Foto: Rahel Wrobel Unterschrift: Rahel Wrobels Stute Luna (rechts) 

Für Pferde ist das Feuerwerk in der Silvesternacht purer Stress. Rahel Wrobel gibt an Silvester alles, um ihr Pferd zu beruhigen.

Reportage von Lisa Stahlschmidt

Es ist der 31. Dezember 2024. Silvester. Für die meisten Menschen ein Abend der Freude und Feierlichkeiten. Für Pferdebesitzer ein Abend, an dem sie besonders auf ihre Tiere achten müssen. Die 21-jährige Rahel Wrobel ist ausgebildete Pferdewirtin und verbringt ihre Silvesternacht bei ihrer Stute Ca Luna im Stall des Reitvereins Edertal Schwarzenau, im Kreis Siegen-Wittgenstein. 

Um 23:45 ist Rahel am Stall. Sie parkt vor einem großen, gelb gestrichenen Herrenhaus. Von hier aus sind die zwei ebenfalls gelb gestrichenen Stallgebäude zu sehen. Jedes von den 20 Pferden hat an die Box angrenzend einen kleinen umzäunten Auslauf, den sogenannten Paddock. Ganz hinten befindet sich die große weiße Reithalle mit Holzverzierungen. Es riecht nach Heu und Matsch. Sie zieht ihre Gummistiefel an und geht zum hinteren Gebäude, in dem ihr Pferd steht. Der Geruch von Pferden macht sich bemerkbar und auch von außen hört man nervöses Wirren und Schnauben. „Die letzten Jahre stand Luna in einem Stall, an dem sie wenig von den Feuerwerken mitbekommen hat. Der nächste Ort war ein paar Kilometer entfernt. Dieses Jahr sind wir in diesen Stallgezogen. Hier ist das Dorf direkt am Stall dran. Es ist also ihr erstes Mal, dass sie Feuerwerk und Böller so nah miterlebt.“

Gute Vorbereitung ist wichtig

Sie macht die Box ihrer weißen Stute auf und schaut nach, ob diese noch genug Heu hat. „Pferde müssen in so Situationen genug zu fressen haben, um beschäftigt zu sein und den Stress etwas kompensieren zu können“, sagt Rahel während sie Heu von einem Ballen abrupft und in die Box trägt. Als nächstes öffnet sie die Tür zum Paddock, angrenzend an Lunas Box. 

Auch tagsüber hat sie ihr Pferd schon auf den Abend vorbereitet. „Ich achte immer darauf, dass der Tagesablauf normal ist. Pferde sind die Routine gewöhnt. Sie bekommen zu bestimmten Zeiten Futter und werden zu bestimmten Zeiten raus auf den Paddock und wieder rein in die Box gelassen.“ Am Vormittag war Rahel schon einmal im Stall. „Ich habe sie heute schon etwas länger geritten. Es ist wichtig, dass die Pferde über den Tag schon ausgepowert werden. Dann sind sie bei dem Geböller entspannter.“

Auswirkungen auf die Pferde

„Pferde sind Fluchttiere. Wenn sie in den Boxen eingesperrt sind, können sie nicht gucken, woher die Lichter und die Geräusche kommen und laufen panisch in der Box herum. Dass sie ihren natürlichen Fluchtinstinkt dann nicht ausleben können, sorgt für noch mehr Stress. Deshalb lasse ich Luna auf den Paddock.“ 

Grundsätzlich reagiert jedes Pferd anders auf die Feuerwerke. „Viele Pferde bekommen Stresskoliken. Deshalb ist es gut, wenn an Silvester jemand im Stall ist.“ Koliken sind Bauchschmerzen, die meistens aus dem Darm kommen. Bei einer Kolik sollte ein Tierarzt zur Behandlung hinzugezogen werden.  

Beruhigung durch Gesellschaft

Mittlerweile ist es Mitternacht. 150 Meter vom Stall entfernt schießen im Sekundentakt bunte Raketen in die Luft, die lauten Knalle sind auch am Stall zu hören. Luna läuft mehrmals aufgeregt raus auf den Paddock und wieder rein in ihre Box. Rahel stellt sich auf den Paddock und redet beruhigend auf ihr Pferd ein. Alle anderen Pferde habe keinen Zugang zu den Paddocks. Das Pferd neben Luna schwitzt stark. Es kann durch die verschlossene Paddock-Tür nicht zuordnen, woher die Lichter und die lauten Knalle kommen. Auch Luna ist gestresst. Die Pferde, die normalerweise neben ihr auf den Paddocks stehen, sind alle drinnen. Rahel ruft den Besitzer von dem Pferd in der Nachbarbox an und fragt, ob dieses auch auf den Paddock kann, damit Luna nicht allein draußen ist. „Pferde sind Herdentiere. Besonders in Stresssituationen darf man die sozialen Kontakte der Pferde nicht einschränken“, sagt Rahel. Der Besitzer des anderen Pferdes erlaubt es, dass das Pferd auch auf dem Paddock kann. Rahel lässt das Pferd zu Luna. Die Pferde stellen sich am Zaun zusammen. Luna beruhigt sich langsam und läuft nicht mehr von Box zu Paddock. Rahel stellt sich daneben und streichelt Lunas Hals lobend.

Es ist mittlerweile 00:40. Die Pferde stehen zusammen am Zaun. Luna hat sich wieder entspannt. Sie streckt ihren Kopf hoch und schaut sich das Feuerwerk an. Auch Rahel kann sich wieder entspannen und schaut sich das Feuerwerk an. Dass ein Foto von Lunafür die Reportage gemacht wir möchte Rahel nicht. Der Blitz von der Kamera würde Luna nach dem vielen Feuerwerk zu sehr stressen.