Das Geheimdepot Dorsten lädt seit 2020 zu Abenteuern und Mysterien ein. Das Escape Game Theater auf dem ehemaligen Zechengelände der Fürst Leopold in Dorsten Hervest lässt die Besucherin seinen Attraktionen in bis zu 90 Minuten ihren eigenen Film erleben. Dabei lassen sie sich freiwillig in Zellen einsperren. Geschäftsführer Marvin Reuter findet es reizvoll, seinen Kunden Rätsel aufzugeben. Wir haben ihn einen Tag lang begleitet und uns einen Blick hinter die Kulissen des Geheimdepots zeigen lassen.
von Sven Lidicky
Es herrscht ein reges Treiben auf dem ehemaligen Zechengelände der Zeche Fürst Leopold in Dorsten. Das dort entstandene „CreativQuartier Fürst Leopold“, das neben viel Kunst und Kultur auch verschiedene gastronomische Einrichtungen beherbergt, zieht auch an diesem leicht verregneten Samstagvormittag wieder eine Vielzahl von Besuchern an. Inmitten der Lohnhalle und den Waschräumen der ehemaligen Zeche befindet sich das Escape Game Theater „Geheimdepot“. Von außen ist es still, nur die Verkehrsgeräusche der Straße sind zu vernehmen. Bei einem Blick über das Gelände, fällt einem eine Tür besonders auf. Sie ist foliert mit der Aufschrift: „Hinter dieser Tür beginnt euer Abenteuer“. Dahinter verbirgt sich ein kleiner Raum, welcher durch rotblau geflutetes Licht erleuchtet wird. An der Wand hängen drei vermeintliche Filmplakate, welche die derzeitigen Attraktionen des Geheimdepot aufzeigen. Beim genauen Hinhören ist ein kleine Melodie ist zu vernehmen, sowie ein unregelmäßiges Pochen aus einer der anliegenden Räume. Neben dem Eingang eine weitere Tür mit einem kleinen Zettel mit der Aufschrift „Bitte hier warten!“.
Der Arbeitsbeginn
Der Betrieb ist schon in vollem Gange, auch wenn der Arbeitstag von Marvin Reuter an diesem Tag erst um 14:00 Uhr beginnt. Denn plötzlich strömen Gäste aus der Attraktion „Kammerflimmern“, einem Grusel Escape Room. Mit ihnen eine Nebelschwade und ein leicht stechender Geruch. „Das meinen wir im Übrigen mit immersives Erlebnis“, lacht Marvin und schließt ein Tür auf. Hinter dieser befindet sich ein ehemaliger Waschraum der Zechenanlage, welcher derzeit als Lager dient, dort befindet sich der Kostümfundus und die Garderobe der Darsteller. „Für die perfekte Illusion muss natürlich auch das passende Outfit her!“, sagt Marvin und greift vertraut zwischen die verschiedenen Kostüme. Zum Vorschein kommt das Kostüm eines Gefängniswärters. „Heute werde ich als Spielleiter für unsere Attraktion „Atomarer Ausbruch“ agieren und in die Wärter-Rolle schlüpfen.“
Bevor es allerdings losgehen kann, muss Marvin den 200qm großen Raum, die Technik und natürlich die Rätsel auf Funktion prüfen. „Hier muss alles reibungslos ablaufen, um die Geschichte glaubhaft zu transportieren“, erklärt er. Dann fährt er den Rechner hoch und mit ihm die gesamte Licht-, Video- und Tontechnik. Innerhalb weniger Sekunden entfaltet die Kulisse Ihre volle Wirkung. Lichter beginnen zu flackern, eine stimmungsvolle Klangwelt aus klappernden Geräuschen, verhallten Stimmen und drückenden Bässen beschallt die Räumlichkeiten. Ein langer Gang mit Zellen und Gitterstäben, gegenüber ein größer Gemeinschaftsraum, welcher von einem Wärterbüro aus beobachtet werden kann. „Beim atomaren Ausbruch befinden sich unsere Gäste in einer Simulation. Die Welt ist im Krieg. Großmächte bedienen sich biologischer und nuklearer Waffen, um die Oberhand zu gewinnen. Eine Atomrakete befindet sich auf dem Weg in Richtung Ruhrgebiet. In diesem Chaos entsteht eine neue Ordnung. Einflussreiche und wohlhabende Menschen werden selektiert und erhalten Schutz unter Tage. Dort ist ein autarkes Überleben für die Auserwählten möglich. Schutzsuchende werden gewaltsam abgewehrt und eingesperrt. Wir geben Ihnen nur eine Aufgabe: Überleben!“, das ist die Storyline hinter der Attraktion berichtet Marvin und zieht sich dabei seine Uniform an. „Jetzt muss ich aber schnell machen, die ersten Gäste warten schon.“
Das Spiel kann beginnen!
