Ich betrete mein Stammlokal auf der Centro Promenade. Direkt schlägt mir der Geruch von frischem Kaffee entgegen. Eigentlich ist alles wie immer. Es sind nur ein paar Leute dort. Links von mir sitzt ein älterer, gut gekleideter Herr mit einem langen schwarzen Mantel und einem ulkigen, alten Hut. Er schlürft genüsslich seinen Kaffee und studiert die Tageszeitung. An der Bar sitzen zwei Mädchen, beide ungefähr Mitte 20, die sich einen Cocktail genehmigen und in ein intensives Gespräch vertieft sind. Beide sind sehr modern gekleidet. Ich suche mir einen Tisch am Fenster und studiere die Speisekarte. Ich bin noch unschlüssig was ich nehmen soll, da steht schon die Kellnerin vor mir. Mir fallen ihre geblümten Gelnägel ins Auge, die ich einen Moment betrachte, ehe ich zu ihr aufschaue. Ich sage ihr, dass ich noch einen Moment brauche. In dem Moment stürmt eine Handvoll Jugendlicher ins Restaurant. Wahrscheinlich sind sie so um 15-16 Jahre alt. Sie schmeißen ihre Schultaschen auf die Bank und lassen sich am Tisch neben mir nieder. Als ich Worte wie „Alter“ oder „Fick dich“ höre, überlege ich schon den Tisch zu wechseln. Jedoch kommt nun die Kellnerin erneut zu mir und ich bestelle einen Roiboos Tee und einen Caesar Salat mit Hähnchen.

Alleine im Restaurant zu essen kann ganz schön anstrengend sein.

Die Toilette als Zufluchtsort

 Die Kellnerin nimmt meine Bestellung auf und geht Richtung Küche davon. Ich schaue auf mein Handy. Keine Nachrichten. Der Empfang ist auch schlecht. Ich scrolle ein wenig auf Facebook herum, jedoch ist auch der Internetempfang nicht wirklich gut. Nach einiger Zeit umherstarren, bemerke ich, dass die Jugendlichen mich ansehen. Ich blicke einmal kurz rüber, sie weichen meinem Blick aus und gucken alle auf eines der Handys das auf dem Tisch liegt. „Die ist ja ganz alleine hier“, höre ich einen von ihnen flüstern. „Die hat bestimmt keine Freunde“, höre ich einen anderen antworten. Genervt stehe ich auf, schnappe mir meine Handtasche und verschwinde auf die Toilette. Ich hasse es generell angestarrt zu werden oder wenn man über mich redet. Ich schließe mich auf einem der Klos ein und lehne mich erst einmal an der Tür an. Ich schließe die Augen und atme einmal tief ein und wieder aus. Ein paar Minuten verharre ich so, verlasse dann die Kabine und begebe mich zum Waschbecken. Ich starre meinem blassen Spiegelbild entgegen. „Bloß nichts anmerken lassen“, denke ich mir und prüfe mein Make-Up im Spiegel. Alles ist noch so wie es sein sollte. Ich wasche mir kurz das Gesicht und studiere die Muster an der Wand. Sie ist in einem leichten Rosa gestrichen und mit kleinen Rosen verziert. Ich merke wie mich das beruhigt. Ich zupfe noch einmal meine Bluse zurecht und kehre zu meinem Tisch zurück. Mein Tee steht bereits dampfend darauf. Der Geruch steigt mir in die Nase und ich wärme erstmal meine Hände an dem Glas auf. Ich sehe auf die Uhr. 20 Minuten. So lange bin ich auf Toilette gewesen und von meinem Essen noch weit und breit keine Spur. Ich schiele zu den Jugendlichen rüber. Sie beachten mich gar nicht und sind in ein Gespräch vertieft. Inzwischen hat der Laden sich gefüllt. Bis auf ein paar Plätze sind alle Tische belegt. Nervös tippele ich mit den Fingern auf der Tischplatte, als endlich die Kellnerin mit meinem Essen um die Ecke kommt. Ich bedanke mich und beginne meinen Salat zu essen. Ich schaue ein wenig umher und bemerke, wie ich mich entspanne. Sollen doch alle denken was sie wollen. Was kümmert es mich überhaupt? Ich kaue auf einem Stück Fleisch herum und denke darüber nach, dass alleine essen zu gehen genauso normal ist, wie alleine auf die Toilette zu gehen. Ich muss lächeln. Wer nicht allein sein kann und immer jemanden um sich herum haben muss, selbst beim Essen, wird nie ganz unabhängig von seinen Mitmenschen sein. Und genau diese Unabhängigkeit macht sich gerade bei mir breit. Es ist nicht schlimm. Ich sitze seit über 1 Stunde alleine im Restaurant und genieße meine Einsamkeit.

Abgang mit Stil

Nachdem ich fertig mit dem Essen bin, schnappe ich mir die rote Serviette die vor mir auf dem Tisch liegt, und putze mir den Mund ab. Die Kellnerin schaut wieder bei mir vorbei und ich bitte um die Rechnung. Ich zahle und hinterlasse ihr ein ordentliches Trinkgeld. Sie geht davon und während ich meine Jacke anziehe, nehme ich Gemurmel vom Hinter Tisch war. „Die Arme. Bestimmt wurde sie versetzt“, höre ich eine Frauenstimme flüstern. „Also alleine essen wäre ja gar nichts für mich“, höre ich eine Männerstimme zustimmen. Ich drehe mich abrubt um und blicke einem jungen Pärchen in die Augen, so um die Mitte 20 vielleicht. Die blondhaarige Frau errötet sofort und senkt den Blick. Der dunkelhaarige Mann mit Brille lächelt mich nur hilflos an. Ich sehe sie direkt an, hebe selbstbewusst den Kopf und sage: „Es ist nichts schlimmes dabei alleine zu essen. Im Gegenteil. Machen Sie sich mal lieber Gedanken darüber was Ihnen genau Angst macht. Und ihr Mitleid brauche ich nicht. Vielen Dank“. Hocherhoben Hauptes verlasse ich das Lokal und ziehe mir den Schal ins Gesicht. Bloß weg hier. Ich werde bestimmt nochmal wiederkommen. Und das nur um allen erneut zu beweisen, dass es nichts schlimmes ist alleine zu essen.

Nicht für jeden ist es selbstverständlich völlig locker im Restaurant zu sitzen wie hier der junge Mann.