Jedes Jahr werden in Deutschland unzählige Weihnachtsbäume gekauft. Hierbei kommt es auf viele Kleinigkeiten an, um den perfekten zu finden. Der Hof Junge-Bornholt in Riesenbeck hat Bäume für fast jeden Geschmack. Einer kennt sich besonders gut aus. Richard Windoffer. Er ist mit „Spaß an der Freude“ bei der Arbeit und tut alles, damit die Kunden den perfekten Baum finden.

Von Denise Osterbrink

Samstagmittag. Leichter Regen fällt. Es ist kalt draußen. Richard Windoffer wirft die Kettensäge an und beschneidet eine Nordmanntanne. Es riecht nach Motoröl. Der untere Kranz des Baumes wird ganz abgeschnitten. Dann holt er die Astschere und gibt dem Baum den letzten Schliff. Hier und da müssen noch ein Paar Zweige weichen, dann ist er perfekt. Der Duft von Tanne breitet sich aus und überdeckt das Öl. Der Kunde schaut zufrieden.

Schon wird der Baum durch eine Metallvorrichtung gezogen und ist transportfertig. Diese Vorrichtung hat hinten ein großes und vorne ein kleineres Loch, an das ein Netz gespannt ist. Wenn der Baum durch ist, wird das Netz mit einem scharfen Messer abgeschnitten. Noch schnell nach der Größe geschaut und die stattliche Nordmanntanne ist bezahlt. „Schöne Feiertage“, wünscht Richard dem Kunden. Dieser erwidert und fährt davon. 

„Manchmal müssen die Bäume noch zurechtgeschnitten werden, wenn sie zu dick für den Tannenbaumständer sind oder der Kunde diesen Wunsch äußert“, erklärt Windoffer. Seit 15 Jahren verkauft er die Weihnachtsbäume auf dem Hof von Heiner Junge-Bornholt. Eigentlich ist er Rentner, doch die Arbeit auf 450-Euro-Basis macht ihm Spaß. „Ich arbeite gerne hier“, sagt er. „Ich fühle mich, als ob ich zur Familie gehöre“. In dieser Familie gehören Späße zum Alltag. Gerade läuft ein Mitarbeiter schnellen Schrittes an Richard vorbei. „Links, zwo, drei, vier“, ruft dieser. Beide lachen.

Die Weihnachtsbaum-Tradition

Eine Familie mit vier kleinen Kindern kommt auf den Hof. Sie ziehen einen grünen Bollerwagen hinter sich her. Die Mutter verschwindet im Hofladen, während Vater und Kinder sich nach dem Baum umschauen. Er darf nicht zu dicht bewachsen sein, denn Familie Stevens hängt echte Kerzen an ihrem Baum. „Es ist mit den Kerzen so wie früher bei uns“, sagt Vater Andreas. Warum die Familie den Weihnachtsbaum jedes Jahr von Junge-Bornholt kauft, erzählt Sohn Theo. „Es ist regional und wir kennen die Familie. Es sind nette Menschen“.

Auf dem Hof sind dieses Jahr ca. 250 Nordmanntannen zum Verkauf. Sie sind die beliebtesten Weihnachtsbäume der Deutschen. Unteranderem liegt es an ihrer perfekten Pyramidenform. Wie diese Entsteht, weiß Richard genau. Er nimmt einen Baum in die Hand. „Die Bäume wachsen erstmal 4-5 Jahre frei auf dem Feld, bis sie dann oben beschnitten werden.“ Er zeigt kleine weiße Stellen an dem Baum, wo Zweige abgeschnitten wurden. Würden die Bäume nicht beschnitten werden, wären sie oben so breit wie unten. Die Pyramiden-Form wäre dahin.

Nach dem der Baum ins Netz gegangen ist, ist eine der drei Töchter der Familie dran. Jedes Jahr wird ein anderes der vier Kinder durch das Netz gezogen, um sich „einmal wie ein Weihnachtsbaum zu fühlen“. Als das Mädchen im Weihnachtsbaumnetz eingepackt ist, fangen alle an zu lachen. Die Mutter macht noch ein Video, bevor der Netz wieder wegkommt. Der Wind und die Kälte scheinen der guten Laune nicht zu schaden. Mit dem Weihnachtsbaum und den Kartoffeln im Bollerwagen macht sich die Familie auf dem Weg nach Hause.