Und er behält Recht, die erste Gruppe die Marvin an diesem Tag bespielen darf, wartet bereits vor der Eingangshalle des Geheimdepots. Plötzlich blüht Marvin auf, verändert seine Haltung und die Stimmlage. „Glück Auf“, klingt aus ihm heraus. Wie ausgewechselt steht er da und nimmt seine Rolle perfekt an. „Wenn ich dann im Spot stehe, dann klickt der Schalter“, verrät er. Eine deutlich rauerer Ton schrillt aus ihm heraus und er bittet die Gäste herein. Die Gruppe tritt ein und passiert die Tür mit dem Zettel. Hinter Ihr ein Raum, in dem sich der Empfangsbereich des Geheimdepots befindet. Mit großen Augen folgen die Gäste Marvin. Plötzlich öffnet sich ein schwarzer Vorhang und bietet Blick auf einen eindrucksvollen Tresen aus Holz, welcher an einigen Stellen mit Stofffetzen behangen ist. Auf der anderen Seite Sitzsäcke aus Jute und eine sich aus Kisten türmende Fassade. Plötzlich stößt Nebel aus, die Lichtstimmung verändert sich und das Abenteuer beginnt.
Mit einer Show aus Schauspiel, Musik- und Lichteffekten begrüßt Marvin in seiner Rolle als Wärter die Gäste und klärt diese über die Abenteuer und Mysterien des Geheimdepots auf, obwohl er einen kurzen Moment vorher noch als Kassierer tätig war. „Das ist, was die meisten Leute gar nicht erwarten“, sagt er. „Als Escape Game Leiter muss man halt alles übernehmen. Vom Verkauf, der technischen Umsetzung, dem Schauspiel, bis zu Abrechnung am Abend.“
Nach Marvin mit seiner schauspielerischen Begrüßung die Besucher auf das Spiel vorbereitet hat, geht es für Sie in Richtung Spielraum. Das Escape Game kann im Grunde beginnen, also fast, denn vorher wartet noch das wichtigste: die Pinkelpause! „Viele Besucher unterschätzen 90 Minuten Spiellänge“, lacht Marvin. „Aber hat das Spiel einmal begonnen, dann gibt es keinen Ausweg und keinen Abbruch mehr! Wer da keine starke Blase hat, verliert.“
Nach dem kurzen Stopp geht es dann aber tatsächlich los. Aufblühend in seiner Wärter-Rolle, teilt Marvin die Spieler in Gruppen auf. „Es geht gleich für euch in NRWs größten Escape Room, dass bedeutet wir haben ausreichend Platz und das wiederum heißt, wir teilen euch erstmal auf! Wieder zusammen finden müsst ihr dann selbst“, spricht Marvin in der Rolle als Wärter. Er öffnet die Tür zum Spielraum und lässt die erste Gruppe eintreten, ein paar Sekunden später die zweite und kurz danach die dritte. Das Spiel beginnt!
Der atomare Ausbruch
„Ich habe die Teilgruppen jetzt jeweils in verschiedene Zellen eingeschlossen, dort werden sie nun in die Simulation eingeführt“ erklärt Marvin. „Natürlich schließen wir dabei die Zellen nicht wirklich ab!“. Die Türen der Gefängniskabinen können nämlich jederzeit mit einem Hebel geöffnet werden. Doch für das richtige Feeling sollen die Spieler natürlich versuchen, an den „richtigen“ Schlüssel zu kommen. „Wie das funktioniert verrate ich jetzt natürlich nicht, dafür muss man uns besuchen kommen und es selbst probieren. Sonst wäre es viel zu leicht“, schmunzelt er. Ähnlich wie bei Zauberern gilt es auch hier, die Illusion nicht zu enttarnen. In den Zellen herrscht reges Treiben. Man hört Klappern, leises Geflüster und beobachtet hektische Bewegungen. Schreitet der Wärter an der Zelle vorbei ist es plötzlich still und alle sitzen brav auf ihrer Pritsche. „In der Einführung haben Sie gesagt bekommen, dass Sie sich mir gegenüber unauffällig verhalten sollen“, erklärt Marvin. Das Ziel der Insassen ist es nämlich durch finden verschiedener Hinweise und Gegenständen aus der Zelle zu entkommen. „Ah, ich glaube die erste Gruppe ist so weit“, sagt Marvin und schreitet den Zellengang entlang. Und erneut behält er recht, denn die erste Gruppe hat es geschafft und darf sich nun in den Gemeinschaftsraum begeben. Sie werden vom Wärter begleitet und auf die dort geltenden Regeln hingewiesen. „In dieser Szenerie gilt die Regel, dass nur eine gewisse Anzahl von Personen stehen darf und der Rest sitzen bleiben muss“, erklärt Marvin und setzt sich auf den Sessel im Wärterbüro, von welchem aus er das Geschehen im Gemeinschaftsraum beobachten kann.
