Von Laura Krabsch
Wer bei der Google Suche nach günstigen Studentenstädten sucht, stößt neben den Ost-Städten Chemnitz, Leipzig oder Dresden schnell auf Gelsenkirchen. Die Webseite „provisitv.com“ listet die Stadt im Ruhrgebiet sogar unter den Top 10 in Deutschland, woran sie das fest machen, wird jedoch nicht klar. Lebt es sich als junger Mensch wirklich günstig in Gelsenkirchen und ist günstig auch mit gut gleichzusetzen?
„80 Euro machen schon einen Unterschied“
Seit Februar dieses Jahres ist Jonas Burgwinkel Einwohner der Stadt Gelsenkirchen. Der 21-Jährige studiert an der Westfälischen Hochschule und hat bis zum dritten Semester in der Nachbarstadt Essen gelebt. Aktuell zahlt Jonas für seine 40-Quadratmeter Wohnung 350 Euro warm. In Essen hat er gut 80 Euro mehr bezahlt. „Als Student brauch man diese Differenz halt vor allem für Freizeitangebote“, betont Jonas. Auch viele seiner Mitstudierenden haben sich für Gelsenkirchen als Wohnort entschieden und das, obwohl die Stadt nicht unbedingt den Ruf hat, eine Studentenhochburg zu sein.
„Die günstige Miete liegt vor allem an der Geschichte der Stadt“, erklärt Martin Schulmann, Pressesprecher der Stadt. Er fasst die Wohnsituation in Gelsenkirchen knapp zusammen: „Günstig –nicht immer luxuriös, aber bezahlbar.“ Außerdem betont er die Zusammenarbeit mit dem Verein „Tausche Bildung für Wohnen e.V.“. Dabei wird Studierenden mietfreier Wohnraum geboten, wenn diese im Gegenzug bildungsbenachteiligten Kinder aus der jeweiligen Nachbarschaft bei den Schularbeiten helfen.
„Mein Herz pocht hier“
Auch Thomas Kaminski wohnt und lebt in Gelsenkirchen – und das, obwohl er dafür täglich zur Arbeit pendeln muss. Der 24-Jährige ist Medizinisch-technischer Assistent in Bochum. Jeden Tag fährt er mit der Bahn über eine Stunde in die Nachbarstadt. Das hat auch finanzielle Gründe: „Bochum ist eine Studi-Stadt, sprich Bochum ist teuer!“, so Thomas. Das er in Gelsenkirchen lebt, liegt aber nicht nur an den Wohnkosten. „Gelsenkirchen ist meine Heimat; mein Herz pocht hier. Ich habe alles, was ich brauche in Gelsenkirchen und mir fehlt es hier an nichts“, schwärmt er. Aber die Inflation und die Folgen des Ukraine-Kriegs ziehen auch an Gelsenkirchen nicht vorbei. „Für Lebensmittel gebe ich bis zu 300 Euro im Monat aus. Früher bin ich auch gerne und regelmäßig essen gegangen oder habe mir was zu essen bestellt. Das geht aktuell nicht mehr. Ab August zahle ich 120 Euro mehr für Gas und Strom. Da muss ich ein bisschen schauen, wo ich bleibe.“
Auch in Sachen Freizeitangebot können Studierende oder Auszubildende in Gelsenkirchen mit Vergünstigungen rechnen – allerdings sind die nicht deutlich geringer als in Nachbarstädten; ganz im Gegenteil. Im „Badeparadies“ zahlen Studierende und Schüler*innen an Vollzeitschulen, also zum Beispiel an einem Berufskolleg, als „Spätschwimmer“ von freitags bis sonntags und an Feiertagen zwischen 20 Uhr und 22 Uhr nur 2,50 Euro als Eintritt. Das Tagesticket am Freitag kostet mit der Vergünstigung 4,70 Euro statt 9 Euro. Zum Vergleich: Im Hallenbad Querenburg in Bochum gilt der ermäßigte Eintritt unabhängig von Wochentagen oder Uhrzeiten. Hier zahlt man für ein Tagesticket sogar nur 3,00 Euro. Eine Anfahrt nach Bochum ist durch das Semesterticket problemlos möglich. Alternativ kann man natürlich auch auf öffentliche Seen zurückgreifen. Die sind grundsätzlich kostenlos. Außerdem spart man mit dem Ermäßigten Eintritt im Apollo Kino in Gelsenkirchen je nach Platzkategorie zwischen 50 Cent und 1,00 Euro. Das Filmspiegel Kino in Essen ist hier nur einen ticken günstiger. Hier gilt die Ermäßigung von 1,00 Euro bei allen Tickets, allerdings nicht an Dienstagen.
Aber wie sieht es mit einer Partyszene in Gelsenkirchen aus? Veerle Seelig studiert auch an der Westfälischen Hochschule. Sie bezeichnet das Nachleben in Gelsenkirchen kurz und schmerzlos als „nonexistend“, also nichtexistierend. Trotzdem ist sie sich sicher, dass es sich günstig durch den Abend kommen lässt, wenn es dann doch mal in eine der örtlichen Bars geht. Für ein großes Bier vom Fass zahlt man im Lokal ohne Namen 4,50 Euro. Die Bar ist durch die Fachschaftsveranstaltungen, bei Studierenden sehr beliebt. Nochmal ein Vergleich: Im Brauhaus Rietkoetter in Bochum kostet ein großes Bier vom Fass ebenfalls 4,90 Euro. Also mit 40 Cent mehr ein Tick teurer als in Gelsenkirchen. Im Brauhaus am Ring in Bottrop kostet das frische Veltins vom Fass je nach Größe zwischen 2,70 Euro und 3,60 Euro. Hier trinkt es sich also tatsächlich deutlich günstiger durch den Abend. Für Jonas Burgwinkel hat der Umzug in die ehemalige Kohlestadt sich vor allem finanziell gelohnt: „Es ist viel günstiger und zehnmal schöner als Essen“, lacht er. Sowohl Jonas, als auch Thomas sparen deutlich an Miete, weil sie in Gelsenkirchen leben. Das auch das tägliche pendeln kein Problem ist, beweist Thomas. Für ihn kommt ein Umzug nach Bochum nur infrage, wenn er dort eine vergleichbare Wohnung, zu einem vergleichbaren Preis finden würde. Das Geld, was die beiden bei der Miete sparen, fließt dann in ihre Freizeitplanung. Hier ist Gelsenkirchen nicht deutlich günstiger als die umliegenden Städte, aber für Jonas machen die 80 Euro, die er spart, schon einen Unterschied.
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