Jugger sieht von außen erst einmal wild und durcheinander aus. Doch was macht die Sportart aus? Für Spieler Til Kuhlemann-Lages aus Köln ist das vor allem Fairness und Spaß.
Von Pia Böckendorf
Ein typisches Jugger-Spiel: Menschen treten mit bunten Spielgeräten, die aussehen wie Schwimmnudeln am Stiel gegeneinander an und jagen wild einem Ball hinterher, einige von ihnen schwingen auch Schaumstoffbälle an Ketten oder verstecken sich hinter großen Schilden vor den Angriffen der Gegner. Dazu tönen Trommelschläge in bestimmten Abständen über den Platz. Wenn Til Kuhlemann-Lages so mit seiner Mannschaft den „Flying Juggmen“ aus Bonn draußen im Park trainiert bleiben viele Spaziergänger neugierig stehen, um sich das erstmal befremdlich wirkende Spiel anzusehen. Doch sind das wirklich nur Menschen, die mit merkwürdig aussehenden Waffen aufeinander losgehen und sich um einem Ball streiten? Ganz bestimmt nicht. „Hinter Jugger steckt noch viel mehr. Es ist eine einzigartige Kombination aus mehreren Sportarten, basiert vor allem auf Fairness und macht großen Spaß“, erzählt Til.
Ihr wollt wissen, wie ein Jugger- Spiel in der Praxis aussieht? Hier: Jugger – Gemeinschaft auf und neben dem Feld – YouTube findet ihr einen Videobeitrag zum Thema.
Jugger bietet einen Mix aus Gemeinschaftssport und individuellen Kämpfen, bei denen auch Aspekte des Fechtkampfes hinzukommen. „Das ist es, was Abwechslung bringt“. Sagt Til. Ziel des Spiels ist es, den Ball, auch genannt „Jugg“ in das gegnerische Tor (Mahl) zu stecken. In jeder Mannschaft befinden sich fünf Spieler. Vier „Kämpfer“, die mit den selbstgemachten Schlägern, den „Pompfen“ versuchen, die Gegner abzuschlagen und ein Läufer, der den Ball aufheben und zum Tor bringen muss. Wenn ein Spieler abgeschlagen wurde, muss er sich für fünf Trommelschläge hinknien und darf für diese Zeit nicht weiterspielen. Die Zeit eines Jugger-Spiels wird nämlich durch Trommelschläge festgelegt, 100 pro Halbzeit. Einen Schiedsrichter gibt es häufig nicht. Dabei wird sofort deutlich, worauf es beim Jugger ankommt: Fairness. „Jeder Jugger hat selbst die Verantwortung, seine Zeitstrafen gerecht abzusitzen und fair zu spielen. Aber das klappt in den meisten Fällen ganz gut, schließlich hat jeder ein Interesse daran, dass das Spiel gerecht zugeht“, erklärt Til. „Was jeder, der Jugger ausprobieren möchte, mitbringen sollte, ist eine große Frustrationstoleranz“, lacht er. Häufig kommt es vor, dass man kurz hintereinander abgepompft wird, da kann man sich schon mal ärgern. Für ihn steht beim Jugger auch im Vordergrund zu lernen, jemand anderem etwas zuzugestehen. „Man muss auch mal zurückstecken können“, findet der Spieler.
„Das wollte ich unbedingt nochmal ausprobieren“
Kennengelernt hat der 47-Jährige Jugger im Jahr 2000. Damals nahm er regelmäßig an Live-Rollenspielen teil. Bei einem dieser Spiele sei Jugger integriert gewesen. „Damals war mir die Sportart zwar noch nicht bekannt, hat aber so viel Spaß gemacht, dass ich sie unbedingt nochmal ausprobieren wollte“, erinnert er sich. Von Anfang an habe ihm besonders der große Nervenkitzel, die Gegner zu jagen und ihnen zu entwischen, gefallen. Anfang des Jahrhunderts war Jugger noch weniger verbreitet als heute. „Ich hatte Glück, dass ich in Hamburg gewohnt habe, dort gab es schon eine Jugger-Mannschaft“, erzählt Til. Getroffen habe sich die Mannschaft in Parks oder auf Wiesen. Für Til Kuhlemann-Lages ist Jugger seitdem fest in seinem Leben integriert. Als er für einige Jahre nach Passau zog, gründete er auch dort eine eigene Jugger-Gruppe. Seit acht Jahren wohnt er in Köln, fährt aber gerne die kurze Strecke nach Bonn zum Verein Jugger Bonn-Rhein-Sieg e.V., um dort selbst zu spielen. „Würde ich Fußball spielen, wüsste ich, dass es bestimmt in jeder Stadt zumindest einen kleinen Verein gibt. Beim Jugger ist das anders. Da muss man erstmal richtig suchen“, sagt er.
Jugger tauchte das erste Mal in dem gleichnamigen Spielfilm „Die Jugger- Kampf der Besten“ aus dem Jahr 1989 auf. Regisseur David Webb Peoples erfand das Spiel eigens für die Handlung. Im Film selbst spielen verschiedene Mannschaften gegeneinander mit dem Ziel in eine Liga aufgenommen zu werden. In „Die Jugger“ geht es brutal und blutig zu. In der Realität ist das Spiel allerdings weitgehend ungefährlich, lediglich die Regeln sind die gleichen. In den 90er Jahren begannen sich diverse Gruppen zusammen zu finden, um das Spiel aus dem Film nachzuspielen. Was anfangs im Wald und auf Wiesen stattfinden musste, spielt sich heutzutage teilweise auch in großen Sporthallen bei richtigen Vereinen ab. Die Sportart ausüben kann laut Til jeder. „Man sollte gerne im Team spielen, braucht aber vorerst keine besonderen sportlichen Fähigkeiten. Das kommt dann später von ganz allein“. Er ist sich sicher: Sobald jemand die Pompfe in der Hand hat und der Begeisterungsfunke übergesprungen ist, wird er zum Jugger und ist nicht mehr aufzuhalten. Die Sportart wird in den nächsten Jahren sicherlich noch bekannter und beliebter werden. Das denkt auch Til Kuhlemann- Lages und bis dahin schnappt er sich gerne seine Pompfe und stürzt sich ins Spiel.
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