mich durch einen Korridor in den Raum der Erinnerung. Hier soll uns der Ursprung der energetischen Blockade erwarten. Die Rasselschläge stoppen. Ich soll mich auf die erste Erinnerung fixieren, die mir in den Kopf kommt und nach einem Kind Ausschau halten. Ich finde mich im Foyer der Westfälischen Hochschule wieder – an der Seite von Chambas und dem Kinderdarsteller von Anakin Skywalker aus den Star Wars-Prequels. Was das zu bedeuten hat, können mir weder Chambas noch Anakin erklären.
Gemeinsam mit Chambas verlasse ich den Raum und begebe mich zum Raum der Glaubenssätze. Hier soll mir auf einer Tafel, einem Computer oder in einem Buch der Glaubenssatz erscheinen, nachdem ich im Moment lebe. Dieser Glaubenssatz soll negativ behaftet sein und unmittelbar mit der Blockade im Zusammenhang stehen. Was an „Jeder Mensch ist gut so wie er ist“ so falsch ist kann ich mir nicht erklären. Zusätzlich überreicht mir Chambas ein Geschenk in Form einer hölzernen Strebe eines Treppengeländers. Ein weiteres Mal stehen sowohl Chambas als auch ich ratlos da.
Als nächstes betreten wir den Raum der Talente. Er soll unsere eigene unbelastete Energie darstellen. Ich sehe mich im Gespräch mit meinen Kommilitonen. Da ich schon seit jeher ein sehr kommunikativer Mensch gewesen bin, kann ich mir auf den Ursprung dieser „Vision“ immerhin erklären.
Noch einmal geht es zurück in den Raum der Glaubenssätze. Hier sollte mich ein neuer, positiv behafteter Glaubenssatz erwarten, allerdings hat sich nicht viel verändert. Die Frage an Chambas spare ich mir, da ich im Vorhinein ja schließlich schon zufrieden war. Nun trennen sich die Wege von Chambas und mir. Die Rasselschläge setzen wieder ein und ich gehe meinen Weg zurück zur Wiese, wo ich mich erneut in das weiche Gras lege. Die Reise ist beendet.
Bevor wir unsere Augen öffnen, werden wir dazu aufgefordert, sowohl das Talent und das Geschenk dreimal einzuatmen. Ebenfalls erwartet uns davor auch noch eine Achtsamkeitsübung, bei der wir noch einmal genau unseren Körper fühlen müssen, während im Hintergrund Entspannungsmusik abgespielt wird. Ich fühle nicht so viel, außer dass mein linkes Bein etwas schmerzt. Im Schluss dürfen wir uns aufrichten und sprechen gemeinsam in der Gruppe über unsere Erfahrungen und mögliche Deutungen. Am Ende der Sitzung habe ich für mich allerdings nicht die Lösung gefunden, die ich gesucht habe.
Fazit
Zwei Tage später fühle ich mich nicht wirklich anders als in den Wochen zuvor. Allerdings bin ich ausgeschlafen. Das mag möglicherweise auch daran liegen, dass ich heute ausnahmsweise auch einmal ausschlafen konnte. Und auch der Stress beim Schreiben dieser Reportage ist wieder da. Vielleicht muss man auch einfach für diese Art der Heilpraktiken empfänglicher sein und, wie Parvana eingangs erwähnte, nicht allzu große Erwartungen haben an. Anderen, wie zum Beispiel Anna, die gestern an ihrer bereits fünften Heilreise teilgenommen hat, hilft diese Methode, ihren seelischen Stress zu verarbeiten und zu bewältigen. *Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Vesseling Energiearbeit keinesfalls den Besuch eines Arztes und dessen diagnostische Tätigkeit ersetzt. Verschriebene Medikemente sollten ebenfalls nicht ohne Rücksprache mit dem behandelnden Arzt abgesetzt werden.
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