„Ab jetzt gilt Interaktion“, sagt er. „Nur wenn die Gruppe jetzt als eine Einheit fungiert, kommen Sie hier in der vorgegeben Zeit raus“. Man kann beobachten, wie die Teilnehmer die Unachtsamkeit des Wärters ausnutzen, um somit bestimmte Regeln brechen zu können. „Mir sind hier schon die verrücktesten Dinge passiert, die auch dafür gesorgt haben, dass wir manche Dinge verändern mussten.“ Marvin zeigt auch einen Kasten am Ende des Gemeinschaftsraums. „Dort hinten beispielsweise hatten wir mal ein Erste-Hilfe-Kasten, die Spieler haben diesen gefunden, das Wärterbüro gestürmt und mich hier an diesen Stuhl gefesselt. Da war ich einfach machtlos!“, berichtet Marvin als er plötzlich aufspringt und in die Szene rennt.
In der Zeit haben es auch die restlichen Mitspieler aus den Zellen geschafft und versuchen mit allen anderen das Rätsel zu knacken. Nun ist Zusammenarbeit gefragt. Während sich der eine Teil der Gruppe darum kümmert den Wärter konstant abzulenken, schleichen sich zwei der Spieler aus dem Gruppenraum heraus, um nach weiteren Hinweisen und Rätseln zu suchen. Nach rund 75 Minuten haben Sie es dann geschafft und die Simulation überstanden.
Marvin stellt sich vor die sichtlich erfreute Gruppe. „Glückwunsch! Ihr habt es geschafft und konntet euch rechtzeitig aus dieser Simulation befreien!“, lobt er. „Ihr habt gemeinsam als Gruppe großartig zusammengearbeitet und als ein Team die verschiedenen Hindernisse überwunden.“ Er bittet die Teilnehmer alle benutzen Gegenstände wie Schlüssel und Hinweise in dem Raum zu lassen und führt die Gruppe anschließend zurück zur Eingangshalle. Dort gibt es dann noch ein Gruppenfoto im Filmposter-Look und eine liebevolle Verabschiedung.
Immer das gleiche Spielchen!
„So jetzt muss ich mich aber beeilen, die nächste Gruppe kommt gleich schon“, sagt Marvin und huscht zurück zum Spieleraum. Dort angekommen, beginnt er in zügig alle Rätsel wieder zurück zubauen und den Raum wieder so herzurichten, wie er 90 Minuten zuvor aussah. „Für alle soll das Erlebnis natürlich gleich intensiv sein“, betont Marvin und versteckt Schlüssel in einer der Zellen. Keine zehn Minuten später befindet sich der Raum wieder im Ursprungszustand. „Dann wollen wir mal die nächste Gruppe abholen“, lächelt er und eilt zurück zum Haupteingang.
Weitere 90 Minuten später wiederholt sich das gleiche Spielchen erneut. „Den Atomaren Aufbruch kann ich maximal 3-mal am Tag bespielen“, verrät Marvin. „Danach lässt auch meine Leistung nach und das möchte ich unserem Publikum nicht präsentieren.“
Schicht im Schacht
Mittlerweile ist es 22:00 Uhr und die letzte Gruppe des Tages verlässt gut unterhalten das Geheimdepot. Ein letztes Mal schwingt Marvin an diesem Tag rüber in den Escape Room und sorgt für Ordnung. Plötzlich der Schock, einer der Schlüssel fehlt. „Nun erleben wir die ungünstigste Aufgabe eines Escape Room Spielleiters“, sagt er mit verbissenen Zähnen. Nach einer kurzen Suche von fünf Minuten lässt sich der Schlüssel am Boden einer bestimmten Station finden. „Ich kenne mittlerweile die markanten Stellen. Da rutscht gerne mal ein Schlüssel unbemerkt aus der Tasche“, betont er und verschließt das letzte Schloss des Tages.
Licht aus und Tür zu. Der Tag ist so weit geschafft. „Jetzt ist wahrhaftig Schicht im Schacht“, sagt Marvin amüsiert und streift sich seine Wärteruniform ab. Er scheint glücklich und zufrieden. Die Frage, welchen Reiz Escape-Rooms bieten und woher der Hype stammt, beantwortet er mit: „Ich weiß es nicht genau, aber ich denke mal, bei uns macht der schauspielerische Aspekt eine Menge aus. Zu dem der starke Einsatz von Immersion und das die Gruppen hier einfach gemeinsam eine Sache als Team erleben können und als eine Einheit nach Hause gehen.“ „Der Kassenabschluss bleibt mir heute erspart“, lacht er. „Das macht gleich der Kollege, der grade noch Kammerflimmern bespielt. Das heißt für mich: Feierabend“. Zufrieden nimmt Marvin seine Sachen und verlässt das Geheimdepot für diesen Abend. Auf die abschließende Frage, was heute sein Highlight war antwortet er: „Einfach, dass es wieder drei komplett unterschiedliche Gruppen waren, die das Spiel auf eine ganz eigene Art zu Ihrem Abenteuer gemacht haben. Das stimmt mich glücklich und zufrieden, denn wenn uns diese Illusion gelingt, wir die Menschen 90 Minuten lang von ihrem Alltagstrott befreien können und ich im Anschluss die strahlende Begeisterung sehen kann, dann ist mir das mehr wert als jeden Euro, den man mir geben kann.“ Aus diesem Grund liebt er seinen Job.
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