Bildunterschrift: Die 22. Biathlon World Team Challenge auf Schalke 2025. Foto: Nicolas Haack
Colin ist 24 Jahre alt und Schalker seitdem er denken kann. Die VELTINS-Arena ist nach eigenen Aussagen, sein zweites Wohnzimmer. Doch heute geht es nicht um Fußball, sondern um Biathlon – wie er das findet, weiß er noch nicht.
Eine Reportage von Nicolas Haack
Schon beim Betreten der Arena merkt er: Das ist kein normaler Abend auf Schalke. Auf den Tribünen, wo sonst königsblaue Trikots und Schals dominieren, sieht man heute dicke Winterjacken und verschiedene Nationalfahnen aus Norwegen, Österreich und vor allem Deutschland.
Ein ungewohntes Bild
Neben dem üblichen Stadiongeruch nach Bier und Bratwurst liegt heute noch etwas anderes in der Luft: ein kalter Winterhauch, vermischt mit Kunstschnee. Colin setzt sich auf seinen Platz, umklammert mit beiden Händen seinen heißen Glühwein. In dicker Winterjacke und mit Schalke-Schal eingekleidet, blickt er aufs Spielfeld hinunter – zumindest dorthin, wo das Spielfeld einmal war. „Das ist ja verrückt“, sagt er mit einem leichten Schmunzeln. Denn anstelle des grünen Rasens, sieht er eine weiße Schneestrecke, samt Werbebanden, Schießständen und Tannenbäumen. „So habe ich die Arena wirklich noch nie gesehen“, fügt er mit erstauntem Blick hinzu. An diesem Abend ist Schalke nicht wie gewohnt königsblau, sondern schneeweiß.
Heimspielgefühl im Wintergewand
Colin blickt durch die Arena. Er kennt diesen Ort eigentlich in- und auswendig. „Ich versuche, so oft es geht zu den Spielen zu gehen, aber ohne Dauerkarten ist Fahnen oder Gesänge zu hören“, sagt er. Auch von der gewohnten Rivalität zwischen Fans und Mannschaften ist nichts zu spüren. „Dass ich hier mal Beifall für die Gegner erlebe“, sagt er lachend. Als bei der Teamvorstellung die beiden deutschen Duo mit Justus Strelow und Janina Hettich-Walz sowie Marlene Fichtner und Danilo Riethmüller angekündigt werden, wird es spürbar lauter. „Das ist ja fast wie bei der Mannschaftsaufstellung“, sagt er. Ein Gefühl von Heimspielatmosphäre macht sich breit.
Rasanter Auftakt
Um 18:15 Uhr fällt der Startschuss für den Massenstart. In neun Runden und acht Schießeinlagen, kämpfen die Teams um ihre Startplatzierung für die Verfolgung. Mit enormem Tempo gleiten die Skier über den Schnee und um die Kurven. Für Colin ist das alles anders als er es erwartet hatte. „Im Fernsehen nimmt man das Ganze gar nicht so wahr, da wirkt es immer so ein bisschen traeege. Aber dieses Tempo ist schon beeindruckend“, sagt er.

Die vernebelte Rennstrecke aus Kunstschnee außerhalb der Arena. Foto: Nicolas Haack
Außerhalb der Arena fuehrt eine künstlich angelegte Loipe am Stadion entlang, die mit der Indoor-Strecke verbunden ist. Nach Absolvierung der ersten Runde, begrüßt der Stadionsprecher die Athletinnen wieder in der Arena. In diesem Moment bricht tosender Jubel auf den Rängen aus. Lautes Klatschen und das Geräusch von hunderten Drehrasseln, schallt durch die Arena. Auch Colin lässt sich mitreißen, klatscht mit und verfolgt das Rennen von der ersten Runde an hochkonzentriert.
Beim Schießstand kehrt plötzlich Stille ein. Der gesamte Fokus liegt jetzt auf den Schießscheiben. Jeder deutsche Treffer wird von einem kollektiven „HEEEY“ begleitet, jeder Fehlschuss wird mit einem Raunen bestraft. Vor knapp 40.000 Zuschauern in der Arena zu schießen, erzeugt einen ungewohnten Druck jeder Fehler bedeutet eine Strafrunde und kostet wertvolle Sekunden.
Deutschland oben auff
Nach dem Massenstart liegt das deutsche Team 1 mit Janina Hettich-Walz und Justus Strelow vorne. Colin nimmt das mit einem leichten Grinsen zur Kenntnis, während es zum Kiosk geht. „Es ist deutlich besser, als ich es erwartet hätte“, sagt Colin, während er in der Schlange auf seinen Glühwein wartet. „Diese Stimmung ist schon krass, das nimmt einen schon ain bisschen mit. Es ist natürlich etwas anderes als Schalke, aber es macht Bock.“
Beim Start der Verfolgung steigt die Anspannung. Die Teams starten mit denselben Zeitabständen wie zum Ende des Massenstarts. Jeder Schiesssstand wird nun zum Nervenspiel. Justus Strelow bleibt ruhig und trifft Scheibe um Scheibe in einem irren Tempo. Die Zuschauer jubeln und Colin ruft begeistert: „Das ist doch Wahnsinn.“ Bis zur letzten Runde bleibt es spannend zwischen dem deutschen Team 1 und dem Verfolgerteam aus Frankreich. Beim letzten Schießen hält die Arena nochmal den Atem an. „Gar kein Druck, Justus“, sagt Colin, während Justus Strelow sich auf seine letzten fünf Schüsse fokussiert. Wieder mal bleibt er fehlerfrei und die Arena explodiert und jedem ist klar: Erstmals seit 2016 gewinnt wieder ein deutsches Team auf Schalke.
Spektakulärer Abschluss
Nach der obligatorischen Siegerehrung kommt es noch zu einem weiteren Highlight des Rahmenprogramms: Europas größtem Indoor-Feuerwerk. Ein Spektakel, auf das sich Colin nicht wirklich vorbereitet hat. „Ich dachte eigentlich, ich bin heute nur zum Biathlon gucken hier“, sagt er lachend.

Das größte Indoor-Feuerwerk Europas, beim Biathlon auf Schalke. Foto: Nicolas Haack
Bereits zu Beginn, zückt er sein Handy und hält die beeindruckenden Bilder auf Kamera fest. Funken und Lichtblitze erhellen die Arena und spiegeln sich im Schnee. Wenig später endet die Veranstaltung und die Ränge leeren sich langsam. Als Colin die Treppen vom Oberrang hinuntergeht, sagt er mit einem Grinsen im Gesicht: „Das kann man nächstes Jahr gerne wiederholen.“


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