Gute Erfahrungen zahlen sich aus

Aktuell sind noch 52 Bäume übrig. Sie kommen von einem Bauern aus der Nähe von Lotte. Der Preis des Baumes wird an einer Holztafel bestimmt. Sie hängt an der Wand von der Halle. In schwarzer Farbe steht dort 28-57€. Dabei kommt es nicht auf den Cent an. „Die Kunden handeln auch gerne. Da sag ich nicht nein, wenn es 50 Cent weniger sind. Außerdem sind die meisten Stammkunden bei uns. Denen möchte man nicht vor den Kopf stoßen“.

Die Gründe, warum Menschen bei Junge-Bornholt ihre Bäume kaufen, sind vielfältig. Lena Alte-Bornholt und ihre Schwester zum Beispiel kennen den Chef Heiner gut. „Dann ist auch der Weg nicht so weit, wir wohnen ja nah dran“, sagt sie. Die beiden Mädchen suchen sich einen Baum aus, den der Bruder später abholen und bezahlen soll. „Gute Arbeitsteilung“, kommentiert Richard das Geschehen. Als der Bruder später zum Abholen kommt, nimmt er jedoch einen Baum mit, der kaum noch Äste hat. Der Chef Heiner persönlich hat ihm den Baum gegeben. „Später kommt er wieder und holt den echten Baum“, sagt Richard. „Er will die Mädchen nur ärgern.“

90% Erfolgsquote

Manche Kunden finden ihren perfekten Baum sofort, kommen mit Vorstellungen oder lassen sich inspirieren. Andere müssen etwas länger suchen. „Meistens nehmen die Leute den Baum, den sie sich als erstes angeschaut haben“, erklärt Windoffer. Einige rufen vorher auf dem Hof an und lassen sich ein Baum nach ihren Vorstellungen reservieren. Sie verlassen sich darauf, dass Richard den perfekten Baum für sie raussucht. Das klappt „mit 90% Erfolgsquote“, wie er stolz mitteilt.

Ein Paar betritt den Hof. Richard steht etwas abseits und beobachtet, wie es sich die verschiedenen Bäume anschaut. „Ich lasse sie erst einmal machen“, sagt er. Mit der Zeit hat er ein Gespür dafür entwickelt, wann die Leute Hilfe brauchen. Dann geht er zu ihnen. Für das Paar zieht er einen Baum aus dem Gemenge, damit sie ihn betrachten können. Sie laufen einige Male um den Baum herum, dann ist er gekauft.

Zu jedem eine Geschichte

Aus einer Halle hinter ihnen ist ein Geräusch von einer Maschine zu hören. Das stört Richard und das Paar aber nicht, die sich gerade über Gott und die Welt unterhalten. Seien es Neuigkeiten über Bekannte oder die aktuelle Politik. Da wird der eingenetzte Weihnachtsbaum für eine kurze Zeit zur Nebensache.

Zu und mit jedem Kunden, der den Hof betritt, hat er etwas zu erzählen. Manche Gespräche gehen länger, andere sind nur kurz. Alle haben aber an diesem Tag das gleiche Ende. „Schöne Feiertage“ wünschen sich die Gesprächspartner. Richards gute Laune und Motivation bleiben von den Kunden nicht unbemerkt.

„Er ist sehr engagiert, der Mann“, sagt ein Kunde als Richard gerade damit beschäftigt ist, die abgefallenen Tannennadeln zusammen zu fegen. Dieses Engagement schätzen die Menschen auch wert. Meistens geben sie Trinkgeld, welches Richard jedes Mal spendet. Sei es ans Altenheim, den Kindergarten oder Ähnliches.

Weihnachtsbaum-Wissen

Ein weiterer Kunde schaut sich gerade einen Weihnachtsbaum von unten an. Er will wissen, ob er in den Baumständer zuhause passt. Dabei fällt Richard weiteres Wissen, zu den Tannen ein. „Wenn der Baum unten rostbraun ist, ist er nicht mehr so frisch. Wenn jedoch Erde unten zu finden ist, haben wir einen frischen Baum“. Der Baum des Kunden ist frisch und geht wenig später auch durchs Netz. Das rascheln, wenn die Äste des Baumes zusammengedrückt werden, ist erneut zu hören. Für seine Kunden gibt Richard alles, damit sie den perfekten Baum finden. Wer sich so gut mit Tannenbäumen auskennt, sollte es doch selbst leicht haben, den perfekten zu finden, oder? Nicht unbedingt. „Ich sehe in jedem Baum eine Macke,“ erklärt Richard. Doch irgendwie hat er es doch geschafft einen guten Baum für sich zu finden. Dieser steht schon einige Zeit bei ihm zuhause und ist bereit für Weihnachten.