„Niemand darf wegen seiner sexuellen Identität benachteiligt werden.“ Ein Satz, der in der heutigen Gesellschaft von einem Großteil der Bevölkerung wohl so unterschrieben werden würde. Auch der homosexuelle Jörg Schlösser (54) aus Castrop-Rauxel dachte bis vor kurzem, dass die Gesetzgebung in diesem Fall klar sei. Schlösser ist seit 2014 verheiratet, ist Veranstalter der großen AIDS-Gala, engagiert sich für soziale Zwecke. Doch als er Plasma spenden möchte, fühlt er sich diskriminiert.

Mit seinem Mann Karsten tritt er unter dem Namen „Terrortucken“ auf, hat sogar einen eigenen gemeinnützigen Verein gegründet. Auf seiner Facebook-Seite steht, dass sich der Verein „im Kampf gegen Homophobie und Rassismus“ einsetzt und für „mehr Toleranz in unserer Gesellschaft“ steht. Anfang Januar möchte Schlösser Plasma spenden. Man kennt ihn dort, das Gespräch ist gut. Die Leiterin der Spendeeinrichtung ist ein Fan seiner karikativen AIDS-Gala und fragt nach, ob ihre Firma dort einen Infostand zum Thema Plasmaspende aufstellen dürfe.

Als Schlösser dann seinen Wunsch äußert, Plasma spenden zu wollen, nimmt ihn das Team beiseite. Er ist überrascht, als ihm gesagt wird, dass eine Plasmaspende von ihm nicht in Frage käme. „Ich habe mich natürlich zuerst gewundert, was der Grund dafür sein könnte“, so Schlösser. „Waren vielleicht meine Werte zu schlecht?“ Doch im Gegenteil: Er hat hervorragende Werte. Schlösser erfährt, dass der Grund seine Homosexualität sei und es aktuell leider keine andere Möglichkeit gebe. Der Castrop-Rauxeler fällt aus allen Wolken und fühlt sich aufgrund seiner Sexualität diskriminiert.

Transfusionsgesetz gibt Auflagen vor

Laut Transfusionsgesetz kommen homo- und bisexuelle Männer als Spender – neben anderen Risikogruppen – grundsätzlich nicht in Frage. Eine Ausnahme wäre, wenn sie nachweislich ein Jahr lang keinen homosexuellen Geschlechtsverkehr gehabt haben. Homosexuellenverbände kritisieren das und weisen auf eine mögliche Diskriminierung hin. Homosexuellen Männern werde so ein unreflektierter Lebenswandel unterstellt. Auch Schlösser ist wütend: „Diese Gesetze sind von Gerüchten beeinflusst, dass Homosexuelle häufiger ihren Geschlechtspartner wechseln als heterosexuelle Männer. Ich weiß nicht, was für Menschen so etwas entscheiden. Die leben wohl noch in der Steinzeit.“

Auf Facebook macht er seiner Wut Luft und berichtet von dieser Ungerechtigkeit. Die Reaktionen sind zahlreich und durch die Bank positiv. „Ich hatte selbst schon auf den ersten negativen Kommentar gewartet, aber da kam nichts“, erzählt er. „Ich gehe schon lange sehr offen mit meiner Homosexualität um. Die Menschen haben das Positive gesehen und mich mit ihren Kommentaren und Nachrichten unterstützt.“

Das Transfusionsgesetz steht schon seit längerem in der Debatte. Doch gibt es auch Argumente, die für eine Beibehaltung dieser Regelung sprechen? Die Leiterin der Plasmaspendeeinrichtung (Anm. d. Red.: Die Leiterin möchte nicht namentlich genannt werden) weist darauf hin, dass die Plasmaspende vielen Vorschriften und Richtlinien unterliegt, die es einzuhalten gilt. „Eine davon ist die Richtlinie Hämotherapie der Bundesärztekammer. Diese nennt unter Punkt 2.2.4.3.2.2 eine Rückstellung von zwölf Monaten für Männer, die Sexualverkehr mit Männern haben. Diese Vorschriften und Richtlinien haben für uns Gesetzescharakter. Hierbei haben wir keinen Handlungsspielraum“, sagt sie.

Dennoch ist sie sehr dankbar für die Aufmerksamkeit, die durch die Debatte auf das Thema Plasmaspende gelenkt wird. Gerade für die Forschung sieht sie die Notwendigkeit. Das Plasma werde benötigt, um überlebenswichtige Medikamente herzustellen und voranzubringen. Auch im Bereich der Corona-Antikörper gibt es bereits Forschungen. „Wir brauchen die Spenden für die Forschungen. Ich bin daher sehr dankbar, dass Herr Schlösser mit seiner Bekanntheit auf dieses wichtige Thema hinweist“, sagt sie.

Die Frage, ob sie in den vergangenen zwölf Monaten Geschlechtsverkehr mit einem anderen Mann gehabt haben, müssen übrigens alle Männer beantwortet – auch heterosexuelle. Ob und wann das Transfusionsgesetz überarbeitet wird, kann aktuell nicht vorhergesagt werden. Hier ist der Arbeitskreis Blut des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung als beratendes Gremium gefragt, der eine Empfehlung dafür aussprechen müsste.  Übrigens: Auch im Grundgesetz ist trotz einiger Initiativen noch nicht verankert, dass Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität benachteiligt werden dürfen. Jörg Schlösser wünscht sich für die Zukunft, dass beide Gesetze überarbeitet werden. Einen Vergleich zieht er zu seiner AIDS-Gala: „Ich habe sie 2012 übernommen und aus einer konservativen Veranstaltung etwas gemacht, wofür ich mich einsetze: eine bunte und offene Gesellschaft. Jeder Mensch sollte das Recht haben, Blut und Plasma spenden zu dürfen.“

Eine Petition zum Thema Blutspendeverbot gibt es unter

https://www.change.org/p/blutspendeverbot-f%C3%BCr-schwule-bi-und-transexuelle-abschaffen-regenbogenbluttutgut-jensspahn?fbclid=IwAR11GlTXyGsuiZxJXGx-wQuxKfIDW_bed13H4LuYy0s62pfNansD2OME7G4